Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2000)

Liechtensteiner Volksblatt 
Staatsfeiertag 2000 
Donnerstag, 10. August 2000 27 
Wir müssen uns nach dem regionalen 
Arbeitsmarkt richten» 
Gespräch über die Zukunft Liechtensteins mit Peter Frick und Arnold Matt 
heute mit der Universität St. Gallen, mit 
den Fachhochschulen in Vaduz und 
Buchs und mit Ausbildungsstätten in 
Vorarlberg und Chur schon der Fall. 
Diese müssen wir unterstützen. Wir 
müssen darauf achten, dass wir sehr gut 
ausgebildete Fachkräfte auch aus der 
Region bekommen. 
Arnold Matt: Für mich ist die Lösung 
zum freien Personenverkehr realistisch. 
Wir sollten jcdoch darauf achten, dass 
wir keine Hilfsarbeiter, sondern Fach 
kräfte in unser Land holen. Die bessere 
Lösung ist die Rationalisierung. Es gibt 
Gewerbebetriebe, welche die Rationa 
lisierung nicht einfach lösen können.Sie 
sollten jedoch über diese Möglichkeit 
nachdenken. Das ist wiederum ein Vor 
teil gegenüber anderen Ländern. Wir 
haben natürlich Vorteile im Know-how. 
Wie Sie. Herr Frick, zuvor schon betont 
haben, gibt es in unserer Region sehr 
gute Ausbildungsmöglichkeiten. Da 
durch ergibt sich ein gewisser Wissens 
vorsprung. 
Wenn wir über die Region hinaus 
schauen und die Entwicklung weltweit 
betrachten, dann erkennt man eine ra 
sche Zunahme der Globalisierung. 
Dies gerade auch durch das Internet. 
Die WTO tendiert auch sehr stark in 
die Richtung von Freiheit der Märkte. 
Welche Auswirkungen hat diese welt 
weite Politik auf die Industrie unseres 
Landes? 
Wir haben jetzt seit 
vier Jahren einen 
liberalisierten 
Telekommunikations 
standort und es sind 
noch keine Firmen zu 
uns gekommen. 
Peter Frick: Die WTO ist die Nach 
folgeorganisation des G ATI' und dieser 
ist immerhin schon 40 Jahre alt. Auf der 
Basis dieser Abkommen und Verhand 
lungsergebnisse kann die Industrie 
planen. Man weiss, dass die Märkte 
geöffnet werden und in welchen Stufen. 
Revolutionär ist das Internet. Mit ihm 
kann ein Unternehmen heute sein An 
gebot weltweit machen. Für die Indust 
rie gibt es diesbezüglich nur eines: Da 
bei zu sein. Man muss «online» präsent 
sein und die Mittel nützen. Dadurch 
werden natürlich auch die Vertriebswe 
ge verändert. Einen völlig neuen Ver 
triebsweg bietet das E-commerce, das 
ebenfalls riesige Chancen beinhaltet. 
Das alles ist eine gewaltige Herausfor 
derung für jede Firma, die einigermas- 
sen international tätig ist. 
Arnold Matt: Das Internet ist in ge 
wissen Branchen des Gewerbes eben 
falls stark verbreitet. Einiges an Bestel 
lungen erreichen uns heute über E-Mail 
und nicht mehr per Telefon oder Fax. 
Dies bedeutet auch, dass die Distanzen 
kleiner werden. Bei den kleineren Ge 
werbebetrieben fehlt zum Teil das Per 
sonal, um dieses neue Medium des In 
ternets zur Gänze auszubauen. Die 
grösseren Betriebe nutzen es aber 
schon sehr häufig. 
Die Regierung macht sich gerade durch 
die Liberalisierung der Telekommuni 
kation sehr stark für das Internet. Wur 
den durch die Liberalisierung der Tele 
kommunikation die Grundlagen ge 
schaffen, damit die Industrie und das 
Gewerbe optimistisch in die Zukunft 
blicken können? 
Arnold Matt: Bezüglich der Liberali 
sierung wurde sicher genug unternom 
men. Meine Bedenken gehen jedoch 
Richtung Sicherheit. Es ist gerade in 
letzter Zeit ein Kreditkartenbetrug vor 
gefallen. Das sind Nachteile, mit denen 
wir leben müssen. Zum Teil ist es auch 
so, dass für solche Betrügereien in 
Liechtenstein tätige Provider benutzt 
Peter Frick: «Ein F.U-lieitritt der Schweiz hätte ganz gravierende Konsequenzen für unser Land. Hierbei wäre die Mehrwertsteuererhöhung die kleinste Konsequenz. 
werden. Das ist sicher gefährlich für die 
Zukunft der Telekommunikation. 
