Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2000)

Liechtensteiner Volksblatt 
Ausland 
Dienstag, 4. April 2000 21 
Nachrichten 
Stärkere Beteiligung 
am Friedensprozess 
BETHLEHEM: Palästinenserpräsident Jassir 
Arafat hat die Europäische Union (EU) zu stär 
kerer Beteiligung am Friedensprozess im Na 
hen Osten aufgefordert. Die europäische Betei 
ligung an palästinensischen Investitionsvorha 
ben sei unerlässlich. Arafat traf sich am Montag 
mit dem niederländischen Ministerpräsidenten 
Wim Kok zum Gespräch in Bethlehem. Der nie 
derländische Gast erhielt aus den Händen des 
Palästinenserpräsidenten die Bethlehem 2000- 
Medaille. Kok besuchte am zweiten und letzten 
Tag seiner Reise die Sehenswürdigkeiten von 
Bethlehem und das Flüchtlingslager Deheische 
am Rande der palästinensischen Stadt. 
Vergewaltigung - ein 
Kriegsverbrechen 
STRASSBURG: Der Europarat will die Verge 
waltigung in bewaffneten Konflikten als Kriegs 
verbrechen ächten. Die 41 Mitgliedsregierun 
gen der Staatenorganisation sollten entspre 
chende Schritte einleiten. Dies beschloss der 
Rat am Montag in Strassburg. In einem zweiten 
Bericht forderte die Versammlung rechtliche 
Massnahmen zur Bekämpfung der allgemeinen 
Gewalt gegen Frauen. Vergewaltigung in der 
Ehe sollte in allen Europaratsländern als 
Straftat eingestuft werden. In den letzten zehn 
Jahren habe die Gewalt gegen Frauen deutlich 
zugenommen, hiess es in dem Bericht der Par 
lamentarier. In Europa würden je nach Land 
zwischen 20 bis über 50 Prozent der Frauen Op 
fer häuslicher Gewalt. 
Mehrere Tausend 
Tamilen demonstrieren 
GENF: Rund 6000 Tamilen haben am Montag 
in Genf gegen die Regierung Sri Lankas de 
monstriert. Kundgebungsteilnehmer lancier 
ten einen Appell an die UNO-Menschen- 
rechtskommission, die noch bis zum 28. April 
in Genf tagt. Die Tamilen, die aus der Schweiz 
und Europa anreisten, marschierten vom 
Bahnhof aus vor das UNO-Gebäude. Mehr als 
60 000 Zivilisten seien in Sri Lanka seit Beginn 
des Bürgerkriegs von Regierungstruppen 
getötet worden, erklärten Vertreter der inter 
nationalen Tamilen-Föderation (FIT). Die De 
monstranten denunzierten «Massen-Verhaf 
tungen, Inhaftierungen ohne Prozess sowie 
Morde von Angehörigen der tamilischen Min 
derheiten» in Sri Lanka. Im Norden und Osten 
der Insel seien Massengräber gefunden wor 
den. Die UNO-Menschenrechtskommission 
wurde aufgefordert, die «Kriegsverbrechen» 
der srilankischen Regierung zu verurteilen. 
Die Schweiz und andere europäische Regie 
rungen wurden aufgefordert, keine abgewiese 
nen tamilischen Asylbewerber in ihre Heimat 
zurückzuschicken. 
UNO will Zahl der 
Armen halbieren 
NEW YORK: Mit einem neuen Aktionsplan 
wollen die Vereinten Nationen die Zahl der Ar 
men weltweit bis zum Jahr 2015 halbieren. 
UNO-Generalsekretär Kofi Annan legte den 
Plan am Montag in New York vor. Der Bericht 
unter dem Titel «Wir, die Menschen: Die Rolle 
der Vereinten Nationen im 21. Jahrhundert» soll 
als Grundlage für den «Millenniumsgipfel» die 
nen, zu dem Staatsoberhäupter und Regierungs 
chefs aller 188 UNO-Mitgliedsstaaten vom 6. 
bis 8. September in New York zusammenkom 
men. «Die besondere Herausforderung ist es, 
aus der Globalisierung mehr als nur grössere 
Märkte zu machen», erklärte Annan der UNO- 
Vollversammlung bei der Vorlage seines Be 
richts. «Wir müssen lernen, besser zu regieren 
und vor allem mehr zusammen zu regieren.» Zu 
den Vorschlägen gehört ein «UN Information 
Technology Service», eine Initiative freiwilliger 
Informatiker, die die Bevölkerung in Entwick 
lungsländern kostenlos in die Benutzung des 
Internets und in Informationstechnologien' ins 
gesamt einführen sollen. 
