Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2000)

Liechtensteiner Volksblatt 
Staatsfeiertag 2000 
Donnerstag, 10. August 2(XX) 15 
«Liechtenstein beschreitet derzeit 
einen positiven Weg» 
Interview mit MarkusWanger, dem Präsidenten der Treuhändervereinigung, zur Zukunft des Finanzplatzes 
Markus Wunder: «Die Hochschulpolitik Liechtensteins sollte konsequent weiterverfolgt werden und auch auf andere Wissensgebiete ausgedehnt werden. Forschungsinsti 
tute, konsequent in Liechtenstein gefördert, könnten Liechtensteins Ruf über die Grenzen hinaus verbessern.» 
Der Finanzplatz Liechtenstein ist 
die grösste Lebensader unseres 
Landes. Rund 60 Prozent der 
Staatseinnahmen stammen vom 
Finanzplatz. Im Mittelpunkt des 
Finanzplatzes stehen neben den 
Banken die Treuhänder. Wie beur 
teilt die Treuhändervereinigung 
die Zukunft des Finanzplatzes? 
Markus Wanger betont hierbei 
eindeutig, dass der Finanzplatz 
unseres Landes Zukunft haben 
wird. 
Mit Markus Wanger sprach 
Alexander Bntliner 
VOLKSBLATT: Liechtenstein wurde 
auf zwei schwarze Listen gesetzt. Wel 
che Folgen ergehen sich dadurch für 
den Treuhandsektor und welche Folgen 
sind heute schon zu spüren? 
Markus Wanger: Das politische Um 
feld, in dem sich Liechtenstein befindet, 
ändert sich rapide. Internationale Be 
strehungen gehen in Richtung 
Bekämpfung der Geldwäscherei und 
der organisierten Kriminalität. Liech 
tenstein kann und will sich diesen Be 
strebungen nicht widersetzen und hat 
gesetzgeberische Massnahmen einge 
leitet. die die internationalen Bestre 
bungen unterstützen. Dies sind zum ei 
nen gesetzgeberische Massnahmen, 
aber auch Infrastrukturmassnahmen, 
wie etwa die Aufstockung des Personals 
beim Amt für Finanzdienstleistungen 
oder bei Staatsanwaltschaft und Ge 
richt. Trotz der Massnahmen wurde 
Liechtenstein auf die beiden schwarzen 
Listen gesetzt. Für viele unverständlich 
ist, dass Liechtenstein, obwohl in seiner 
spezifischen Ausgestaltung qualitativ 
einer der besten Finanzplätze weltweit 
ist. auf diese Listen gesetzt wurde, ge 
meinsam mit Staaten, die einem Ver 
gleich keineswegs standhalten würden. 
Wie dem auch sei, die Tatsache, dass wir 
auf die zwei schwarzen Listen gesetzt 
wurden, hat Folgen auch für den Treu 
handsektor. 
Der internationale 
Druck hat jedoch 
auch positive 
Auswirkungen. 
Eine offensichtliche Folge ist, dass die 
Sorgfaltsprüfung durch die Banken 
zukünftig auf sämtliche Geschäftsbe 
ziehungen ausdehnt wird. Dies betrifft 
auch solche, die sie mit einem andern 
liechtensteinischen Berufsgeheimni 
sträger wie Rechtsanwalt oder 
Treuhänder eingehen. Das heisst auch, 
diese Berufsgeheimnisträger haben 
zukünftige Kundenbeziehungen der be 
treffenden Bank gegenüber direkt of 
fen zu legen was einer internationalen 
Regel «kenne deinen Kunden» ent 
spricht. Weniger sichtbar, aber um so 
wichtiger, sind die Auswirkungen der 
gesetzgeberischen Massnahmen. Diese 
führen dazu, dass die Qualität des Fi 
nanzplatzes Liechtenstein noch mehr 
erhöht wird. International wird Liech 
tenstein schneller und effizienter 
Rechtshilfe leisten und die Kundenbe 
ziehungen werden noch sorgfältiger ge 
prüft werden. Ausserdem ist es das Be 
streben der Treuhändervereinigung, 
dass die liechtensteinischen Treuhänder 
ihr Fachwissen durch konstante Weiter 
bildung noch mehr erhöhen. 
Wie hat sich die Krise um den Finanz 
dienstleistungsplatz generell auf dem 
Treuhandsektor ausgewirkt. 
