Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2000)

Liechtensteiner Volksblatt 
Inland 
Donnerstag, 24. August 2000 5 
«Ich kann kein Konzept mit 
Zielsetzungen und Prioritäten erkennen» 
Interview mit dem FBPL-Landtagsabgeordneten Alois Beck zur eingereichten Inteipellation 
Die FBPL-Fraktion des Landta 
ges will über eine Interpellation 
erfahren, welche Zielvorstellun 
gen die Regierung in Bezug auf ei 
ne nachhaltige Volkswirtschaft 
hat. Die FBPL glaubt, dass die 
systematische Beschäftigung mit 
Zukunftsfragen in Liechtenstein 
zu lange ein Mauerblümchenda 
sein gefristet habe. Dies soll sich 
nun ändern. Der FBPL-Landtag- 
abgeordnete Alois Beck gibt im 
folgenden Interview Auskunft 
über den Anlass der Interpella 
tion und die Erwartungen, welche 
die FBPL in die Beantwortung 
legt. 
Mit Alois Beck sprach 
Alexander Batliner 
VOLKSBLATT: Herr Beck, die Frakti 
on der FBPL des Landtages hat vor 
kurzem eine Interpellation im Zusam 
menhang mit den. Zielvorstellungen 
über eine nachhaltige Politik für die 
liechtensteinische Volkswirtschaft ein 
gereicht. Was war der Anlass, dass die 
FBPL eine solche Inteipellation ein 
reichte? 
Es ist schon 
betrüblich, wenn die 
Regierung nicht von 
sich aus die Initiative 
ergreift, um 
zukunftsfähige 
Konzepte für den 
.Bereich 
Volkswirtschaft zu 
erarbeiten. 
Alois Beck: Die Beschäftigung mit 
Zukunftsfragen für Liechtenstein liegt 
seit geraumer Zeit im Argen. Dies ob 
wohl doch einige grundsätzliche Prob 
leme einer Lösung harren. Es sind 
Probleme, welche die Menschen in die 
sem Land beschäftigen und welche 
nicht von heute auf morgen lösbar sind 
- schon gar nicht mit technokratischen 
anhalten. Dies bewirkt strukturelle Ver 
änderungen in Wirtschaft und Gesell 
schaft. Bekanntlich führen Restruktu- 
rierungen nicht nur zu Gewinnern, son 
dern auch zu Verlierern. Unter ande 
rem deshalb kommt in der Bevölkerung 
eine gewisse Unsicherheit auf. Die Be 
schäftigung mit Zukunftsfragen scheint 
aus diesem Grunde filr unsere Fraktion 
überfällig. 
Damit wir unsere 
Chancen 
wahrnehmen 
können, ist ein 
aktives Handeln 
erforderlich. 
Einige Fragen der Interpellation bezie 
hen sich, wie Sie bereits ausgeßhrt ha 
ben, auf die Entwicklung unseres Lan 
des. In jedem anderen Land hätte eine 
Regierung ein solches Konzept von steh 
aus entwickelt und per Regierungser 
klärung öffentlich gemacht. Bei uns 
muss die Opposition die Initiative lan 
cieren. Wie beurteilen Sie dieses Fak 
tum? Ist das nicht ein Armutszeugnis 
fiir eine Regierung? 
Ich weiss nicht, ob die Regierung ein 
wirtschaftspolitisches Konzept hat. Je 
denfalls kann ich kein kohärentes Kon 
zept mit Zielsetzungen und Prioritäten 
erkennen. Diesbezüglich müssen wir 
nun zuerst die Beantwortung der Inter 
pellation durch die Regierung abwar 
ten. Angesichts der nationalen und in 
ternationalen Entwicklungen ist es je 
doch schon betrüblich, wenn die Regie 
rung nicht von sich aus die Initiative er 
greift, um zukunftsfähige Konzepte wie 
beispielsweise für den Bereich Volks 
wirtschaft zu erarbeiten und öffentlich 
-zu machen. Dies ist zweifellos ein Ar 
mutszeugnis für unsere Regierung. Ei 
ne Regierung muss eben nicht nur ver 
walten, sondern sie sollte auch regieren 
- im besten Sinne des Wortes. 
