Liechtensteiner Volksblatt
Ausland
Donnerstag, 24. August 2000 39
Nachrichten
Tod eines Einwanderers
empört Spanien
MADRID: Der Tod eines afrikanischen Ein
wanderers im Polizeigewahrsam hat in Spanien
grosse Empörung ausgelöst. Der 32- jährige An
tonio Augusto Fonseca aus Guinea-Bissau war
im Mai bei einem Besuch seiner Schwester auf
der Kanareninsel Lanzarote von der Polizei un
ter dem Verdacht des Drogenschmuggels fest
genommen worden. Am Tag darauf sei er tot ge
wesen, berichtete die Presse am Mittwoch. Offi
ziell hiess es damals, der Mann sei gestorben,
nachdem die von ihm geschluckten Heroinbeu-
tel in seinem Magen geplatzt seien. Zu diesem
Ergebnis kam auch die von den Behörden an
geordnete Obduktion. Die Familie stellte an
dem Leichnam aber blaue Flecken im Gesicht
und an den Armen fest und setzte mit Hilfe ei
ner Anwältin eine neue Autopsie durch. Diese
ergab, dass der 32-Jährige durch einen harten
Schlag auf den Hals starb. Spuren von Drogen
wurden nicht gefunden. Die Angehörigen sind
Uberzeugt, dass brutale Polizeigewalt die
tatsächliche Todesursache war. Sie zeigten die
Beamten wegen heimtückischen Mordes an und
fordern 100 Mio. Peseten (950000 Franken)
Schmerzensgeld. Die Behörden hätten aber bis
lang nichts unternommen, kritisierten sie.
Venezuelas Präsident
verschreckt die UNO
NEW YORK: Venezuelas Präsident Hugo Cha-
vez hat die Vereinten Nationen aufgeschreckt:
Er sagte der venezolanischen Zeitung «El Na
tional», er wolle beim UNO-Gipfel im Septem
ber eine 30mintltige Rede halten. UNO-Spre-
cher Fred Eckard warnte daraufhin am Diens
tag, der Gipfel würde drei Wochen dauern,
wenn jeder der 160 Staats- und Regierungschefs
eine so lange Rede vorbereite. Eingeplant sind
fünf Minuten pro Redner. «Was kann man der
Welt in einer Minute sagen», hatte sich Chavez
in dem Zeitungsinterview beklagt. Er wolle in
seiner Rede für eine «gerechte und gleiche
Welt» eintreten, die Begrenzung der Redezeit
käme einer «Folter» gleich. Wie die UNO Cha
vez stoppen könnte, sagte Eckard nicht. «Wenn
sich hier Regierungschefs versammeln, können
wir bestenfalls höfliche Vorschläge machen, da
mit wir hier ffichT drei Wochen statt drei Tage
sitzen.
Ex-Schas-Chef muss
Haftstrafe antreten
JERUSALEM: Das Oberste Gericht in Israel
hat am Mittwoch die Inhaftierung des wegen
Korruption verurteilten früheren Chefs der ul-
tra-orthodoxen Schas-Partei, Arieh Den, ange
ordnet. Gerichtspräsident Aharon Barak, der
die ursprünglich für 13. August geplante Inhaft
nahme zunächst aufgeschoben hatte, kündigte
in einer Mitteilung des Gerichtshofes an, eine
weitere Verzögerung sei nicht gerechtfertigt.
Der zu drei Jahren Gefängnis verurteilte ehe
malige Innenminister muss damit seine Strafe
am 3. September antreten. In einem langwieri
gen Prozess war Deri der Korruption, des Be
trugs und des Vertrauensbruchs für schuldig be
funden worden. Er soll in den achtziger Jahren
öffentliche Mittel in Höhe von umgerechnet
rund 225 000 Franken für sich selbst abgezweigt
oder als Schmiergelder gezahlt haben. Die
Schas ist mit 17 von 120 Abgeordneten im Par
lament die drittgrösste Partei des Landes.
Weitere ETA-Aktivisten
gefasst
VITORIA: Die spanische Polizei geht weiter
massiv gegen die Untergrundorganisation ETA
vor. Bei Razzien im Baskenland seien zwei wei
tere Verdächtige gefasst und acht Wohnungen
durchsucht worden, teilten die Behörden am
Mittwoch in Vitoria mit. Die Festnahmen stün
den im Zusammenhang mit der Zerschlagung
eines Terrorkommandos der ETA am vergange
nen Samstag.
Die Organisation hatte darauf mit einem
Bombenanschlag auf zwei Polizisten in einem
nordspanischen Bergdorf reagiert. Seit dem
Wochenende sind zwölf mutmassliche ETA-
Aktivisten festgenommen worden. Die
Bemühungen um eine gemeinsame politische
Front gegen den ETA-Terror erlitten dagegen
einen Rückschlag. Nachdem der Chef der bas
kischen Regionalregierung, Juan Jos6 Ibarretxe,
unter dem Eindruck der derzeitigen Gewaltof
fensive Allparteien-Gespräche unter Aus
schluss der ETA-nahen Herri Batasuna
(HB/Volksunion) vorgeschlagen hatte, regt sich
in seiner eigenen Partei dagegen nun Wider
stand.
