Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2000)

2 Donnerstag, 20. April 2000 
Liechtensteiner Volksblatt 
Was ist moderne Architektur ? 
Ein Gespräch mit Architekt und Fachhochschul-Studienleiter Hansjörg Hilti aus Schaan 
Über den Geschmack lässt sich ja 
bekanntlich streiten. Und das 
nicht nur, wenn es um die neuste 
Mode geht. Auch Bauwerke erhit 
zen die Gemüter. Der Architekt 
und Fachhochschul-Studienleiter 
Hansjörg Hilti beschäftigt sich so 
zusagen «vollamtlich» mit der Fra 
ge «was ist moderne Architek 
tur?». 
Jnes Rarnpone-Wanger 
Ist ein Haus einfach modern, weil es an 
ders ist? Oder gibt es Anhaltspunkte, 
welche die Architektur des neuen Jahr 
tausends auszeichnen? Wir haben mit 
Hansjörg Hilti ein Gespräch geführt, 
das sich rund um die moderne Archi 
tektur dreht. 
VOLKSBLATT: Wer bestimmt, was 
moderne Architektur ist? 
Hansjörg Hilti: Moderne Architektur 
entsteht als Ausdruck einer Epoche und 
wird nicht von grauen Männchen be 
stimmt. So waren auch die Renaissance 
oder Gotik zu ihrer Zeit «moderne Ar 
chitektur». 
Wie lauten die «Botschaften», welche 
die Architektur von heute vermittelt? 
Das Thema ist vielschichtig. Archi 
tektur ist immer ein kultureller Aus 
druck einer Gesellschaft. Wenn sich ei 
ne Gesellschaft faschistoid entwickelt 
wie vor 70 Jahren Italien, Deutschland 
oder die Stalin-Sowjetunion, dann ist 
der Ausdruck der offiziellen Staatsar 
chitektur auch faschistoid. Er vermittelt 
die Botschaft der Mächtigen. Das ist 
auch in der sakralen Architektur durch 
die ganze Geschichte zu verfolgen und 
heute in der Architektur der Grosskon 
zerne und Geldinstitute. Dass es in der 
Architekturwelt immer eine Avantgar 
de gibt, welche sich einer kulturellen 
Einfamilienhaus in Triesen, 
Architekt Hubert Ospelt, Triesen. 
Verantwortung gegenüber Mensch und 
Umwelt stellt und nicht opportunistisch 
Architekturpolitik betreibt, ist vermut 
lich bekannt. Das ist vergleichbar mit 
dem künstlerischen Schaffen oder ein 
fach mit allen Menschen. 
Einfamilienhaus in Vaduz, Architekturhiiro Eberle-Baumschlager. 
Wird mit dem Begriff moderne Archi 
tektur auch Schindluder getrieben? 
Alles Denken wird kopiert und ver 
ändert,pervertiert. Ob aus Absicht oder 
unbewusst, sei mal dahingestellt. So 
wurde die christliche Idee von Men 
schen zu ihren Zwecken misshandelt 
und so wird auch mit Architektur 
Schindluder getrieben. Es werden For 
mensprachen von einer Avantgarde 
entwickelt und von unzähligen schlecht 
verstanden kopiert und uminterpre 
tiert. Das wird aber auch z.B. mit dem 
I-mac Design passieren oder, wenn eine 
Automarke ein Erfolgsdesign auf den 
Markt bringt. 
Was sagen Sie zur Architektur in unse 
rer Region? 
In der Region gibt es gute und eben 
so weniger gute bis schlechte Beispiele. 
Es gibt moderne Architektur, die ich als 
echt bezeichne, als Ausdruck einer Ge 
sellschaft, welche an Computern sitzt 
und Auto fährt und mit den Flugzeugen 
unterwegs ist. Auf der anderen Seite 
gibt es einen Ausdruck, welcher sich ge 
gen die moderne wirtschaftliche Ent 
wicklung sträubt und eine Flucht in die 
Vergangenheit betreibt. Also am Feier 
abend nicht eine digitale Uhr, sondern 
eine Kuckucksuhr an der Wand vor 
zieht. Dass dabei viele Klischees ver 
Hansjörg Hilti ist Architekt sowie Fachhochschul-Studienleiter. 
wendet werden ist auch klar - darum in 
meinen Augen aber unecht. Die von Po 
litikern kreierten Bauordnungen spre 
chen oft diese Sprache. Da will man 
Dörfer mit dem Ausdruck einer Bau 
erngesellschaft - aber bitte ohne Mist 
haufen - erhalten, indem Giebeldächer 
oder Fenstersprossen vorgeschrieben 
werden, ohne eine wirkliche Begrün 
dung zu haben. 
Wie sehen Ihre architektonischen Zu 
kunftsvisionen für unser Land aus? 
Mein Traum ist, dass sich an 
und um unseren Fachbereich Architek 
tur der Fachhochschule Liechtenstein 
eine Architekturbewegung bzw. 
Diskussion entwickelt, welche dem 
Verständnis für moderne Architektur 
in der Region zum Durchbruch ver 
hilft. 
Einfamilienhaus in Vaduz, Architekt Martin Erhart, Schaan. 
Mehrfamilienhaus in Triesen, Architekt Silvio Marogg, Triesen. 
(Bilder: E. Wohlwend)
	        

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