Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2000)

Liechtensteiner Volksblatt 
AUSLAND 
Mittwoch, 3. Mai 2000 23 
Nachrichten 
Simbabwe: Präsidenten- 
Vertrauter vor Gericht 
HARARE: Inmitten des Kampfes um Macht 
und Landverteilung in Simbabwe ist der Vorsit 
zende des Kriegsveteranenverbandes, Chen- 
jerai «Hitler» Hunzvi, vor Gericht gestellt wor 
den. Die Anklage wirft dem Vertrauten von Prä 
sident Robert Mugabe vor, etwa 12400 US- 
Dollar (rund 18 600 Franken) unterschlagen zu 
haben, die als Entschädigung für Opfer des Un 
abhängigkeitskampfes im damaligen Rhodesi 
en bestimmt waren. Vor dem Gebäude des 
obersten Gerichtshofes in der Hauptstadt Har 
are protestierten am Dienstag etwa 300 Anhän 
ger Hunzvis gegen das Verfahren und hinderten 
Prozessbeteiligte zeitweise daran, das Gebäude 
zu betreten. Die Kriegsveteranen sind massgeb 
lich an der Besetzung von mehr als 1000 Farmen 
in Simbabwe beteiligt, die Uberwiegend weissen 
Grossgrundbesitzern gehören. Vor zwei Wo 
chen hatte der Gerichtshof Hunzvi wegen Mis 
sachtung des Gerichts verurteilt, weil er der 
Aufforderung nicht nachgekommen war, Tau 
sende seiner Anhänger von den besetzten Far 
men zurückzurufen. 
Couchepin verlangt 
mehr Akzeptanz 
GENF: Die Konfrontation über die Globalisie 
rung muss beendet werden. Dies erklärte Bun 
desrat Pascal Couchepin am Dienstag in Genf. 
In Genf findet in der letzten Juni-Woche der 
Weltsozialgipfel 2000 statt. Fünf Jahre nach dem 
Sozial-Gipfel in Kopenhagen sei das Hauptziel, 
die «soziale Gerechtigkeit ins Zentrum der 
weltweiten politische Wirtschaftsagenda» zu 
stellen, sagte Couchepin. Genf 2000 müsse die 
Diskussion für einen «konstruktiven Dialog 
Uber die soziale Dimension der Globalisierung» 
öffnen. Insbesondere in Afrika habe sich die Si 
tuation seit 1995 nicht verbessert, betonte Cou 
chepin. Dire «Regeln der Entwicklung im Han 
delsbereich» müssten festgelegt werden. Rund 
2000 Mitglieder nichtstaatlicher Organisatio 
nen werden für den Sozialgipfel vom 26. bis 30. 
Juni in Genf erwartet. 
Wenig Hoffnung für 
Nordirland 
LONDON: Grossbritanniens Premierminister 
Tony Blair und sein irischer Amtskollege Bertie 
Ahern haben am Dienstag in London in ge 
trennten Sitzungen die Führer der Nordirland- 
Parteien getroffen. Anzeichen für Fortschritte 
gab es jedoch nicht. Protestantenführer David 
Trimble zeigte sich wenig optimistisch. Er habe 
von der IRA-nahen Partei Sinn Fein keine Ant 
wort auf seine Fragen bekommen. In den letzten 
Wochen habe er in diesem Prozess nicht sehr 
viel gesehen, was ihm Mut machen könnte, sag 
te er. Auch Sinn Fein-Politiker warnten davor, 
die Probleme zu unterschätzen. Bei den Frie 
densgesprächen sei nicht mit einem Durch 
bruch zu rechnen, teilte auch Blairs Sprecher 
mit. Die Einzelgespräche mit der protestanti 
schen Ulster Unionist Party (UUP), der gemäs 
sigten katholischen Social Democratic and La 
bour Party (SDLP) und der Sinn Fein solle nur 
der Standortbestimmung dienen und zeigen, 
wie die Verhandlungen weitergehen könnten. 
Der nordirische Friedensprozess ist in der Kri 
se, seit die Autonomie der britischen Provinz 
Mitte Februar ausgesetzt wurde. Der Grund 
dafür war die Weigerung der Untergrundorga 
nisation IRA, mit ihrer Entwaffnung zu begin 
nen. Am 22. Mai läuft die im Karfreitagsabkom 
men von 1998 vereinbarte Frist für die Waffen 
abgabe der IRA ab. 