Peter Frick: Mit der Liberalisierung 
des Telekommunikationsmarktes mus- 
sten zuerst die Bedingungen geschaffen 
werden, damit ausländische Firmen in 
unser Land kommen. Ob es schlussend 
lich gelingt, Firmen in unser Land zu 
bringen, wird sich weisen. Wir haben 
jetzt seit vier Jahren einen liberalisier 
ten Telekommunikationsstandort und 
es sind noch keine Firmen zu uns ge 
kommen. Ich habe Bedenken, dass dies 
überhaupt gelingen wird. Ich rede jetzt 
nicht von den kleinen Firmen, welche 
zu uns gekommen sind. Eine Studie, die 
im Auftrag der Regierung erstellt wur 
de, sprach von einem Markt von rund 5 
Milliarden Franken. Es waren Vorstel 
lungen vorhanden, welche weniger wert 
waren als das Papier, auf dem sie ge 
standen sind. Ich glaube, dass wir dies 
bezüglich einen falschen Weg einge 
schlagen haben. Die Industrie ist an al 
lem interessiert, was sauberes Geld in 
unser Land bringt und wenig Arbeits 
kräfte braucht. Das heisst: Alles was 
hilft, unsere Staatsausgaben abzu 
decken. Da hinter die weitere Entwick 
lung des Offshore-Business ein Frage 
zeichen zu setzen ist, müssen wir Alter 
nativen finden. 
Liechtenstein wurde vor einigen Wo 
chen auf die schwarze Liste der OECD 
gesetzt. Diese Organisation droht nun 
mit Sanktionen gegen unser Land, 
wenn wir unser Steuersystem nicht an 
passen. Was hätten etwaige Steuerer 
höhungen für die Industrie und das Ge 
werbe für Folgen? 
Peter Frick: Zuerst müsste der Staat 
darauf achten, das er seine Ausgaben 
beschränkt. Man könnte bei uns noch 
einige Millionen sparen, ohne dass wir 
es spüren würden. Die erste Massnah 
me müsste sein, dass der Staat ein Spar 
budget macht und dann darauf achtet, 
was uns in der Kasse fehlt. Wenn die 
Steuern trotzdem steigen sollten, müs 
sen wir damit leben. 
Arnold Matt: Wir haben bei uns auch 
noch andere Vorteile, die wir gegenüber 
anderen Ländern haben, auch wenn wir 
eine Steuerharnionisicrung aufgezwun 
gen bekommen würden. Ich denke hier 
bei zum Beispiel daran, dass wir kein 
Militär unterhalten müssen. Zudem ist 
die Mentalität der Liechtensteinerin 
nen und Liechtensteiner von Vorteil. 
Sie sind bereit, ein paar Stunden länger 
zu arbeiten als die 35 Stunden, die in an 
deren Ländern gearbeitet werden. 
Auch die Einstellung zur Arbeit an sich 
ist bei uns hesser als anderswo. Das 
heisst: Man kann sich als Betrieb 
andere Vorteile verschaffen, so dass 
man auch bei etwaigen Steuererhöhun 
gen konkurrenzfähig bleibt. 
Aber eine Steuererhöhung würde doch 
auch eine Produkteverteuerung mit 
sich bringen oder nicht? 
Arnold Matt: Ich habe zuvor schon 
die Rationalisierung erwähnt. Eine Pro 
dukteverteuerung treibt die Rationali 
sierung voran. So könnten die Preise 
stabil gehalten werden. 
Peter Frick: Ich bin der Ansicht, dass 
wir unser Steuersystem grundsätzlich 
neu überdenken müssen. Wir müssen 
auch davon ausgehen, dass die Mehr 
wertsteuer langsam aber stetig anstei 
gen wird. Dies deshalb, weil wir mit der 
Schweiz im gleichen Wirtschaftsraum 
sind und somit die Mehrwertsteuer- 
erhöhungen der Schweiz ebenfalls mit 
machen müssen. 
Müssen wir das? Darf es diesbezüglich 
keinen Unterschied geben? 
