Liechtensteiner Volksblatt
Religion
Freitag, 16. Juni 2000 21
Blickpunkt Religion
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Sehnsucht nach
Spiritualität
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Das Zitat
«In einem gewissen Sinn ist diese Kirche auch
Sünderin, insofern sie real die Sünden derer, die
sie wie eine Mütter in der Taufe als ihre Kinder
geboren hat, auf sich nimmt, ähnlich wie Chris
tus, der selbst ohne Sünden war, die Sünden der
Welt getragen hat». Kardinal Joseph Ratzinger
Buch-Tipp
Sehnsucht nach
Spiritualität
Auf seinen Reisen
zu den religiösen
Zentren der Ge
genwart in Euro
pa, Mexiko, USA
und Indien ent
deckt Georg
Schmid überall
Deutsche, Schwei
zer und andere
Europäer, die auf
der Suche nach
sich selbst sind
und bereit, sich
ganz hinzugeben. Ob es sich um Zentren aus
christlicher, buddhistischer, hinduistischer Tra
dition oder andere handelt, überall fällt ihm auf,
wie gross die Sehnsucht ist, wie unkritisch die
Begeisterung. Den Religionswissenschaftler in
teressiert die Führungsstruktur dieser Zentren
und wie weit sie dazu neigen, ins Sektenhafte
abzugleiten. So liefert Georg Schmid nicht nur
eine anschauliche Reportage über die erstaunli
che mystische Suche vieler Zeitgenossen, son
dern bleibt auch immer auf kritischer Distanz.
Er erkennt die religiöse Sehnsucht an und fragt
zugleich nach den Menschen, die sich ihr auslie
fern.
«Sehnsucht nach Spiritualität - Neue religiöse
Zentren der Gegenwart» von Georg Schmid
(Bild) mit 240 Seiten ist im Kreuz-Verlag er
schienen.
Veranstaltungen
«Lobpreis-Gottesdienst»
Lobpreis Gottes mit Liedern, im Hören auf Sein
Wort und in Anbetung Seiner eucharistischen
Gegenwart.
Mittwoch, 21. Juni, von 19.30 Uhr bis 20.30 Uhr
in der Klosterkapelle St. Elisabeth, Schaan
«Freiheit und Fülle als Lebensauftrag»
Der Dornbusch ist ein Bild menschlicher Exis
tenz, ein Symbol für Starre, Dürre, ohne Aus
sicht auf Veränderung und Wachstum. Mose
schaut im Bild des Dornbuschs aber auch die
Alternative: dieser Busch ist erfasst von etwas,
das nicht zerstört. Bei diesem Bibliodrama-Wo-
chenende wird mit Methoden gearbeitet, die
Körper, Geist und Seele ansprechen. Leitung:
Trudy Hofmann, Religionspädagogin und
Bibliodramaleiterin.
Freitag, 7. Juli, 18 Uhr bis Sonntag, 9. Juli, 16 Uhr
im Haus Gutenberg, Balzers.
«Gottesdienste, die ansprechen»
In Zusammenarbeit mit dem Verein für eine of
fene Kirche werden monatlich Gottesdienste
angeboten. Kommende Termine sind:
Sonntag, 2. Juli und Sonntag, S. November je
weils im Haus Gutenberg in Balzers.
Sonntag, 3. September, Sonntag, 3. Oktober und
Sonntag, 3. Dezember im Kloster St. Elisabeth
in Schaan. Die Gottesdienste finden jeweils um
11 Uhr statt.
Christus-Ikone und
Papst-Zitate
Kein Multimedia-Schnickschnack, keirie Me-
ga-Events: Der Vatikan präsentiert sich auf
der Weltausstellung EXPO 2000 bis 31. Okto
ber in Hannover mit seinem Pavillon ver
gleichsweise bescheiden. Das Gebäude hat am
Eingang West einen prominenten Standort ge
funden und steht mitten in einem Hain. Unter
grünem Blätterdach plätschern Wassersprud-
ler und laden zum Verweilen ein. Geht der Be
sucher in Richtung Pavillon, empfängt ihn auf
dem Weg eine Bronzeplastik des Italieners
Cecco Bonanotte; das Kunstwerk zeigt unter
anderem Reliefs der Seligpreisungen, der
Kreuzigung und der Emmaus-Jünger. Den
kreisrunden Pavillon selbst bestimmen Holz
pfeiler und ein darüber gespanntes Glasdach.