Mit der Interpellation werden an die 
Regierung 10 Fragen gestellt. Was er 
wartet die FBPL-Fraktion von der Be 
antwortung der Inteipellation? 
Unsere Fraktion erwartet sich 
zunächst einmal eine systematische Be- 
deln erforderlich. Dazu müssen wir al 
lerdings zuerst wissen, was wir über 
haupt wollen. Des Weiteren sieht die 
Fraktion der BUrgerpartei in dieser In 
terpellation auch einen Beitrag zur ver 
stärkten öffentlichen Diskussion in 
Liechtenstein bezüglich des Nachhal- 
tigkeitskonzeptes. Die Regierung sollte 
sich nicht darauf beschränken, die 
Nachhaltigkeit nur zu postulieren. Sie 
gehen kann, die Wiedererlangung aber 
einer dauernden Anstrengung bedarf 
Glaubwürdigkeit kann unter anderem 
dadurch erreicht werden, dass die Re 
gierung ihr wirtschaftspolitisches Kon 
zept der Bevölkerung und dem Aus 
land kommuniziert. Die, Regierung ist 
in diesem Diskussionsprozess aktiv ge 
fordert. Sie sollte als Förderin und Ver 
mittlerin dieses Prozesses wirken. Da- 
erforderlich erachtet. Ist für die Regie 
rung beispielsweise eine Lockerung für 
die Einwanderung qualifizierter Ar 
beitskräfte vorgesehen, damit ihr Kon 
zept, falls sie überhaupt eines haben 
sollte, umgesetzt werden kann? Oder 
welche Anpassungen sind im Bereich 
des Bildungswesens bei der Umsetzung 
des wirtschaftspolitischen Konzeptes 
erforderlich? Um hier Missverständ- 
Alois Beck: «In Vielen Gesprächen mit besorgten Bürgerinnen und Bürgern habe ich erfahren, dass sie sich mit ihren Anliegen 
und Sorgen von der offiziellen Politik nicht emstgenommen ßhlen. 
hat sich beispielsweise fÜr'Üie Weltaus 
stellung EXPO 2000 iii Hannover für 
das Leitthema «Umwelt und Entwick 
lung» entschieden. Innerstaatlich ver 
missen die Interpellanten jedoch eine 
eingehende Erörterung dieser Thema 
tik. 
Sie haben den Diskussionsprozess an 
gesprochen, den die FBPL-Fraktion 
mit dieser Interpellation ebenfalls an 
kurbeln möchte. Gibt es noch weiteres, 
was diskutiert werden sollte? 
Wenn die Zielvorstellungen und das 
wirtschaftspolitische Konzept der Re- 
Alois Beck: «Unsere Fraktion erwartet sich zunächst einmal eine systematische Beschäftigung mit den Zukunftsfragen unseres 
Landes. Eine solche Beschäftigung ging in der Vergangenheit meist unter.» 
Mitteln. Die Interpellanten haben ei 
nen von vielen grundsätzlichen Aspek 
ten herausgegriffen. Sie verlangen von 
der Regierung Uber die Zielvorstellun 
gen der Volkswirtschaft Auskunft. Die 
liechtensteinische Volkswirtschaft be 
findet sich in einem starken Wandel. 
Der internationale Druck auf unsere 
Standortvorteile wird noch einige Zeit 
schäftigung mit den Zukunftsfragen un 
seres Landes. Eine solche Beschäfti 
gung ging in der Vergangenheit meist 
unter. Zukunftsfragen anzugehen er 
scheint uns überfällig zu sein. Es genügt 
bei weitem nicht mehr, nur auf die in 
ternationalen Entwicklungen zu reagie 
ren. Damit wir unsere Chancen wahr 
nehmen können, ist ein aktives Han 
gierung vorliegen, sollten diese nach 
Ansicht der Interpellanten mit interes 
sierten Kreisen und mit der breiten Be 
völkerung eingehend diskutiert wer 
den. Es ist offensichtlich, dass Liech 
tenstein derzeit ein Imageproblem hat. 
