Liechtensteiner Volksblatt
Ausland
Freitag, 11. August 2000 27
Nachrichten
Jugoslawische Wahlen
ohne OSZE-Beobachter
BELGRAD: Die bevorstehenden Wahlen in Ju
goslawien werden nach Belgrader Angaben
nicht von der Organisation für Sicherheit und
Zusammenarbeit in Europa (OSZE) beobach
tet. Belgrad werde auch keine Beobachter aus
NATO-Staaten zulassen, die an den Luftangrif
fen auf Jugoslawien im Frühjahr 1999 teilge
nommen haben, sagte der jugoslawische Vizere
gierungschef Nikola Sainovic am Donnerstag,
wie die Nachrichtenagentur Beta meldete. Sai
novic äusserte die Erwartung, dass der jetzige
Präsident und Kandidat der Sozialistischen Par
tei (SPS) und der kommunistischen Jugoslawi
schen Linken (JUL), Slobodan Milosevic, schon
im ersten Wahlgang gewinnen werde. Milosevic
habe keinen ernsten Gegenkandidaten, meint
Sainovic, der SPS-Führungsmitglied ist.
Grosser Zulauf bei
Moslem-Rebellen
JOLO: Seit Beginn des Geiseldramas auf den
Philippinen hat sich die Zahl der Abu-Sayyaf-
Rebellen nach Angaben des Militärs verzehn
facht. Auf Grund der hohen Einnahmen durch
die Lösegeldzahlungen rekrutieren die Rebel
len immer mehr Kämpfer. Die Zahl der Mos
lem-Rebellen sei auf etwa 3000 gestiegen, sagte
Oberst Romeo Tolentino, Militärkommandant
auf der Insel Jolo, am Donnerstag. Dem Ge
heimdienst zufolge beschäftigt Abu Sayyaf zu
dem gegen Löhne von bis zu 3600 Franken be
waffnete Gruppen zur Bewachung der Geiseln.
Anfang der Woche hatte der philippinische Ge
neralstabschef Angelo Reyes erstmals zugege
ben, dass für die Freilassung von sechs Malay
siern, drei Philippinern und zwei Deutschen
umgerechnet mehr als neun Millionen Franken
Lösegeld geflossen waren.
Polnischer Präsident
kein Spitzel
WARSCHAU: Das Warschauer Sondergericht
hat den polnischen Staatspräsidenten Aleksan-
der Kwasniewski am Donnerstag vom Spitzel-
Verdacht freigesprochen. Mit dem Urteil ist für
Kwasniewski das grösste Hindernis für seine
Wiederwahl beseitigt. Kwasniewski musste sich
wie alle Kandidaten für hohe öffentliche Ämter
dem Gericht stellen, das eine eventuelle Zu
sammenarbeit mit den kommunistischen Si
cherheitsdiensten klären soll. Kwasniewski kan
didiert im Oktober bei den Wahlen. In Mei
nungsumfragen liegt er unangefochten an der
Spitze. Während des so genannten Lustrations
verfahrens zur «Durchleuchtung» seiner kom
munistischen Vergangenheit waren Dokumente
über einen Geheimdienstmitarbeiter namens
«Alek» eingereicht worden.
Neuer Anschlag In
Kaschmir
NEU DELHI: In Kaschmir sind am Donnerstag
bei einem neuen Anschlag mutmasslicher
Moslemextremisten mindestens neun Men
schen getötet worden. In der Stadt Srinagar ex
plodierten in der Nähe einer Bank eine Grana
te und eine Mine, wie die Polizei mitteilte. Vor
allem Wachmänner seien getötet worden. Au
genzeugen berichteten, dass erst eine Granate
und rund 15 Minuten später vermutlich eine Mi
ne explodierten. Ein indischer Polizeichef sagte
der Nachrichtenagentur Reuters am Donners
tag im indischen Jammü, die Sicherheitskräfte
hätten ihre Einsätze gegen die Rebellengruppe
wieder aufgenommen. Die Hizbul Mujahideen
werde wie jede andere militärische Einheit be
handelt, sagte der Beamte, ohne Einzelheiten zu
nennen. Am Dienstag waren bei einem Überfall
von Moslemextremisten zwölf indische Solda
ten getötet worden. Die grösste Rebellengrup
pe in Kaschmir, die Hizbul Mujahideen, hatte
nur wenige Stunden zuvor ihren Waffenstill
stand aufgekündigt.
