Liechtensteiner Volksblatt
Ausland
Freitag, 14. April 2000 31
Nachrichten
Für Aufhebung des
Embargos
STRASSBURG: Im Konflikt zwischen dem
UNO-Sicherheitsrat und Irak hat sich das EU-
Parlament unter Vorbehalten für eine Aufhe
bung des Embargos gegen Bagdad ausgespro
chen. In einem am Donnerstagabend verab
schiedeten Entschluss forderten die EU-Abge-
ordneten den Sicherheitsrat auf, den Wortlaut
der umstrittenen Resolution 1284 klarzustellen
und genau zu erklären, was von der irakischen
Regierung erwartet werde. Auf der anderen Sei
te müsse Bagdad eine Zusammenarbeit mit den
Vereinten Nationen akzeptieren. Danach solle
das Wirtschaftsembargo gegen Irak zügig aufge
hoben werden. Durch das Embargo werde al
lein die Zivilbevölkerung bestraft, ohne dass da
durch das irakische Regime geschwächt werde,
hiess es weiter.
Prozess gegen
13 Juden vertagt
TEHERAN: Nach nur einer Stunde ist am Don
nerstag in Iran der Prozess gegen 13 Juden ver
schoben worden, denen Spionage für Israel und
die USA vorgeworfen wird. Ein neuer Termin
für die Verhandlung im Revolutionsgericht von
Schiras im Süden des Landes wurde zunächst
nicht genannt. Die Anwälte der iranischen An
geklagten hatten um Verschiebung wegen des
jüdischen Osterfestes (Pessach) gebeten, wie ein
Justizsprecher sagte. Drei der Angeklagten, die
gegen Kaution auf freien Fuss gesetzt worden
waren, waren nicht in Schiras erschienen. Den 13
Juden droht die Todesstrafe. Die Verhandlung
fand hinter verschlossenen Türen statt. Vor dem
Gebäude versammelten sich Hunderte von
Menschen, unter ihnen Angehörige und Diplo
maten aus der Schweiz, den Niederlanden und
Südafrika. Die jüdische Gemeinde Irans hat
rund 27 000 Mitglieder. Das iranische Strafge
setz sieht ausdrücklich die Todesstrafe bei Spio
nage für die USA und Israel vor.
Fall Eliän: Clinton
meldet sich zu Wort
WASHINGTON: Im Sorgerechtsstreit um den
kubanischen Flüchtlingsjungen Elian Gonzalez
hat sich am Donnerstag der amerikanische Prä
sident Bill Clinton zu Wort gemeldet. Kurz vor
Ablauf der den Verwandten Elians gesetzten
Frist zur Übergabe des Jungen an seinen Vater
erklärte Clinton vor Journalisten in Washing
ton, im Fall Elian müsse das Prinzip des Rechts
Gültigkeit behalten. In dem Streit gehe es exakt
um dies Prinzip. Er selbst habe alles getan, um
sich aus dem Streit heraus zu halten, der längst
in den USA wie auf Kuba eine politische Di
mension angenommen hat. Der Vater Elians,
ein Kubaner, wartet in Washington auf seinen
Sohn, der als Schiffbrüchiger in die USA ge
kommen war und auf der Flucht von Kuba sei
ne Mutter beim Untergang des Schiffes verlo
ren hatte. Seine Verwandten in Florida, die ihn
aufnahmen, verweigern die Übergabe des Jun
gen an den Vater. Sie wollen ihn in den USA be
halten, weil Elian dort ein besseres Leben habe.
Die amerikanische Justizministerin Janet Reno
hatte am Mittwoch vergeblich versucht, die An
gehörigen Elians zum Einlenken zu bewegen.
Nach Ablauf der Frist am Donnerstag (20.00
Uhr MESZ) droht die zwangsweise Überstel
lung des Jungen.
Georgien: Todesstrafe
wird abgeschafft
STRASSBURG: Als eines der letzten Länder
Europas wird nun auch Georgien die Todesstra
fe abschaffen. Wie der Europarat in Strassburg
mitteilte, ratifizierte Georgien am Donnerstag
das europäische Protokoll zur Abschaffung der
Todesstrafe, das in dem Land am 1. Mai in Kraft
tritt. Vier der 41 Europaratsländer - Polen,
Russland, Albanien und die Türkei - haben das
Protokoll bisher nicht ratifiziert; die Türkei ist
das einzige Mitgliedsland des Europarates, wel
ches das Protokolls bisher auch nicht unter
zeichnete.