Putins Ansehen hat gelitten
Der russische Staatschef musste «Kursk»-Trauerfeier auf Druck von Familien absagen
WIDJAJEWO: Auf Druck der
Hinterbliebenen hat der russi
sche Präsident Wladimir Putin
am Mittwoch die offizielle
IVauerfeier für die 118 tödlich
verunglückten Seeleute der
«Kursk» abgesagt. Putin über
nahm auch die Verantwortung
für das Unglück.
In einer Fernsehansprache anläss
lich der eintägigen Staatstrauer er
klärte Putin am Abend, er fühle sich
«schuldig». «Ich empfinde bei dieser
TVagödie ein Gefühl der vollen Ver
antwortung und ein Gefühl der
Schuld», sagte der Kreml-Chef
wörtlich.
Putin gab auch bekannt, dass Ver
teidigungsminister Igor Sergejew
sowie der Oberkommandierende
der russischen Flotte, Admiral Wla
dimir Kurojedow, wegen des Un
glücks um ihre Entlassung gebeten
hätten. Dies habe er jedoch abge
lehnt.
Mehrere Angehörige hatten mit
einem Boykott der Feierlichkeiten
gedroht, solange die Opfer aus dem
Atom-U-Boot nicht geborgen sind.
Bei einem TVeffen mit Angehörigen
musste sich Putin massive Kritik am
Verhalten der russischen Führung
nach dem Unglück anhören.
Eineinhalb Wochen nach der Ka
tastrophe wollen sich viele der An
gehörigen immer noch nicht mit
dem Tod der 118 Männer abfinden.
Der halbstaatliche Fernsehsender
Niedergeschlagen warten Angehörige der tödlich verunglückten Seeleute auf neue Nachrichten.
ORT strahlte Bilder aus, auf denen
eine Frau Putin anschrie.
Eine Sprecherin der Familienan
gehörigen forderte die Wiederauf
nahme der Rettungsarbeiten, da in
einigen Kammern der «Kursk»
noch immer Menschen am Leben
sein könnten. «Wir sind keine Wit
wen, ehe wir nicht die Leichen gese
hen haben», sagte die Ehefrau eines
Besatzungsmitglieds. Vorgeworfen
wurde dem Kreml-Chef vor allem,
ausländische Hilfe zu spät akzep
tiert zu haben. Ein norwegischer
Spezialist bezeichnete die Öffnung
der Rettungsluke der «Kursk» am
Mittwoch denn auch als problemlos.
Die gesamte norwegische Aktion in
108 Metern Tiefe auf dem Grund
der Barentssee habe einschliesslich
Ab- und Aufstieg nur «zwischen
sechs und sieben Stunden» gedau
ert. Das Ansehen Putins bei der rus
sischen Bevölkerung hat nach dem
Untergang des Atom-U-Boots
«Kursk» gerrerell gelitten. Nach ei
ner am Mittwoch veröffentlichten
Umfrage des Instituts VTsIOM ist
die Zustimmung für den Präsiden
ten um acht Prozentpunkte auf 65
Prozent zurück gegangen.
Viele Familien wollen am Don
nerstag nun ohne den Kreml-Chef
zur Unglücksstelle fahren und Blu
men in die See werfen. Die Nord
meer-Flotte gab bekannt, dass am
Donnerstag ein Schiff mit 200 An
gehörigen zum Ort der Katastrophe
ausläuft.
Fehlschläge bei Blauhelm-Einsätzen
UNOFriedenstruppen: Für Sommaruga sind Reformen unerlässlich
NEW YORK: Die tlNO-Friedens-
einsätze sollen tiefgreifenden Re
formen unterzogen werden. Eine
Expertengruppe, darunter der ehe
malige Schweizer IKRK-Präsident
Cornelio Sommaruga, hat dazu am
Mittwoch einen Bericht präsentiert.
Nach schweren Schlappen in Soma
lia, Bosnien und Herzegowina sowie
Ruanda, Angola und Sierra Leone
wollen die Vereinten Nationen ihre
Blauhelm-Einsätze grundlegend
umgestalten.
UNO-Generalsekretär Kofi An
nan appellierte am Mittwoch in
New York an alle Mitgliedstaaten,
ihn dabei zu unterstützen. Schnelles
Handeln sei «absolut entscheidend,
um aus den Vereinten Nationen ei-
~ne Wirklich glaubhafte Streitkraft
für den Frieden zu machen», be
kräftigt^ Annan.
Die Reformpiäne, die sich auf ei
ne Untersuchung einer internatio
nalen Expertengruppe stützt, sollen
von Regierungschefs und Staats
oberhäuptern aus aller Welt auf
dem bevorstehenden Millenniums
gipfel vom 6. bis 8. September in
New York erörtert werden.
Der Expertenausschuss unter
dem früheren algerischen Aussen-
minister Lakhdar Brahimi war zu
dem Schluss gekommen, dass die
UNO ohne «tief greifende Verände
rungen und wesentlich mehr Mit
tel» in Zukunft auf ihre friedenser
haltenden Missionen verzichten
müssen. Die Ursache der Fehlschlä
ge des vergangenen Jahrzehnts fand
der Brahimi-Ausschuss in vage for
mulierten Mandaten des Sicher
heitsrates sowie in der mangelnden
politischen und finanziellen Unter
stützung durch die UNO-Mitglied-
staaten.