Erinnerung an die Opfer 
Holocaust-Gedenktag in Israel: Das öffentliche Leben stand zwei Minuten still 
JERUSALEM: Israel und 
Menschen in aller Welt haben 
am Dienstag in zahlreichen 
Veranstaltungen der Opfer des 
Holocaust gedacht. In ganz Is 
rael heulten am Vormittag zwei 
Minuten lang die Sirenen und 
das öffentliche Leben kam 
zum Stillstand. 
Aus Anlass des Holocaust-Tags wa 
ren in Israel bereits am Vorabend 
sämtliche Kinos, Theater und Res 
taurants geschlossen. Der Gedenk 
tag wurde mit einer Gedenkstunde 
vor der Holocaust-Gedenkstätte 
Jad Vaschem eingeleitet. 
Ministerpräsident Ehud Barak 
sagte, die Gründung des Staates Is 
rael sei die ewige Antwort auf den 
Versuch der Unterdrücker, das jüdi 
sche Volk auszulöschen. Bei den 
Veranstaltungen in Jad Vaschem 
und in der Knesset (Parlament) 
wurden mehrere Stunden lang die 
Namen ermordeter Juden vorgele 
sen. 
In Israel leben heute noch etwa 
230 000 Holocaust-Überlebende. 
Die israelische Zeitung «Jedioth 
Achronoth» schrieb am Dienstag, 
davon seien 41000 in Vernichtungs 
lagern, 49 000 in Arbeitslagern und 
58 000 in Gettos gewesen. Der Rest 
habe in Verstecken überlebt oder 
flüchten können. Auch in Auschwitz 
in Polen erinnerten mehr als 6000 
junge Juden aus Israel und der 
Zwei Gedenkminuten auf Israels Strassen: Auch die Autofahrerinnen und Autofahrer blieben stehen und gedachten 
der Holocaustopfer. (Bild: Keystone) 
ganzen Welt mit dem «Marsch der 
Lebenden» an die Ermordeten. In 
blaue Jacken gekleidet und mit isra 
elischen Fahnen zogen sie vom ehe 
maligen deutschen Vernichtungsla 
ger Auschwitz in das rund zwei Ki 
lometer entfernte Birkenau. 
In Birkenau hatten die National 
sozialisten mindestens 1,1 Millio 
nen Menschen ermordet. Die meis 
ten der Opfer waren Juden. Der 
israelische Knesset-Abgeordnete 
Abraham Hirschsohn hatte den 
«Marsch der Lebenden» 1988 ins 
Leben gerufen. Die Erinnerung an 
den Holocaust lasse das Wort in der 
Kehle stocken, sagte der polnische 
Staatspräsident Aleksander Kwas 
niewski, der die Jugendlichen zu 
sammen mit dem israelischen Präsi- 
Blauhelme entführt 
Rebellen brachten 14 Blauhelmsoldaten in Sierra Leone in ihre Gewalt 
FREETOWN: In dem westafrikani 
schen Bürgerkriegsland Sierra Leo 
ne sind am Montag und Dienstag 
14 Blauhelmsoldaten der Vereinten 
Nationen entführt worden. Nach 
Angaben des Kommandos der 
UN-Friedenstruppe UNOMSIL 
vom Dienstag handelt es sich bei 
den Entführern um ehemalige Re- 
bellenkämpfer. 
Die UNO werde bei der Befreiung 
ihrer Soldaten vor Gewalt nicht 
zurückschrecken, sagte UNO-Ge- 
neral Vijay Jetley am Dienstag in 
der Hauptstadt Freetown. In Make- 
ni, 140 Kilometer nordöstlich von 
Freetown, wurden demnach am 
Montag ein Kommandant und sechs 
Soldaten von, einer UNOMSIL-Bä- 
sis entführt. 
In Kailahun, 300 Kilometer öst 
lich von Freetown, wurden am 
Dienstag ein Helikopterpilot der 
UNO und sein Co-Pilot gekidnappt. 
Am Dienstagnachmittag meldete 
das UNOMSIL-Kommando eine 
dritte Entführung von fünf keniani 
schen Blauhelmsoldaten in Magbu- 
raka im Osten Freetowns. 
Die UNO erklärte, in Makeni hät 
ten rund hundert Kämpfer der Ver 
einigten Revolutionären Front 
(RUF) die Rückkehr von ehemali 
gen Mitkämpfern gefordert, die zu 
vor ihre Waffen abgegeben hatten. 
Geiseldrama geht weiter 
Nach Durchbruchversuch: Schiesserei zwischen Soldaten und Rebellen 
JOLO: Im Geiseldrama auf den 
Philippinen ist es am Dienstag erst 
mals zu einem direkten Schuss- 
Wechsel zwischen den Entfuhrern 
und der philippinischen Armee ge 
kommen. Dabei sei ein Soldat getö 
tet worden, verlautete aus amtli 
chen Kreisen. 