Zu Gast beim
Papst
Papst Johannes Paul 11. hat sich
von seinem Aufruf an die römi
schen Kirchengemeinden nicht aus
genommen, bei der Unterbringung
der bis zu einer Million zum Welt
jugendtag erwarteten Pilger zu hel
fen: Rund 15 Jugendliche werden
zwischen dem 12. und 20. August
im päpstlichen Sommersitz im
Castel Gandolfo beherbergt, teilte
Vatikansprecher Ciro Benedettini
mit. Johannes Paul wolle damit ein
Beispiel an Gastfreundschaft ge
ben. Nationalitäten, Alter und
Namen stünden nicht nicht fest, die
Teilnehmer würden von den Orga
nisatoren des von der katholischen
Kirche ausgerufenen Weltjugendta
ges benannt.«Nicht einmal der
Papst weiss, wer es sein wird»,ßgte
Benedettini hinzu. Die Woche
des Weltjugendtreffens wird am
19. August mit einer Nachtwache
und am 20. August mit einer Messe
vor den Toren Roms ihren Höhe
punkt erreichen. (Bild: Keystone)
In Laos wanken die
Fundamente
Bombenanschläge erschüttern das südostasiatische Land - Rebellengruppen sammeln Anhänger
PAKSE/LAOS: Bombenan
schläge, Überfalle und erstar
kende Guerillagruppen - weit
gehend unbeachtet von der in
ternationalen Öffentlichkeit
häufen sich in Laos die Hinwei
se auf eine innenpolitische Kri
se. Ein Vierteljahrhundert nach
der Ausrufung der Demokrati
schen Volksrepublik Laos
scheint sich die Opposition ge
gen den kommunistischen Staat
zu verstärken, und das politi
sche System zeigt Schwächen.
Die Bomben explodierten in den
vergangenen Monaten in einem
Restaurant, einem Hotel und auf
einem belebten Strassenmarkt
der Hauptstadt Vientiane. Mehrere
dutzend Menschen wurden verletzt.
Die Behörden machen Angehöri
ge der Untergrundorganisation
Hmong, die im Vietnamkrieg die
USA unterstützten, und andere
«finstere Elemente» verantwort
lich. Anfang Juli stürmten bewaff
nete Kämpfer einen Zollposten an
der Grenze zu Thailand und töteten
dabei sechs Menschen. Rebellen
gruppen sammeln sich in den Ber
gen und planen neue Angriffe, und
die Anhänger der Monarchie sehen
sich im Aufwind.
Die Regierung dementiert, dass
es Unruhen gilbt. Der Laos-Experte
Sunai Phasuk von der thailändi
schen Chulalongkorn-Universität
ist da anderer Meinung. Er führt die
Risse in der Machtstruktur des
Staates an und stellt diese auch in ei
nen Zusammenhang mit den An
schlägen. Aufständische Gruppen
hätten die Schwäche des Systems
nach der asiatischen Finanzkrise
von 1997 genutzt und ihre Aktivitä
ten verstärkt. «Doch radikale Ver
änderungen werden, wenn über
haupt, aus der Kommunistischen
Partei kommen», meint Sunai.
Auch innerhalb der Laotischen
Revolutionären Volkspartei (LPRP)
werden auf hoher Parteiebene Kon
flikte über den künftigen Kurs des
Landes ausgetragen. Eine Fraktion
sieht Laos weiter an der Seite der
Verbündeten Vietrtam und China.
Ihr gehören der 76-jährige Präsi
dent Khamtay Siphandone und an
dere Vertreter seirter Generation
an, die im Vietnamkrieg gegen die
Amerikaner kämpften. Eine andere
Gruppe aber favorisiert eine grösse
re wirtschaftliche Öffnung des Lan
des, was die kommunistischen
Hardliner ablehnen. Derzeit schei
nen auch antivietnamesische Stim
mungen an Einfluss zu gewinnen -
einige der jüngsten Bombenan
schläge galten offenbar der vietna
mesischen Volksgruppe.