Fujimori verpasst Mehrheit
Fujimori muss sich einer Stichwahl stellen
LIMA/WASHINGTON: Über
den künftigen Präsidenten Pe
rus wird in einer Stichwahl ent
schieden. Amtsinhaber Alber
to Fujimori verfehlte die abso
lute Mehrheit im ersten Wahl
gang hauchdünn.
Fujimori kam nach Angaben der
Wahlkommission in Lima vom
Mittwochabend (Ortszeit) auf 49,89
Prozent der Stimmen. Auf seinen
schärfsten Widersacher Alejandro
Toledo entfielen nach Auszählung
von knapp 98 Prozent der abgege
benen Stimmen 40,31 Prozent.
Das amtliche Endergebnis der
Wahl vom Sonntag steht nach An
gaben der Wahlkommission erst
fest, wenn auch die im Ausland ab
gegebenen Stimmen ausgezählt
sind. Doch auch mit den noch aus
stehenden Stimmen könnte Fujimo
ri nicht mehr die erforderliche abso
lute Mehrheit erreichen.
Indem der Weg für eine zweite
Wahlrunde im Mai oder Anfang Ju
ni frei wurde, entspannte sich die in
nenpolitische Lage. Sie hatte sich
durch einen als äusserst unfair kriti
sierten Wahlkampf Fujimoris, durch
zahlreiche Unregelmässigkeiten am
Wahltag und durch eine ungewöhn
lich langsame Auszählung der Stim
men zugespitzt.
Internationale Beobachter und
Toledo selbst hatten Fujimori Wahl
betrug vorgeworfen. Die USA und
EU-Botschafter hatten Fujimori
dringend davor gewarnt, eine Stich
wahl zu verhindern.
Jubel in Lima
Das Verfehlen der direkten Wie
derwahl Fujimoris wurde von Zehn
tausenden von Menschen in der
Öas Verfehlen der direkten Wiederwahl Fujimoris wurde von Zehntausenden von Menschen in der Hauptstadt
Lima bejubelt.
Hauptstadt Lima bejubelt. «Demo
kratie hat Uber Betrug gesiegt», sag
te Toledo vor seinen Anhängern.
«Wir wollen einen sauberen zweiten
Wahlgang», sagte der 54-jährige Ha-
vard-Absolvent vom Balkon eines
grossen Hotels. Toledo zeigte sich
dort mit seiner belgischen Frau, sei
ner Tochter und den anderen Präsi
dentenschaftskandidaten der Op
position. Diese hatten zwar nur äus
serst geringe Stimmenanteile er
zielt, verfügen aber zum Teil über
eine gut organisierte Parteibasis.
Das US-Aussenministerium in
Washington begrüsste das Wahl
ergebnis ausdrücklich. «Wir befür
worten, dass kein Kandidat im
ersten Wahlgang die absolute Mehr
heit errungen hat», sagte ein Vertre
ter des Ministeriums.
«Es ist ein erster Schritt in Rich
tung der Wiederherstellung der
Glaubwürdigkeit», sagte er. Das
Aussenministerium forderte die
Regierung in Lima auf, für die Stich
wahl das höchstmögliche Mass an
Transparenz zu gewährleisten. Da
von hingen die Legitimität und die
Glaubwürdigkeit des nächsten
Staatschefs ab. Der neue Staatschef
tritt sein Amt am 28. Juli für fünf
Jahre an. Politische Beobachter
räumten Toledo eine reelle Chance
auf den Sieg ein.
Toledo, der sich vom Schuhputzer
zum Weltbankfunktionär emporge
arbeitet hat, ist der erste politische
Opponent Fujimoris, der fast alle
Gegner des japanischstämmigen
Präsidenten um sich scharen kann.
Er betonte, ohne den «massiven
Wahlbetrug der Regierung» wäre er
schon in der ersten Runde auf 56,8
Prozent gekommen.
Gefangenenrevolte im Kosovo
KFOR befreit Direktor - Iriter-religiöse Gemeinschaft für Menschenrechte gegründet
PRISTINA/PRIZREN: Inhaftierte
Kosovo-Albaner haben in einem
Gefängnis in der Stadt Prizren den
Direktor als Geisel genommen und
den Mann erst nach einem Einsatz
der deutschen KFOR- Militärpoli
zei freigelassen.
Etwa 20 Gefangene hätten den Lei
ter der Anstalt am Mittwoch in ihre
Gewalt gebracht, teilte die KFOR
am Donnerstag in Pristina mit. Ein
Sprecher der UNO-Polizei in Pristi
na sagte, die Revolte habe ihre Ur
sache in den Haftbedingungen ge
habt, gegen die protestiert worden
sei.