Peter Frick: Nein, den darf es nicht ge 
ben, da wir sonst keinen gemeinsamen 
Wirtschaftsraum mehr hätten. Dann 
hätten wir die billigeren Produkte als in 
der Schweiz und dies würde die Schweiz 
nicht akzeptieren. Dies muss uns die Zu 
sammenarbeit mit der Schweiz wert 
sein. Das Verhältnis zur Schweiz ist für 
mich ein wesentlicher Faktor für die Zu 
kunft unseres Landes. Ich erachte es für 
wichtig, dass wir uns wieder enger an die 
Schweiz anlehnen. Das heisst, dass die 
Einnahmen für den Staat in Zukunft 
vermehrt über die Mehrwertsteuer ge 
neriert werden. Ich sehe die Möglich 
keil, dass wir einmal einen Mehrwert 
steuersatz von 10 bis 12 Prozent haben 
werden. Die Mehrwertsteuer ist meiner 
Ansicht nach eine der gerechtesten 
Steuern: Wer konsumiert, zahlt dafür 
Steuern. Wer nicht konsumiert, zahlt 
entsprechend weniger Steuern. Und wer 
investiert, erhält die im Preis enthaltene 
Mehrwertsteuer wieder zurück. 
Ich denke auch, dass 
es nicht haltbar wäre, 
wenn wir einen 
anderen 
Mehrwertsteuersatz 
wie die Schweiz 
hätten. 
Arnold Matt: Ich denke auch, dass es 
nicht haltbar wäre, wenn wir einen an 
deren Mehrwertsteuersatz wie die 
Schweiz hätten. Rein technisch ist dies 
nicht möglich. Wie Herr Frick sagte, ist 
diesbezüglich der gemeinsame Wirt 
schaftsraum mit der Schweiz prioritär. 
Der Bundesrat der Schweiz hat sich je 
doch den EU-Beitritt zum Ziel gesetzt. 
Dies hätte eine Mehrwertsteuer von 
mindestens 15 Prozent zur Folge. 
Peter Frick: Ich gehe nicht davon aus. 
dass die Schweiz innerhalb der nächs 
ten fünf Jahre Mitglied der EU sein 
wird. Das sind jedoch Szenarien, die wir 
heute überdenken müssen und nicht 
erst dann, wenn es zu spät ist. 
Was hätte ein EU-Beitritt der Schweiz 
für die Industrie und das Gewerbe für 
Folgen? 
Peter Frick: Ein EU-Beitritt der 
Schweiz hätte ganz gravierende Konse 
quenzen für unser Land. Hierbei wäre 
die Mehrwertsteuererhöhung die 
kleinste Konsequenz. 
Was wären dann die anderen Konse 
quenzen? 
Peter Frick: Ich gehe davon aus, dass 
Liechtenstein der EU nicht beitreten 
will. Wenn die Schweiz der EU beitritt, 
würde die Grenze zwischen der 
Schweiz und uns zur Aussengrenze der 
EU. Wir hätten dann den ungehinder 
ten Zugang zum Schweizer Markt nur 
noch als Mitglied des EWR - und so 
lange der EWR besteht. Eine EU-Mit 
gliedschaft unserer EWR-Partner 
Norwegen und Island wird inzwischen 
wahrscheinlicher. Das heisst: Der 
EWR bestünde nachher nur noch aus 
Liechtenstein. Und Liechtenstein al 
lein kann die Institutionen des EWR 
nicht tragen. Also müssen wir uns heu 
te schon überlegen, welche Integrati 
onsform wir wollen. Unsere Aussenpo- 
litiker müssen sich jetzt Gedanken ma 
chen, was nach dem Tag X geschehen 
soll. Der EWR-Vertrag ist eine sehr 
gute Ausgangsposition für eine weitere 
Integration. Es gibt gute Möglichkei 
ten, wie Liechtenstein in Zukunft da 
bei sein kann. Das könnte sogar vor ei 
nem etwaigen EU-Beitritt der Schweiz 
geregelt werden. Bezüglich der 
Schweiz stellt sich auch noch die Frage, 
ob sie den Euro übernimmt. Falls sie 
nur der EU beitritt, aber nicht der 
Währungsunion, wäre dies für uns ein 
Vorteil. 
Arnold Matt: Für das Gewerbe hätte 
ein EU-Beitritt der Schweiz nicht so 
viele Konsequenzen. Die Bestimmun 
gen, welche wir gegenüber Österreich 
haben, wären dann auch für die Schweiz 
gültig. Für beide Länder würden dann 
die gleichen gesetzlichen Vorgaben gel 
ten. Die Flut der bilateralen Verträge 
und Lösungen wird sich in diesem Fall 
sicher vergrössern, da unser Land nur 
über diesen Weg am Geschehen in der 
EU teilhaben kann. 
Impressum 
Redaktion: Alexander Batliner 
Layout: Monika Schratzberger 
Inserate: Harald Zöchbauer 
Bilder: Roland Komer/close up
	        

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