Liechtensteiner Voiksblatt
Land und Leute
Samstag, 1. Juli 2000 13
Über 30 Fachvorträge mit hoch-
käratigen Referentinnen und Re
ferenten standen auf dem Pro
gramm des Liechtensteinischen
Wirtschaftsinformatik-Symposi-
ums, welches die Fachhochschule
Liechtenstein heuer bereits zum
zweiten Mal durchführte. Die Or
ganisatoren dürfen zufrieden sein:
Die Teilnehmerzahl war gross, die
Referate sehr informativ und alles
klappte bestens, wie uns Tagungs
leiter Bernd Britzelmaier versi
cherte.
Iris Frick-Ott
Informationsbeschaffung und Informa
tionsverarbeitung spielen in der heuti
gen Kommunikationsgesellschaft eine
zentrale Rolle. Unter dem Titel «Infor
mation als Erfolgsfaktor» führte die
Fachhochschule Liechtenstein am Don
nerstag und Freitag dieser Woche ein
Symposium durch, an dem Wissen
schaftler und Praktiker den aktuellen
Stand der Wirtschaftsinformatik und
Zukunftstrends aufzeigten. Rund 170
Personen nahmen am Symposium teil
und konnten sich in über 30 Referaten
über den Stand der Dinge-orientieren.
Für die Fachhochschule stehe dieses
Symposium einmal mehr für das Zu
sammenführen von Theorie-und Praxis,
so Bernd Britzelmaier, Fachhochschul
lehrer und Tagungsleiter, an der gestri
gen Pressekonferenz. «Wir wollen da
mit Innovationsimpulse in Gang setzen.
Zudem steht in unserer Arbeit auch die
Kontaktpflege mit anderen Universitä
ten im Vordergrund», so Bernd Britzel
maier weiter.
Für den Fachhochschul-Rektor Klaus
Näscher bietet das Symposium eine
fachliche Plattform für die wissen
schaftliche Praxis, wie er erklärte. Die
sen Worten schloss sich auch Fachhoch
schullehrer Dieter Gunz an: «Mit dem
v 2. Liechtensteinisches Wirtschaftsinformatik-Symposium
Bernd Britzelmaier (l.) und Stephan Geberl organisierten zusammen das Wirtschaftsinformatik-Symposium.
Wirtschaftsinformatik-Symposium hat
die Fachhochschule Liechtenstein eine
Plattform zum fachlichen Austausch auf
hoher internationaler Ebene zwischen
Vertretern aus Wissenschaft und Wirt
schaft geschaffen». Und Klaus Näscher
fügte dem an: «Die Thematik des Sym
posiums ist in erster Linie auf Fachleu
te im Informatikbereich zugeschnit
ten». Für die breite Öffentlichkeit sei
aber von Bedeutung, dass sie in einigen
Jahren von den Auswirkungen der neu
en Informationstechnologien am Ar
beitsplatz oder im Privatleben betrof
fen werde, die heute zwischen Wissen
schaft und Wirtschaft zur Diskussion
stünden. Das Symposium steht für
Technologie- und Wissenstransfer, dem
eine besondere Bedeutung zu kommt:
Die Praktiker legen dar, welche Proble
me in der Wirtschaft vorherrschen und
wie Firmen die Herausforderungen an
gehen. Auf der anderen Seite stehen die
Akademiker, denen die Aufgabe der
möglichst raschen Problemlösungen
zufällt.
Moralische Verantwortung
Der verantwortliche Umgang im Be
reich der Informatik sei ein weiterer,
sehr wichtiger Inhalt des Symposiums,
so Bernd Britzelmaier. Regierungsrat
Norbert Marxer ging denn auch in sei
ner Eröffnungsrede auf diesen Faktor
ein: Er plädierte für den ökonomisch
sinnvollen und ethisch verantwortli
chen Einsatz von neuen Informations
und Kommunikationstechnologien.
Nicht allein das technisch Machbare
und ökonomisch Sinnvolle sollte die
künftige Wirtschaftsinformatik bestim
men, sondern insbesondere auch das
ethisch und moralisch Vertretbare.
Am zweitägigen Symposium der
Fachhochschule Liechtenstein fanden
die Teilnehmerinnen und Teilnehmer
neben Fachbeiträgen aus den Kernge
bieten der Wirtschaftsinformatik auch
Vorträge aus dem geisteswissenschaftli
chen Bereich vor. Damit ergaben sich
Möglichkeiten zu einer kritischen Aus
einandersetzung mit Informations- und
Kommunikationstechnologien. Den
Anstoss dazu gab Philosophieprofessor
Manfred Schlapp, der nach einem
Rückblick auf die Frtthzeit des Den
kens und nach einer Auseinanderset
zung mit dem binären System der elek
tronischen Datenverarbeitung die ori
ginelle Schlussfolgerung zog: «Am An
fang war das Bit!»
Das breitgefasste Themenspektrum
der Fachbeiträge reichte im Weiteren
von Anwendungsmöglichkeiten im E-
Business und Data Warehousing, Uber
Unternehmesmodellierung und Infor
mationsmanagement bis zur Entwick
lung von Objektmodellen.