Wenn auch für viele das Setzen auf 
die schwarze Liste nicht unerwartet 
kam, war doch die Mehrheit der 
Treuhänder überrascht über den inter 
nationalen Druck, der nun mehr auf 
Liechtenstein ausgeübt wird. Ich rechne 
kaum damit, dass viele Kunden in ande 
re Jurisdiktionen abwandern, oder dass 
Kunden ihre Gelder aus Liechtenstein 
abziehen. Der internationale Druck hat 
jedoch auch positive Auswirkungen, 
nämlich dass verschiedene unseriöse 
Kunden Liechtenstein als nicht mehr at 
traktiv einstufen und ihre Machenschaf 
ten nicht mehr über Liechtenstein abzu 
wickeln versuchen. Verschiedene neue 
Offshore-Plätze werben schon damit, 
dass ihre Gesetze weniger rigoros als die 
liechtensteinische Gesetze sind. 
Wie beurteilt der Treuhänderverhand 
die Massnahmen, welche von der Re 
gierung ergriffen wurden und wie wer 
den die neuesten Massnahmen des 
Bankenverhandes bewertet? 
Wichtig ist, dass die 
internationale Kritik 
entschärft, die andern 
Sparten der 
Wirtschaft gestärkt 
und das Image im 
Ausland verbessert 
wird. 
Liechtenstein beschreitet derzeit ei 
nen positiven Weg und die eingeleiteten 
Massnahmen im Bereich der Gesetzge 
bung und des Vollzuges sind zu begrüs- 
sen und führen sicherlich dazu, dass die 
Qualität des Finanzdienstleistungsplat 
zes weiter verbessert wird. Was die Mas 
snahmen des Bankenverbandes be 
trifft, so ist festzuhalten, dass die gelten 
den liechtensteinischen Sorgfaltsbe 
stimmungen ohnehin nur einen Min 
deststandard festlegten, so dass jeder 
Finanzintermediär, also auch die liech 
tensteinischen Banken, für sich selbst in 
Bezug auf ihre Geschäftsbeziehungen 
noch höhere Anforderungen stellen 
können. 
Welche Massnahmen sollten in naher 
und ferner Zukunft zusätzlich ergriffen 
werden, damit Liechtenstein den Weg 
aus der Krise findet und damit vom 
Ausland her wieder Vertrauen in den 
Finanzplatz Liechtenstein gewonnen 
werden kann? 
Daneben sollte in 
Zukunft mehr agiert 
als reagiert werden 
und es sollte die 
liechtensteinische 
Gesetzgebung 
periodisch revidiert 
werden. 
Wichtig ist, das die internationale 
Kritik entschärft, die andern Sparten 
der Wirtschaft gestärkt und das Image 
im Ausland verbessert wird. Dazu wird 
es notwendig sein, mit den internatio 
nalen Organisationen, die Liechten 
stein auf die schwarze Liste gesetzt ha 
ben, zu kooperieren und einen ständi 
gen Dialog zu führen. Die Aufstockung 
der finanziellen und personellen Mittel 
des Amtes für Finanzdienstleistungen 
ist sicherlich genauso notwendig, wie 
die effiziente Rechtshilfe in Strafsa 
chen. Zu überlegen wäre auch eine Mit 
gliedschaft zu OECD, wo die Schweiz 
schon Mitglied ist und der Abschluss 
von Doppelbesteuerungsabkommen. 
Es ist damit zu rechnen, dass die Zulas 
sungskriterien im Treuhandbereich ver 
schärft werden, und dass eine ständige 
Fortbildung der Mitglieder der 
Treuhändervereinigung verlangt wird, 
wie es international bei andern Berufs 
vereinigungen ohnehin schon Standard 
ist. Daneben sollte in Zukunft mehr 
agiert als reagiert werden und es sollte 
die liechtensteinische Gesetzgebung 
periodisch revidiert werden, mit dem 
Ziel, jeweils die beste Offshore-Gesetz- 
gebung international zu bieten. Liech 
tenstein sollte wieder vermehrt kreativ 
werden und auch neue «Produkte» im 
Finanzdienstleistungsbereich anbieten 
wie etwa eine echte gemeinnützige Stif 
tung, welche international sogar Muster 
für eine europäische Stiftung werden 
könnte, wie die liechtensteinische Pri 
vatstiftung auch in Österreich rezepiert 
wurde. Imagekorrekturen bezüglich 
dem Finanzdienstleistungsplatz sind si 
cherlich ein Teil, generell muss sich 
Liechtenstein auch überlegen, ob nicht 
durch Imageaufbesserungen in andern 
Gebieten der liechtensteinische Finanz 
dienstleistungsplatz generell ebenfalls 
profitieren könnte. Liechtenstein könn 
te ein Zentrum der bildenden Künste 
werden, wovon der gesamte Finanz 
dienstleistungsplatz profitieren würde. 
