Liechtensteiner Volksblatt
Land und Leute
Freitag, 11. August 2000 9
Respektabler Besitz «ennet» der Grenze
Schellenbeiger Alpe Dürrwald im Montafon: 1872 von Johannes Ulrich Haitiner gekauft
Fast zuhinderst im Silbertal, ei
nem Seitental des Montafon, ver
fügt die Gemeinde Schellenberg
mit der Alpe Dürrwald über einen
respektablen Besitz. Die 355 Hek
tar grosse Alpe ist fast gleich gross
wie die Gemeinde Schellenberg.
Allerdings ist nur ein kleiner Teil
produktive Fläche. Besonders in
teressant sind die Alpgebäude im
oberen Dürrwald. Dort ist auf ei
nem Querbalken sogar die Jahr
zahl 1609 zu sehen.
Adi Lippuner
Schellenberger Rinder dürfen für die
Sommerfrische jeweils eine weite Reise
ins benachbarte Vorarlberg antreten.
Von der Grenze in Ruggell-Nofels
durch die Stadt Feldkirch, durchs Wal
gau bis Bludenz, dort Richtung Monta
fon und in Schruns wird dann ins Sil
bertal abgezweigt. Stolze 30 Kilometer
lang ist dieses Seitental und führt bis zur
Tiroler Grenze. Nicht ganz bis zum Tal
ende, allerdings doch bereits auf 1490
Metern Seehöhe befindet sich die unte
re Dürrwald Alpe. Der obere Stafel
liegt gar auf 1990 Metern Seehöhe.
Während den ersten Alpwochen wei
det das Vieh, betreut und beaufsichtigt
durch den einheimschen Hirten Eiriil
Schwarzhans, auf den unteren Alpwie
sen. Dann, je nach Wetter von Mitte Ju
li bis Mitte August, wird die Weide des
oberen Dürrwalds genutzt.
Jahrzahl 1609
Auf dem oberen Dürrwald stehen
auch die älteren Alpgebäude. Interes
sant zu erwähnen ist, dass in einem der
Querbalken auf der Oberalp die Jahr
zahl 1609 eingekerbt ist. Die Hütte für
den Alphirten wurde 1950 erbaut. Die
Gebäulichkeiten sind gut unterhalten.
In den letzten Jahren wurde auch der
steile Fussweg von der unteren zur obe
ren Alpe so gut wie möglich instand ge
stellt. Wer die Schönheit auf 2000 Meter
Seehöhe geniessen will, der muss aller
dings auch heute noch einen längeren
Fussmarsch in Kauf nehmen. Mit einer
entsprechenden Bewilligung, diese wird
für die Forst- und Alpbewirtschaftung
erteilt, kann bis zum unteren Dürrwald
gefahren werden. Von dort muss dann
der Weg (rund eine Stunde Fussmarsch,
je nach Kondition) in Angriff genom
men werden.
Die alten Gebäude und besonders
der Balken mit der Jahrzahl 1609 lassen
darauf schliessen, dass in diesem Gebiet
schon sehr lange Alpwirtschaft betrie
ben wird. Die Schellenberger Bauern
haben sich schon im vorletzten Jahr
hundert für eine Sömmerungsmöglich-
keit für ihr Vieh umgesehen. Fündig
wurden die Liechtensteiner im benach
barten Vorarlberg. Dort wurde die Alpe
Dürrwald von einem Johannes Ulrich
Haitiner mit Wohnsitz im rheintali-
schen Eichberg (zwischen Oberriet und
Altstätten) zum Kaufangeboten.
Hohe Verpflichtung eingegangen
Beim stöbern in den alten Unterla
gen und in der Festschrift «zum Ju
biläum 125 Jahre Alpe Dürrwald» ist
nachzulesen, dass 16 Schellenberger
Bürger am 21. Juli 1872 einen Schuld
schein für den Kauf der Alpe Dürrwald
im Silbertal unterzeichneten.
Für 11000 Schweizer Franken, eine
für damalige Begriffe kaum vorstellba
re Summe, sind die Schellenberger ge
genüber dem Verkäufer die Verpflich
tung eingegangen. Jedes Jahr zu Marti
ne, also am 11. November musste der
Betrag mit fünf Prozent verzinst wer
den. Zudem haftete jeder der 16 Alpge
nossen gegenüber dem Gläubiger für
die ganze Summe. Leo Büchel hält in
der Festschrift fest, «in der Rückschau
betrachtet ein riskantes Unterfangen
im Hinblick auf den persönlichen Be
sitz von Haus, Grund und Boden für je
den Einzelnen.»
Veto des Landesverwesers
1875 wurde die Alpe von der Ge
meinde Schellenberg übernommen. In
der Folge gab es, wie in der Festschrift
zu lesen ist, noch einen Versuch, den Be
sitz wieder abzustossen. Dies scheiterte
allerdings am Veto des Landesverwe
sers. Dieser wollte die enorme Abschrei
bung von immerhin 2100 Guldön nicht
akzeptieren. Die Regierung verbot den
Verkaut Die Alpe Dürrwald blieb im
Besitz der Gemeinde Schellenberg. 1904
musste die Gemeinde noch eine Rüge
entgegennehmen. Der Landesverweser
hatte festgestellt, dass der Besitz im Sil
bertal immer noch auf den Namen meh
rerer Bürger und nicht auf den Namen
der Gemeinde eingetragen war.
Ein Jahr später wurden dann, wieder
nach der Aufforderung des Landesver
wesers, die Statuten für die Alpe Dürr
wald erlassen. Dort ist nachzulesen:
«Die Benützung der Alpe Dürrwald ist
allen gemeindenutzungsberechtigten
Bürgern ohne Rücksicht auf das Alter
und rücksichtlich ihres eigenen Viehs
insoweit gestattet, als sie dasselbe mit
eigenem Futter durchwintern.» Weiter
werden die Rechte und Pflichten erläu
tert und es ist festgehalten, dass der Alp-
ausschuss als verantwortliche Instanz
gegenüber der Gemeinde gilt. Die Un
terhaltsarbeiten auf der Alp und am
Weg werden vom Gemeindewerk und
Blick auf die idyllisch gelegene Oberalpe Dürrwald. Im Vordergrund rechts der Stall mit dem historischen Balken aus dem Jahr
1609. (Bilder: adi)
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Das schlichte Holzkreuz auf dem obe
ren Dürrwald.
teilweise auch vom Alphirten ausge
führt.
Jagdgebiet
Nebst der Nutzung als Viehweide
kommt der Jagdpacht eine wichtige Rol
le zu. In Vorarlberg müssen Jagdgebiete
ab einer bestimmten Grösse von einem
vollamtlichen Jäger betreut und beauf
sichtigt werden. Der Dürrwald wird vom
zuständigen Jäger des benachbarten Ge
bietes, Johannes Bertold, mitbetreut.
Gejagt werden Reh-, Rot- und Gams-
wild, sowie Birkwild und Murmeltiere.
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Emil Schwarzhans mit seinem treuen ....und mit seinem Töchterchen Laura
Hirtenhund Bless.... auf der Oberalpe.
Die Rinder, ob braun oder schwarz/weiss gefleckt, fühlen sich wohl auf der hochgelegenen Alpweide.
Balken mit der Jahrzahl 1609 in einem der Ställe auf der Oberalpe.