«Freiheit statt Sozialismus 
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Blocher legt «Aufruf an die Sozialisten in allen Parteien» vor 
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ZÜRICH: Unter dem Titel 
«Freiheit statt Sozialismus» 
heizt Christoph Blocher in ei 
nem 24-seitigen Grundsatzpa 
pier die von ihm gestartete 
«Totalitarismusdebatte» wei 
ter an. Im Visier hat er vor al 
lem die SP, die scharf reagiert. 
Kritik kommt auch von bürger 
licher Seite. 
Nationalsozialismus, Faschismus 
und Sozialismus hätten gemeinsa 
me geistige Wurzeln, lautet die zen 
trale These des in einer Auflage von 
- zunächst - 20 000 Exemplaren ge 
druckten Referats, das der Zürcher 
SVP-Nationalrat am Montag den 
Medien vorstellte. Alle diese Ideo 
logien hätten als Ziel eine möglichst 
unbeschränkte Staatsmacht. 
Blocher, der sich nicht im Namen 
der SVP, sondern als Privatperson 
äusserte, verhehlte nicht, dass seine 
Thesen nicht neu sind. Die Zeit sei 
aber offenbar reif, um darüber zu 
diskutieren. 
Im Januar hatte Blocher in seiner 
Albisgüetlirede die SP massiv ange 
griffen. Die Sozialisten, die so 
leichtfertig mit Faschismusvorwür 
fen um sich würfen, ständen «mit 
der Vergötterung des allumfassen 
den Staates, der Überbetonung 
des Kollektivs und der Missachtung 
der Freiheit des Einzelnen» dem 
faschistischen Weltbild weit näher 
als die SVP. 
Weil sich die SVP nicht von Blo 
chers Aussage distanzieren wollte, 
liess die SP die Bundesratsparteien 
gespräche im Vorfeld der Von-Wat- 
tenwyl-Gespräche platzen. 
Christoph Blocher heizt die «Totalitarismusdebatte» weiter an. 
Das «süsse Gift» Sozialismus 
Nationalismus und Faschismus 
seien militärisch niedergekämpft 
und danach gesetzlich geächtet wor 
den, präzisiert Blocher nun im neu 
esten Papier. Der Sozialismus habe 
aber lediglich «einen wirtschaftli 
chen und intellektuellen Bankrott» 
erlebt und könne jederzeit und übe 
rall wieder auferstehen. Das Pam 
phlet richtet sich zwar «an die So 
zialisten in allen Parteien», in Blo 
chers Schusslinie ist aber vor allem 
die SP Schweiz, die sich immer mehr 
von einer reformerischen Sozialde 
mokratie entfernt und zur sozialisti 
schen Partei gewandelt habe. Tota 
litäre Tendenzen sieht Blocher übe 
rall in der heutigen Schweizer Poli 
tik, von den Steuervorstössen der 
SP bis zur Verkehrshalbierungs 
initiative. Als «äusserst problema 
tisch» bezeichnete er die Tendenzen 
von Regierung und Verwaltungen, 
in Abstimmungskampagnen einzu 
greifen. 
SP: «Intoleranz» 
Nichts Überraschendes lautet der 
Tenor bei den Bundesratsparteien 
auf Blochers neusten Wurf. Blocher 
organisiere eine «systematische 
Hetzkampagne gegen alle, die auch 
nur in kleinen Fragen anders den 
ken», hiess es bei der SP. Die Schrift 
zeuge von «Intoleranz» und von 
Unfähigkeit zum Dialog. Dies sei 
nicht neu, zeige aber «unterdessen 
schon krankhafte Züge». «Dem 
Traktätchen haftet der Geruch des 
Sektiererischen an», kritisiert die 
CVP. Die Partei plädiere zwar auch 
dafür, dass der Einzelne selbstver 
antwortlich handle, so die CVP. 
Wenn jeder nur noch für sich 
schaue, führe dies zu einer Ellbo 
gengesellschaft. Dies widerspreche 
den Ideen der CVP. 
FDP: Ablenkungsmanöver 
Von einem Ablenkungsmanöver 
spricht die FDP. Blocher lenke da 
mit von der eigentlichen Debatte 
ab, die er führen müsste, nämlich, 
was er im Schilde führe. Blocher 
kämpfe gegen eine überholte Ideo 
logie. Von der SVP selber war am 
Montag keine Reaktion auf Blo 
chers Traktat zu erhalten. Blocher 
habe die Schrift unter seinem Na 
men veröffentlicht, sagte SVP-Par- 
teipräsident Ueli Maurer. 
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Bundesrat Ogi in Grossbritannien 
London begriisst Öffnung der Schweizer Sicherheitspolitik 
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LONDON: Grossbritannien be 
griisst die Öffnung der Schweizer 
Sicherheitspolitik. Dies sagte der 
britische Verteidigungsminister Ge- 
off Hoon am Montag anlässlich ei 
nes zweitägigen Besuches von Bun 
desrat Adolf Ogi in London. 