Transparent und offen ist das Gebäude ange
legt. Der Vatikan-Pavillon ist ringförmig ge
staltet und aufgebaut wie eine lebendige Zel
le, «mit einem inneren Kern, der nach aussen
strahlt», wie der Nuntius in Deutschland, Gio
vanni Lajolo, erklärt.
Der Engel Liechtenstein
Wenn viel Negatives ein Land überrollt, wo bleibt dann das Gute?
Als ich vor einem Jahr das Bild
des Engel Liechtenstein zum
ersten Mal in meinen Händen
hielt, war ich fasziniert davon.
Der Engel Liechtenstein, der
behutsam unser kleines Land
trägt. Was für ein Mensch wohl
hinter diesem Bild stehen mag?
Ein Mensch, dessen Herz für
Liechtenstein schlägt! All dies
war Grund genug für mich, die
Künstlerin diesem Batik-Bildes
persönlich kennenlernen zu
wollen. Die Liechtensteinerin
Sr. Regina Hassler vom Kloster
St. Elisabeth in Schaan.
Doris Heeb-Schädler
«Jedes Land, jede Gemeinschaft
und Familie hat einen Engel», sagt
Sr. Regina Hassler überzeugt. Für
sie gehören Engel zu unseren Weg-
begleitern. Inspiriert davon malte
die Liechtensteinerin vor etwa zehn
Jahren den Engel Liechtenstein.
Der Engel hält mit der rechten
Hand beschützend unser kleines
Land. Die linke Hand weist nach
oben. Auch der Blick des Engels ist
nach oben gerichtet, dem Höheren
entgegen.
Schutz für unser Land
Der Engel Liechtenstein steht im
Licht, eine Lichtflamme in hellen
Gelbtönen. Die Farbe des Landes
ist grün. Grün ist sowohl die Farbe
des Herzens wie auch der Hoffnung
und Heilung. Wobei der untere Teil
des Landes hellgrün und der obere
Teil, die Bergwelt, dunkelgrün ge
halten ist. Sr. Regina bringt damit
Mein kleines Land Liechtenstein, ruht sicher und beschützt in den Händen von Gottes Engel
das fruchtbringende Land, die schö
ne Natur zum Ausdruck. Das Kleid
des Engels ist in unseren Landesfar
ben blau/rot gehalten. Das Zusam
menspiel dieser kräftigen Farben ist
wohltuend und lässt das Bild er
strahlen.
«Alles, was sich aufdrängt, ist
nicht gut. Engel drängen sich nie
auf. Wenn wir die Engel bitten, sind
sie bereit, uns zu unterstützen», be
tont Sr. Regina. In diesem Bitten
liegt ein Segen. Ein Segen fUr unser
Land, die Welt oder worum immer
wir bitten mögen. Der Engel Liech
tenstein beschützt das kleine Land
behutsam, gibt Kraft und Hoffnung.
Tragen auch wir, besonders in der
jetzigen Zeit, unser Land sorgsam
im Herzen.
Die weiteren Engelsbilder von Sr.
Regina zeigen jeweils die drei Erz
engel Gabriel, Michael und Raffael
sowie den Schutzengel. Meistens
beinhalten die Bilder von Sr. Regi
na biblische oder symbolische Moti
ve. Ihre Bilder wurden sowohl in
Liechtenstein wie auch in Deutsch
land ausgestellt.
Eine Mitschwester aus Zagreb,
Sr. Marija Pranjic,ergänzt die Bilder
von Sr. Regina mit schönen, besinn
lichen Gedichten (siehe Kasten).