In der Bevölkerung macht sich
zudem Unzufriedenheit über die
Minderheitenpolitik breit, von der
auch die stärkste Rebellengruppe
profitiert. Beobachter gehen davon
aus, dass die Reste der Hmong-
Guerillagruppen.die einst unter der
Führung des amerikanischen Ge
heimdienstes CIA gegen die Kom
munisten kämpften, von Teilen der
Bevölkerung unterstützt werden. In
den vergangenen Monaten konnten
sich die Guerillakämpfer in die Ber
ge zurückziehen und dort auf mög
liche Aktionen vorbereiten. Die
Hmong spalten sich in zwei grösse
re Gruppen. Neben ihnen ist eine
Gruppe von 200 Dschungelkämp
fern aktiv, denen Beobachter aber
keinen grossen Einfluss bescheini
gen. Nach dem Sturm auf einen
Grenzposten Anfang Juli, bei dem
sechs Menschen getötet wurden,
hissten die Aufständischen die alte
königliche Flagge. Exil-Laoten in
den USA, Kanada und Europa sol
len die antikommunistischen Re
bellen mit Geld unterstützten.
Im Ausland gibt es mindestens ein
Dutzend Organisationen, die gegen
die Regierung in Vientiane kämp
fen. Hoffnungen, diese Gruppen im
Kampf gegen die Regierung zu ei
nen, machen sich vor allem Anhän
ger der 1975 abgeschafften Monar
chie. An vorderster Front steht
Prinz Soulivong Savang, der älteste
Enkel und Thronerbe des letzten la
otischen Königs Savang Vatthana.
Noch keine Spur von den Bombenlegern
Moskaus Behörden tappen bei der Suche nach den Tätern im Dunkeln
MOSKAU: Zwei Tage nach dem
schweren Bombenanschlag im Zen
trum Moskaus hatte die Polizei bis
Donnerstagnachmittag keine heisse
Spur von den Tätern. Die Zahl der
Todesopfer stieg nach offiziellen
Angaben auf acht.
Ein Sprecher der Moskauer Ge
sundheitsbehörde sagte am Don
nerstagmorgen, ein 33-jähriger
Mann sei am Vorabend seinen Ver
letzungen erlegen. 55 der mehr als
90 Verletzten wurden noch in
Spitälern behandelt. Bei 18 Opfern
wurde der Zustand als kritisch be
zeichnet.
Die russische Hauptstadt erlebte
eine Welle der Hilfsbereitschaft.
Lange Schlangen von Menschen,
die Blut spenden wollten, bildeten
sich am Donnerstag vor dem Skli-
fossowski-Spital. Der Grossteil der
Opfer wird in dieser Klinik behan
delt.
Wieder freigelassen
Bei der Suche nach den Bomben-
legern tappten die Behörden weiter
im Dunkeln. Zwei Kaukasier, die
kurz nach dem Anschlag festge
nommen worden waren, seien wie
der auf freien Fuss gesetzt worden,
meldete Interfax unter Berufung
auf Behördenkreise. Weitere Ver
dächtige seien bislang nicht festge
nommen worden. Weder die Zu
sammensetzung des Sprengsatzes
noch dessen Konstruktion konnten
bisher ermittelt werden, verlautete
aus der Staatsanwaltschaft. Der
pro-russische Tschetschenenführer
Malik Sajdullajew setzte derweil für
Hinweise auf die Urheber des Bom-
Die Zahl det Todesopfer des Terroranschlags auf dem Moskauer Puschkin-
Platz ist auf acht gestiegen. Bestürzte Russinnen und Russen legen am Ort
des Geschehens Blumen und Erinnerungsgegenstände nieder.
benanschlags in Moskau eine Be
lohnung von 100 000 Dollar aus. Zu
gleich warnte er am Donnerstag auf
einer Pressekonferenz in Moskau
davor, das gesamte tschetschenische
Volk zu verdächtigen. TYotz fehlen
der Beweise machte der stellvertre
tende Generalstabschef Walen Ma-
nilow tschetschenische Rebellen für
die Tenortat verantwortlich.
Verschärfte
Sicherheitsmassnahmen
In ganz Russland galten weiterhin
erhöhte Sicherheitsmassnahmen. In
grösseren Städten wurden die Poli
zeiposten an Flughäfen, Bahnhöfen,
Regierungsgebäuden und belebten
Plätzen verstärkt.
Seit dem Vortag hätten Polizisten
bei Durchsuchungsaktionen in
Moskau sieben Sprengsätze sowie
Granaten, Waffen und Munition si
chergestellt und 46 zur Fahndung
ausgeschriebene Menschen festge
nommen, meldete Interfax. US-Prä
sident Bill Clinton sprach Putin in
einem Brief sein Beileid aus. In
Russland waren im August und Sep
tember vergangenen Jahres bei
Bombenanschlägen fast 300 Men
schen getötet worden.