Acht Gefangene wurden vernom
men. Eine Untersuchung sei einge
leitet worden, teilte ein deutscher
Offizier in Prizren mit.
Unterdessen haben sich die reli
giösen Führer von Moslems, Katho
liken und Orthodoxen im Kosovo
zu einem gemeinsamen Vorgehen
gegen Gewalt und Menschenrechts
verletzungen verpflichtet. Dazu sei
am Donnerstag in Pristina ein inter
religiöser Rat gegründet worden,
erklärten die Kirchen und Glau
bensgemeinschaften auf einer Pres
sekonferenz.
Die Religionsführer verurteilten
in einem Fünf-Punkte-Plan Gewalt
und Verletzungen der Menschen
rechte.
Nach dem Treffen hiess es, es ge
be eine Verpflichtung zur Zusam
menarbeit. So solle der demokrati
sche Aufbau in den Kommunen un
terstützt werden. Gemeinsam solle
auch der Wiederaufbau von zerstör
ten Kirchengebäuden angegangen
werden.
Starke Zugewinne der MDP
Südkoreas Oppositionspartei bleibt stärkste Kraft im Parlament
SEOUL: Bei den Parlamentswah
len am Donnerstag in Südkorea hat
die Partei von Präsident Kim Dae
Jung ihr Ziel verfehlt, stärkste Frak
tion zu werden. Dennoch konnte
Kims Demokratische Millenniums
partei (MDP) starke Zugewinne
verbuchen.
Nach Auszählung von mehr als 95
Prozent der Stimmen in 227 Wahl
kreisen hatte die MDP Aussicht auf
115 der insgesamt 273 Sitze im Par
lament. Die Grosse Nationalpartei
(GNP) von Oppositionsführer Lee
Hoi Chang bleibt danach mit ver
mutlich 132 Abgeordneten stärkste
Kraft in der neuen Volksvertretung.
Das berichtete die staatliche
Wahlkommission am Freitagmor-
gen (Ortszeit). Politische Beobach
ter schlössen nicht aus, dass die
MDP erneut versuchen wird, einen
Koalitionspartner an sich zu binden.
Ein Bündnis mit den Vereinten Li-
beral-Demokraten (ULD), die den
vorliegenden Ergebnissen zufolge
mit 19 Sitzen drittstärkste Kraft
wird, wurde im Februar aufgelöst.
Nach Angaben der Wahlkommis
sion lag allerdings die Wahlbeteili
gung bei einem Rekordtiefststand.
Die geringe Beteiligung von 57,2
Prozent der 33,5 Millionen Stimm
berechtigten wurde auf die allge
meine Politikverdrossenheit im
Land zurückgeführt. Als weiteren
Grund wurde*genannt, dass erst
mals Informationen über Vorstra
fen und Steuervergehen von Kandi
daten über das Internet allgemein
zugänglich gemacht wurden.
Test für Reformkurs
Die Wahlen galten auch als Ab
stimmung Uber die Reformpolitik
von Präsident Kim. Von der Wahl
erhoffte sich die Regierung ein kla-
Die Wähler waren aufgerufen, ein neues Parlament zu bestinunen.
res Mandat zur Fortsetzung ihres
Reformkurses. Seit Kims Amtsan
tritt im Februar 1998 konzentrierte
sich die Regierung vor allem auf die
Reformierung der krisengeschüttel
ten Wirtschaft. Nach einer schweren
Rezession im Gefolge der Asien-
Krise war die Wirtschaft im vergan
genen Jahr wieder um 10,7 Prozent
gewachsen. Von den 273 Sitzen im
Parlament wurden 227 direkt ge
wählt. Die übrigen 46 Mandate wer
den nach dem Verhältniswahlrecht
vergeben. Die konservative GNP
stellte im bisherigen Parlament mit
122 Mandaten die stärkste Fraktion
vor der MDP mit 98.
Vor Gipfeltreffen
Die Wahlen standen unter dem
Eindruck des geplanten Gipfeltref
fens mit dem kommunistischen
Nordkorea. Nach der überraschen
den Ankündigung der Regierung
vom Montag, dass Präsident Kim im
Juni zu einem historischen Gipfel
mit dem nordkoreanischen Macht
haber Kim Jong II nach Pjöngjang
reisen werde, hatten Experten einen
Bonus für die MDP erwartet.