Rasende Entwicklung
Adolf Real, Generaldirektor der VP
Bank AG, beleuchtete die «Fragmentie
rung der Bank-Wertschöpfungskette»
durch die weltweite Vernetzung des
Bankgeschäftes. Das E-Business wird
nach seinen Thesen auch im Private
Banking Liechtensteins zu einem zent
ralen Thema. Für eine Bank reiche in
Zukunft das Know-how. der Finanzma
terie nicht mehr aus, sondern es müss-
ten zur Schaffung von Wettbewerbsvor
teilen neue, branchenübergreifende Al
lianzen geschaffen werden. Die aktuel
le Fusionswelle lässt, laut Adolf Real,
darauf schliessen, dass Grösse in Zu
kunft zu einem bedeutenden Wettbe
werbsfaktor wird. Für ihn persönlich
wird jedoch, basierend auf der Informa
tionstechnologie, Geschwindigkeit zum
ausschlaggebenden Kriterium werden.
Rechtzeitig zum Symposium erschien
im B.G. Teubner Verlag der 360 Seiten
starke Tagungsband «Information als
Erfolgsfaktor», der die Referate in aus
führlicher Form wiedergibt. Für Bernd
Britzelmaier ist die parallele Herausga
be eines Taguiigsbandes ein unbedingtes
Erfordernis, damit die Teilnehmer schon
während des Symposiums nachschauen,
nachlesen und verarbeiten können.
Grenzen sehen und überwinden
Das Tanztheater «Silent Scream» ist eine Jugendinitiative des «aha»-Tipps und Infos für junge Leute
Es ist ein stiller Schrei, der möglichst
viele aulrütteln soll. 23 junge Leute aus
Liechtenstein und Belgien erzählen in
ihrem HipHop-Breakdance-Theater-
Projekt «Silent Scream» die Geschich
te von der Aussenseiterin Maria. Was es
gerade für Jugendliche bedeutet an sol
che «Grenzen» zu stossen, darüber in
formierte die Pressekonferenz am Don
nerstag im Jugendtreff El Niiio in
Schaan.
Janine Köpfli
Maria ist nicht nur anders, sie kommt
auch noch aus irgendeinem «Kuhkaff»
am Ende der Welt. So sehen es zumin
dest ihre Mitschüler am ersten Schul
tag. Das Mädchen wird zur Zielscheibe
für allerhand Gemeinheiten. Nicht ein
mal zuhause-findet Maria Zuflucht, nur
ihre Gitarre schenkt ihr Trost. Doch
dann gewinnt sie in einer Band neues
Selbstvertrauen und plötzlich ist Maria
diejenige, die hänselt und ausgrenzt.
«Das hat sicher jeder schon erlebt,
dass er irgendwie ausgeschlossen wur
de», meint HipHop-Tänzerin Nadja.
Während die belgischen Jugendlichen
das Thema Kultur- und Sprachgrenzen
sowie soziale Ausgrenzungen in unserer
Gesellschaft im Theater umsetzen,
drückt das junge Liechtensteiner Team
die gleichen Probleme in Breakdance,
HipHop und Streetdance aus und gibt
der Aufführung mit Bein-, Kopf- und
Armarbeit den richtigen Dreh und Dri
ve. Sich selbst besser kennenlernen, die
eigenen Grenzen oder die Grenzen, die
andere setzen, sehen und überwinden,
das vermittelt «Silent Scream». Es soll
aber nicht einfach ein stiller Schrei blei
ben. «Wir wollen eine gewisse Toleranz
rüberbringen. Eine Toleranz unter Ju
gendlichen. EineToleranz zwischen der
älteren und der jüngeren Generation»,
betont Streetdancerin Sarina.
Geniales Feedback i
Dieses Projekt ist einzigartig. Nicht
zuletzt weil ein Teil in Liechtenstein
und der andere Teil in Belgien entstan
den ist. Die jungen Leute im Alter von
14 bis 18 Jahren haben über Internet
und Telephon gemeinsam Ideen gesam
melt und schliesslich bei zwei Aus
tauschtreffen die Story und die Umset
zung aufeinander abgestimmt. «Was die
Belgier und die- Liechtensteiner ge
macht haben, hat gleich richtig schön
zusammengepasst», berichtet Choreo
graphin Slavica Oehri (FL), die zusam
men mit Regisseur Robert Schmetz (B)
das HipHop, Breakdance- und Theater
event leitet.
Vor zwei Wochen feierte das Stück in
Belgien seine Premiere. Der Erfolg war
gross und das Feedback genial. «Es ist
wirklich ein sehenswertes Stück, von
dem man einiges lernen kann», findet
Nathalie Roth vom «aha» Tipps & Infos
für junge Leute, der Jugendstelle, die
das Projekt ins Rollen brachte und in all
seinen Phasen begleitete.
«Silent Scream» beschreibt, wie es ist,
wenn dich jemand an den Rand drückt,
dich fertig macht und alieine lässt. Das
Theater ist nicht nur von Jugendlichen
für Jugendliche gemacht, sondern auch
für Erwachsene. Jeder kann sich in den
Szenen erkennen. «Es gibt viele, die das
gleiche erleben. Du bist nicht allein!» so
Slavica Oehri.
Das belgische und liechtensteinische
HipHop, Breakdance- und Theaterpro
jekt wirbelt am Montag, den 3. Juli und
Dienstag, den 4. Juli 2000 jeweils um 20
Uhr in der Aula des Gymnasiums Vaduz
über die Bühne. Karten sind im.Vorver-
kauf an der Jugendstelle «aha» im
Bahnhof Schaan erhältlich.
Das junge Liechtensteiner Team setzt in «Silent Scream» tänzerische Grenzen.
(Bilder: Ingrid) Breakdance-Einlagen sorgen ßr den richtigen Dreh und Drive.