Hoon habe insbesondere die Statio 
nierung von Schweizer Soldaten im 
Rahmen der SWISSCOY im Koso 
vo gelobt sowie den Helikopterein 
satz «Alba» in Albanien, sagte Mar 
tin Bühler, Sprecher des Eidgenös 
sischen Departements für Verteidi 
gung, Bevölkerungsschutz und 
Sport (VBS), gegenüber der Nach 
richtenagentur sda. Ogi und Hoon 
erörterten die sicherheitspolitische 
Lage in Europa und besprachen 
Fragen von bilateralem Interesse. 
Das Gespräch habe die Freund 
schaft zwischen beiden Ländern 
zum Ausdruck gebracht, sagte 
Bühler. Dem Schweizer Verteidi 
gungsminister sei ein warmer Emp 
fang bereitet worden. Am Nachmit 
tag hielt Ogi im Königlichen Institut 
für Verteidigungsstudien einen Vor- 
Ogi (links) und Hoon erörterten die sicherheitspolitische Lage in Europa 
und besprachen Fragen von bilateralem Interesse. 
trag über die schweizerische Sicher 
heitspolitik 2000. Dabei erläuterte 
er das Konzept «Sicherheit durch 
Kooperation». Zusammenarbeit in 
der Sicherheitspolitik werde immer 
notwendiger, sagte Ogi. Die 
Schweiz sei keine Insel. Der Bun 
desrat wolle, dass die Schweiz bei 
Friedenseinsätzen ein vollwertiger 
Partner sei und strebe deshalb auch 
die Bewaffnung der Soldaten zur 
Selbstverteidigung an. 
Audienz bei Prinz Charles 
Ogi besuchte am Montag auch 
das Internationale Institut für Stra 
tegische Studien. Die Jahreskonfe 
renz dieses Instituts wird laut 
Bühler 2001 in Genf stattfinden. 
Am Abend war ein Treffen Ogis mit 
Mitgliedern der britisch- schweize 
rischen Parlamentariergruppe so 
wie ein Empfang durch Europami 
nister Keith Vaz im Lancaster Hou- 
se geplant. Am Dienstag folgt nach 
einem Gespräch mit dem Staatsse 
kretär für Kultur, Medien und 
Sport, Chris Smith, eine Audienz bei 
Prinz Charles. 
Keine US-Truppen nach israelischem Abzug 
Treffen von Levy und Annan am Dienstag 
JERUSALEM: Der amerikanische 
Verteidigungsminister William Co 
hen hält die Stationierung von US- 
Truppen in Südlibanon nach dem 
für Juli geplanten israelischen Ab 
zug für unwahrscheinlich. 
Er sagte am Montag nach einem 
Treffen mit dem israelischen Minis 
terpräsidenten Ehud Barak: «Ich 
glaube nicht, dass die USA in Südli 
banon präsent sein werden.» Cohen 
war am Sonntag zu Beginn einer 
zweiwöchigen Reise durch den Na 
hen Osten in Israel eingetroffen. Er 
wird unter anderem Jordanien, die 
Emirate, Kuwait und Saudi-Ara 
bien besuchen. 
Der libanesische Verteidigungs 
minister Chasi Saiter hatte am Wo 
chenende die Stationierung syri 
scher Truppen in Südlibanon ins 
Gespräch gebracht, was von Israel 
als '«völliginakzeptabel» bezeichnet 
wurde. 
Wahrend der israelische Aussen- 
minister David Levy in Jerusalem 
erste Sondierungen über eine inter 
nationale Puffertruppe für Südliba 
non begann, erklärten führende sy 
rische und libanesische Regierungs 
vertreter in Damaskus, sie seien 
weiter zu einem Frieden mit Israel 
bereit, wenn Jerusalem die entspre 
chenden UNO-Resolutionen voll 
verwirkliche. Nach seinem Ge 
spräch mit Cohen betonte Minister 
präsident Barak, er halte eine er 
hebliche Verstärkung der UNO- 
Blauhelmtruppen (UNFIL) in der 
so genannten Sicherheitszone nach 
dem Abzug für unnötig. Eine Eska 
lation der Lage sei nicht wahr 
scheinlich. «Israel ist der stärkste 
Staat in der Region. Ich glaube, nie 
mand würde es gegenwärtig wagen, 
sich mit uns zu messen.» 
Israelische Aussenminister Levy 
kündigte jedoch an, er werde am 
Dienstag in Genf mit UNO-Gene 
ralsekretär Kofi Annan zusammen 
treffen. Thema des Gesprächs wird 
die Aufstellung einer internationa 
len Schutztruppe für Südlibanon 
sein. In Damaskus erklärten Syriens 
Aussenminister Faruk ei Schara und 
der libanesische Ministerpräsident 
Salim Hoss. beide Länder seien be 
reit, ihre Beziehungen zu Israel zu 
normalisieren.
	        

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