Die Experten empfehlen, tradi
tionelle Friedenssicherungen wie
Überwachung eines Waffenstill
standes oder Truppentrennung soll
ten innerhalb von 30 Tagen, kom
plexere Friedenseinsätze innerhalb
von 90 Tagen beginnen.
Die Mitgliedsstaaten sollten zu
sammenarbeiten, um «kohärente,
multinationale Truppen in Brigade
stärke» aufzubauen, die im Rahmen
der obigen Fristen wirksam einge
setzt werden können. Zudem soll
ten die Länder eine Reserve von
100 zivilen Polizeikräften bilden, die
jederzeit abrufbereit sein und
Einsätze vorbereiten sollen.
Weiter wird empfohlen, dass der
Weltsicherheitsrat in Zukunft erst
dann ein Mandat für Blauhelm-
Einsätze verabschiedet, wenn dem
UNO-Generalsekretär feste Zusa
gen zu deren finanziellen und per
sonellen Ausstattung vorliegen.
Falsch war auch, Friedenstruppen in
Kriegsgebieten zu stationieren, in
denen es keine Hoffnung auf einen
Frieden gab. Cornelio Sommaruga
zeigte sich im übrigen «sehr über
rascht über das Ausmass der Desor
ganisation und der Schwierigkeit
der Kommunikation innerhalb der
UNO.»
Öffentliche Gelder veruntreut
Körruptionsprozess gegen Suharto soll am 31. August beginnen
JAKARTA: Der frühere indonesi
sche Staatschef Suharto muss sich
ab 31. August wegen Korruptions-
vorwiirfen'vor Gericht verantwor
ten. Das gab am Mittwoch ein Ge
richtssprecher in der Hauptstadt Ja
karta bekannt.
Suharto wird vorgeworfen, während
seiner 32-jährigen Gewaltherr
schaft über 550 Mio. Dollar (gegen
950 Mio. Franken) öffentliche Gel
der veruntreut zu haben. Der 79-
Jährige weist alle Vorwürfe gegen
ihn und seine Familie zurück.
Der Prozess soll im Landwirt
schaftsministerium in einem Audi
torium stattfinden, das etwa tau
send Menschen fasst. Suhartos An
wälte deuteten an, dass ihr Mandant
nicht persönlich vor Gericht er
scheinen werde, da er an Gedächt
nisschwund leide und Mühe habe zu
kommunizieren.
Es handle sich um dauerhafte
neurologische Schäden nach einem
Herzinfarkt des Ex-Präsidenten im
vergangenen Jahr. Die Staatsan-
Indonesiens Ex-Staatschef Suharto
muss sich vor Gericht verantworten.
I
waltschaft hält Suharto dagegen für
verhandlungsfähig.
Bereits begnadigt
Falls Suharto verurteilt werden
sollte, droht ihm lebenlange Haft.
Doch bereits vor dem Prozess kün
digte der derzeitige Präsident Indo
nesiens, Abdurrahman Wahid, an,
Suharto im Falle einer Verurteilung
zu begnadigen. Zunächst müsse sich
der einstige Machthaber aber dem
Prozess stellen, verlangte Wahid.
Suharto war 1998 entmachtet
worden. Grosse Beträge des von
ihm veruntreuten Geldes sollen
auch Uber Schweizer Bankkonten
geflossen sein. Die neue indonesi
sche Führung ersuchte die Schweiz
deshalb im Juni 1999 um Rechts
hilfe.
Die Untersuchungen zu den un
terschlagenen Geldern machen
aber kaum Fortschritte. Das Bun
desamt für Polizei (BAP) hat nach
wie vor keine Angaben zu den Kon
ten erhalten, die in der Schweiz
blockiert werden müssten.
Kein Sonder
ermittler
US-Präsidentschaftsbewerber
AI Gore bleibt eine Sonderer
mittlung über eine Wahlkampf
spenden-Affäre erspart. Justiz
ministerin Janet Reno habe be
schlossen, keinen Sonderermitt
ler gegen den amtierenden Vize
präsidenten einzusetzen. Sie ig
norierte damit die Empfehlung
des Chefs des Parteifinanzie-
rungs-Abteilung im Justizminis
terium, Robert Conrad. Reno
wollte die Entscheidung nach
Angaben der Zeitung vermut
lich noch am Mittwoch offiziell
bekannt geben. Bei den Vorwür
fen geht es vor allem um einen
Auftritt Gores in einem kalifor
nischen Buddhisten-Tempel
1996. Gore hatte immer wieder
betont, dass er nicht gewusst ha
be, dass bei der Veranstaltung
unerlaubt Wahlkampfspenden
gesammelt wurden. Daneben
wird dem Politiker vorgeworfen,
damals mit mehr als 40 Anrufen
aus dem Weissen Haus bei mög
lichen Geldspendem gegen Ge
setze Verstössen zu haben.