Nach Angaben des Provinzgouver 
neurs AbdusakurTan wollten einige 
Rebellen auf der Insel Jolo den Be 
lagerungsring der Armee durchbre 
chen. Wie weiter verlautete, wurden 
bei der Schiesserei vier Soldaten 
verwundet. Die Armee hat nach ei 
genen Angaben mit rund 2000 
Mann das Lager der Rebellen ein 
gekreist. 
Vor der Schiesserei hatte ein sich 
als EntfUhrer ausgebender Mann 
bei einem Radiosender mit der Ent 
hauptung von zwei der 21 Geiseln 
gedroht, sollte sich die Armee nicht 
zurückziehen. Er sagte, die Soldaten 
seien in Sichtweite der Rebellen 
und müssten umgehend abziehen. 
Ansonsten würden zwei der Geiseln 
enthauptet. Unklar war zunächst, 
ob es sich wirklich um einen der 
Dramatische Situation der Geiseln auf der Insel Jolo: Weil das Camp von der 
Armee umzingelt ist, erhalten die Menschen kaum zu essen. 
Entführer handelte. Bereits am 
Freitag war mit einer Enthauptung 
von Geiseln gedroht worden. Nach 
einem Gespräch zwischen Vermitt 
lern und den Rebellen hiess es je 
doch später, Abu Sayyaf habe diese 
Drohung nicht ausgesprochen. 
Angehörige der Abu Sayyaf hat 
ten am 23. April 21 Touristen, Hotel 
angestellte und Verwaltungsbeam 
te auf der malaysischen Insel Sipa- 
dan entführt und nach Jolo ver 
schleppt. 
Unter den Geiseln befinden sich 
drei Deutsche, je zwei Franzosen, 
Finnen und Südafrikaner sowie 
zehn Malaysier und je eine Libane 
sin und Philippinerin. 
denten Eser Weizman in Birkenau 
am «Denkmal der Nationen» be- 
grüsste. 
Es gebe keine Worte, um den 
Schmerz über das Verbrechen aus 
zudrücken, das Menschen hier einst 
Menschen angetan hätten. Niemals 
dürfe die Tragödie von Auschwitz 
vergessen werden, sagte Kwas 
niewski. 
Als ihnen ihr Wunsch verwehrt wur 
de, hätten sie Strassensperren er 
richtet und das Militärlager der UN 
OMSIL bedroht. Bei einem an 
schliessenden Schusswechsel seien 
die sieben Blauhelmsoldaten ent 
führt worden. Die Entwaffnung von 
rund 45000 Bürgerkriegskämpfern 
ist Teil des Friedensvertrages. Nach 
offiziellen Angaben vom März hat 
bisher erst knapp die Hälfte aller Re 
bellen ihre Waffen zurückgegeben. 
Unterdessen beendete die west 
afrikanische Friedenstruppe ECO- 
MOG ihre Mission in Sierra Leone, 
wo die UNO-Friedenstruppe die 
Umsetzung des Friedensvertrages 
vom Juli 1999 überwachen soll. 
Endlich 
abschalten 
WILNA: Das litauische Parla 
ment hat am Dienstag ein Ge 
setz zur Stillegung des ersten 
von insgesamt zwei Reaktoren 
im Atomkraftwerk Ignalia ver 
abschiedet. Der Reaktor vom 
Typ des Kraftwerks in Tscherno 
byl soll bis 1. Januar 2005 abge 
schaltet werden. Die Abgeord 
neten machten damit den Weg 
für die internationale Finanzhil 
fe für die Schliessung der Atom 
anlage frei. Die Europäische 
Union (EU) will im Juni auf ei 
ner Geberkonferenz in Litauen 
über die Finanzierung der Ab 
schaltung beraten. Die Stillie 
gung kostet unterschiedlichen 
Schätzungen zufolge zwischen 
einer und vier Milliarden Dollar, 
umgerechnet bis zu 8,6 Milliar 
den Mark. Die Annahme des 
Gesetzes fand unter dem Druck 
der EU statt, die die Abschal 
tung der Anlage in Ignalia zu ei 
ner der wichtigsten Bedingun 
gen für die Aufnahme von Bei 
trittsverhandlungen mit Wilna 
macht. Das Wqrk in Ignalia pro 
duziert rund 70 Prozent des 
Stroms in Litauen.
	        

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