Ein solches Problem 1 kann nur mittel- 
und langfristig gelöst werden, da 
Glaubwürdigkeit zwar schnell verloren 
durch würden sich unsere Bürgerinnen 
und Bürger mit ihren Anliegen und 
Sorgen auch emstgenommen fühlen. 
Haben Sie das Gtfühl, dass sich die 
' Bürgerinnen und Bürger heute nicht 
ernstgenommen fühlen? 
In vielen Gesprächen mit besorgten 
Bürgerinnen und Bürgern habe ich er 
fahren, dass sie sich mit ihren Anliegen 
und Sorgen von der offiziellen Politik 
nicht ernstgenommen fühlen. In Anbe 
tracht der innen- und aussenpolitischen 
Entwicklungen sind eben auch Unsi 
cherheiten bezüglich des künftigen 
Weges Liechtensteins aufgekommen. 
Meiner Ansicht nach kann es nicht sein, 
diese Probleme einfach zu ignorieren. 
Diese Fragen müssen systematisch an 
gegangen werden. Durch eine bewusste 
Ausleuchtung der Themen können 
auch die Chancen besser wahrgenom 
men werden. Dadurch können Unsi 
cherheiten abgebaut werden und die 
Leute gewinnen wieder mehr Zuver 
sicht. 
Die Beschäftigung mit 
Zukunftsfragen für 
Liechtenstein liegt seit 
geraumer Zeit im 
Argen. 
Die FBPL'Frakflon spricht auch die 
Ausländerpolitik und die Bildungs 
politik an. Sieht die grosse Oppositi 
onspartei diesbezüglich Probleme 
auf unser Land zukommen, oder wes 
halb werden dies« beiden Themen 
komplexe in der Interpellation ange 
sprochen? 
Für eine zukunftsfähige Wirtschafts 
politik sind die verschiedensten Poli 
tikbereiche miteinzubeziehen. Deshalb 
hat die Fraktion der FBPL Fragen zu 
den Voraussetzungen beispielhaft in 
den Bereichen Bildungspolitik und 
Ausländerpolitik gestellt. Konkret ging 
es um die Frage, ob die Regierung für 
ihr wirtschaftspolitisches Konzept eine 
Anpassung der Migrationspolitik als 
(Bilder: bak) 
nisse zu vermeiden, möchte ich noch 
darauf hinweisen, dass in diesen beiden 
Bereichen - wie in anderen auch - 
selbstverständlich nicht ausschliesslich 
von einer rein wirtschaftlichen Sicht 
weise ausgegangen werden darf - ganz 
im Sinne des Nachhaltigkeitsgedan- 
kens. 
Die Entwicklung der Wirtschaft und 
anderer Bereiche hat seit der Ein 
führung des EWR rasant zugenommen. 
Wie beurteilt die FBPL grundsätzlich 
diese Entwicklung bis zum heutigen 
Tag? 
Ich glaube, dass man 
die günstigen 
Umstände leider 
nicht dazu benutzt 
hat, um eine 
Standortbestimmung 
für unser Land 
vorzunehmen. 
Meine persönliche Meinung ist, dass 
seit der Einführung des EWR viele Ent 
wicklungen in Liechtenstein massiv be 
schleunigt wurden. Es ist jedoch auch 
zu betonen, dass nicht alle diese Prozes 
se alleine dem EWR zuzuschreiben 
sind. Unabhängig vom EWR sind natio 
nale und internationale Entwicklungen 
im Gange, die ebenfalls viel Einfluss auf 
unser kleines Land ausüben. Neben all 
gemeinen gesellschaftlichen Prozessen 
ist es vor allem das, was man generell 
mit dem Begriff Globalisierung um 
schreibt. Ich glaube aber, dass man in 
Liechtenstein die günstigen Umstände 
leider nicht dazu benutzt hat, um eine 
Standortbestimmung für unser Land 
vorzunehmen und zu fragen, welchen 
Weg wir für eine nachhaltige Zukunft 
einschlagen können und wollen? Diese 
Zukunftsfragen sind überfällig. Wenn 
es gelingt, einen Beitrag für eine öffent 
liche Diskussion über solche Fragen 
beizusteuern, haben die Interpellanten 
ein erstes Ziel erreicht.
	        

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