Die Hochschulpolitik Liechtensteins 
sollte konsequent weiterverfolgt wer 
den und auch auf andere Wissensgebie 
te ausgedehnt werden. Forschungsinsti 
tute, konsequent in Liechtenstein ge 
fördert, könnten Liechtensteins Ruf 
über die Grenzen hinaus verbessern. 
Regierungschef Mario Frick sprach vor 
einigen Wochen davon, dass sich der 
Finanzdienstleistungsplatz weg vom 
off-shore und hin zum on-shore bewe 
gen solle. Wie beurteilt der Treuhänder 
verband diesen Vorschlag. Ist dies 
machbar? 
Generell ist festzuhalten, dass Liech 
tenstein nach wie vor eine Zukunft als 
internationaler Finanzplatz, auch Off- 
shore, haben wird. Liechtenstein hat 
aufgrund der liberalen Gesetzgebung 
vor allem im Bereich der Steuern hier 
einen nicht zu unterschätzenden Vor 
teil. Ob dies im Wege einer besonderen 
Gesellschaftssteuer, bei Sitzgesellschaf 
ten wie bisher oder über eine soge 
nannte Flat-Tax gemacht werden soll, 
sei dahingestellt. Allein schon aufgrund 
der derzeit erkennbaren Entwicklung 
wird Liechtenstein als Onshore-Platz 
mehr an Bedeutung gewinnen, ich den 
ke hier an Banken, Versicherungen, Fir 
men im Telekommunikationsbereich 
oder Hightech Firmen. Ich glaube aber 
nicht, dass Liechtenstein ganz weg vom 
Offshore Platz gehen wird und auch 
Regierungschef Mario Frick dürfte dies 
nicht gemeint haben. Viele Staaten,dar 
unter auch Grossbritannien und die 
Vereinigten Staaten von Amerika, pfle 
gen eine lukrative Offshore-Strategie, 
ohne dass dies aber das Gesamtimage 
der Staaten beeinträchtigen würde. 
Die stetige Bankenzunahme hat für den 
Finanzplatz das Problem der Perso 
nalressourcen zur Folge. Welche Aus 
länderpolitik soll diesbezüglich einge 
schlagen werden? Ist die gefundene Lö 
sung von 56 Personen pro Jahr zum 
freien Personenverkehr mit der EU 
überhaupt umsetzbar oder braucht der 
Finanzplatz mehr Personalressourcen? 
Meine persönliche 
Meinung ist, dass die 
Ausländerpolitik 
generell ausgewogen 
sein soll. 
Die stetige Zunahme in einem Ge 
schäftsbereich geht meist einher mit 
dem Problem von Personalressourcen. 
Liechtenstein steht hier nicht allein. Ich 
denke hier vor allem an Deutschland, 
wo sich das Problem hei Telekommuni 
kation und Informatik stellt. Es ist si 
cherlich nicht möglich, einen Sektor zu 
stärken, ohne dann eine liberale Politik 
bezüglich ausländischen Arbeitskräften 
zu machen. Dies ist allerdings eine poli 
tische Entscheidung, in die die Treuhän 
dervereinigung sicherlich nicht eingrei 
fen soll. Meine persönliche Meinung ist. 
dass die Ausländerpolitik generell aus 
gewogen sein soll und die Personen, 
welche in Liechtenstein zum freien Per 
sonenverkehr zugelassen werden, nicht 
nur einem Sektor zur Verfügung gestellt 
werden, sondern auch andern, um nicht 
neue Schwachstellen mit Personalun 
terversorgung zu schaffen. Da wir aus 
serhalb unserer 160 Quadratkilometer 
überall Ausländer sind, wäre es viel 
leicht überlegenswert, reziproke Vc 
einbarungen mit ausländischen Staate.. 
zu treffen, so dass auch Liechtensteiner 
im Ausland den freien Personenver 
kehr mindestens im selben Umfang 
nutzen könnten. Im Rahmen einer sol 
chen Regelung stünde es dann den 
Liechtensteinern ebenfalls offen, im 
Ausland höchst qualifizierte Arbeits 
stellen anzunehmen. Ob die bisherigen 
strikten Regelungen zum Personenver 
kehr in ihrem Protektionismus für 
Liechtenstein langfristig vorteilhaft 
sind, ist ohnehin fraglich.
	        

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