Das Notwendigste tun und etwas mehr
Frere Roger, der Gründer von Taize, wurde kürzlich 85 Jahre alt
Jeweils zum Jahreswechsel findet in
einer europäischen Stadt ein gros
ses Jugend-Tteffen statt, das jeweils
von der Brüder-Gemeinschaft von
Taize organisiert wird. An einem
dieser IVeffen wurde ein alter Mann
beobachtet, der sich auffallend
stark engagierte und fünf junge
Kroaten flir die Dauer der Begeg
nung beherbergte.
Christoph Strack
Als er nach dem «Warum» gefragt
wurde, erzählte er von seiner Zeit
als Kriegsgefangener im Burgund,
von Waldarbeit in den Weihnachts
tagen 1945. Damals lud ein Bruder
der entstehenden Gemeinschaft
vonTaizl die isoliert im Wald leben
den Gefangenen zur Weihnachts
messe ein. «Und nach dem Gottes
dienst ging plötzlich eine Tür auf,
und es hiess: Kommt bitte herein
und setzt euch. Und der Tisch war
gedeckt mit Kaffee und Kuchen und
kleinen Geschenken neben dem
Teller.»
Vielleicht gehören Szenen wie
diese zum Geheimnis von Fröre
Roger, dem Gründer und Prior
der weitbekannten ökumenischen
Gemeinschaft von lfciz& Das
Notwendige tun, das, was eben
nicht immer das Selbstverständliche
ist.
Frire Röger 1999 am europäischen
Taizt-Treffen in Mailand.
«Kirche der Versöhnung»
So fahren in den Zeiten von Tech
no, Handy und immer schnellerem
Leben Jahr für Jahr viele hundert
tausend Menschen vorwiegend aus
West- und Osteuropa in das kleine
Dorf im Burgund, um Ruhe und
Gemeinschaft zu finden. Und wenn
Frire Roger, die kleine Gestalt, in
die grosse, von Kerzen beleuchtete
«Kirche der Versöhnung» einzieht,
ist Bewunderung spürbar.
Frire Roger mahnt vor allem in
der Ökumene: «Wenn die Versöh
nung unter den Christen auf später
verschoben wird, kann die öku
menische Bewegung unversehens
ermatten und trügerische Hoffnun
gen nähren.» Seit knapp 60 Jahren
steht der gebürtige Schweizer im
Dienst der Versöhnung der Kir
chen.
Schnell wachsende
Gemeinschaft
Roger Louis Schutz-Marsauche,
so sein voller Name, wurde am 12.
Mai 1915 in Provence, einem Dorf
im Waadtländer Jura, geboren. Erst
mals kam der Calvinist 1940 nach
Thiz6. Dort half er Flüchtlingen.
1944 gründete er mit Studienfreun
den die Gemeinschaft, die sich der
Aussöhnung der Kirchen, der eu
ropäischen Verständigung und ei
nem einfachen Leben verschrieb.
1949 legten erstmals sieben refor
mierte Männer die Ordensgelübde
ab. Seit 1969 leben mit Erlaubnis
des Erzbischofs von Paris in Ikizl
auch katholische Brüder; sie stellen
heute gut ein Drittel der rund 100
Brüder.
Gesuchter Gesprächspartner
Frire Rogers Engagement wird
von den Kirchen geschätzt. Immer
wieder ist er Gesprächspartner des
ökumenischen Weltrats der Kirchen
wie der Päpste. Als Beobachter
weilte er am Zweiten Vatikanischen
Konzil. Doch es ist nicht nur die
ökumenische Botschaft, mit der der
Prior von Taiz£ die Menschen faszi
niert. Frire Roger gilt auch als
Mahner gegen das Vergessen der
Benachteiligten in der so genannten
Dritten Welt.
«Wer wird Wege bahnen, damit
das Leiden auf der Erde verringert
wird? Wer wird das Beste seiner
schöpferischen Gaben einsetzen,
wo es menschliche Verlassenheit,
Krankheiten, Hunger, Elendsbe
hausungen gibt?», fragte er 1984 in
einem seiner Briefe. Die Brüder von
Taiz6 haben ihre Antwort gegeben.
Sie gründeten Niederlassungen in
zahlreichen Elendsvierteln der Süd
halbkugel.