Liechtensteiner Volksblatt
Land und Leute
Samstag, 25. März 2000 11
Versicherung gegen Schäden von «Lothar»
Interview mit Carl Kaiser, dem Präsidenten der Liechtensteinischen Versicherungsfachleute, über Neuerungen bei der Elementarversicherung
Das Jahr 1999 war ein Katastro
phenjahr. Nach den Lawinen ka
men die Überschwemmungen, auf
Erdbeben folgten gewaltige Stür
me. Schäden aus Naturkatastro
phen, die in Liechtenstein in klei
nerem Ausmass auch eintreten
können, sind versicherbar. Carl
Kaiser, der Präsident der Liech
tensteinischen Versicherungsfach
leute, gibt im nachfolgenden In
terview Auskunft Ober geplante
Änderungen und Anpassungen
beim Gesetz über Brand- und Ele
mentarschäden.
Wellweit passieren immer wieder Na
turkatastrophen, die grosse Schäden
anrichten. Solche Schadensfälle kön
nen über die Elementarversicherungen
abgedeckt werden. Ist das in unserem
Land auch notwendig?
Carl Kaisen Selbstverständlich. Zum
Glück wurden wir in Liechtenstein in
den letzten Jahrzehnten seit dem
Rheineinbruch 1927 vor ganz grossen
Katastrophen verschont. Aber Schäden
durch Naturgewalten sind immer wie
der entstanden. Beispielsweise bei Rü-
fenniedergängen, bei kleineren Über
schwemmungen. Ich erinnere aber auch
die Hangrutschungen vor einigen Jah
ren in Triesenberg, die etliche Wohn
häuser in Mitleidenschaft zogen. Vor al
lem aber möchte ich die Lawinennie
dergänge im letzten Winter in Malbun
erwähnen, die sicher noch in Erinne
rung sind. Es gibt nicht nur ganz grosse
Katastrophen, sondern auch kleinere
Fälle, die auch in unserem Land vor
kommen und durchaus erhebliche
Schäden anrichten können. Unter Ele
mentarschäden verstehen die Versiche
rungen neben den Brandfällen auch
Hochwasser, Schäden durch Stürme
oder Hagel, Lawinen oder Schnee
druck, ebenso Felsstürze, Steinschlag
und Erdrutsche.
Das Gesetz über die Versicherung von
Brand- und Elementarschäden soll ei
ner Revision unterzogen werden. Gibt
es Veränderungen, die eine Anpassung
des Gesetzes notwendig machen?
Der EWR-Beitritt Liechtensteins hat
auch auf dem Sektor der Versicherun
gen zu Veränderungen geführt. Bis zum
EWR-Beitritt waren nur schweizeri
sche Versicherungen in unserem Land
tätig. Seither können auch Versicherun
gen aus dem EWR-Ausland oder auch
aus Liechtenstein selbst ihre Dienstleis
tungen anbieten. Heute haben wir in
Liechtenstein nicht weniger als 35 Ver
sicherungen, die im Unterschied zu
früher nicht einen einheitlichen Versi-
cherungsumfang und damit auch keine
einheitlichen Tarife anbieten.
Wie sieht das aus der Sicht der Versi
cherungen, wie aus der Sicht der Versi
cherten aus?
Gleiche Versicherungsprodukte be
deuteten früher praktisch einheitliche
Tarifstrukturen. Heute profitieren die
Kunden von der Vielfalt der Produkte
und können auch von den freien Tarifen
profitieren, wenn sie Preise und Leis
tungen miteinander vergleichen. Die
Versicherungen haben es einerseits
schwieriger, anderseits einfacher.
Schwieriger deshalb, weil starke Kon
kurrenz und ein grosser Preiskampf
herrscht, leichter deshalb, weil der freie
Markt die Erarbeitung von innovativen
Produktepaletten erlaubt.
Carl Kaiser, Präsident der Liechtensteinischen Versicherungsfachleute, über die
Neuerungen bei der Elementarversicherung: «Es gibt nicht nur ganz grosse Kata
strophen, sondern auch kleinere Fälle, die auch in unserem Land vorkommen und
durchaus erhebliche Schäden anrichten können.» (Archivbild)
Weshalb soll nun das Gesetz über die
Brand- und Elementarschäden ab
geändert werden?
Die grössere Zahl von Versicherungs
unternehmen, die auf dem Markt
Liechtenstein tätig sind, verlangen nach
einer Vereinheitlichung der Rahmen
bedingungen. Mit der Liberalisierung
des Versicherungsmarktes zählen nicht
nur schweizerische Unternehmen, son
dern zunehmend auch Gesellschaften
aus EWR-Ländern zu den Anbietern.
Ganz besonders aber drängt sich eine
Revision des Gesetzes in bezug auf den
sogenannten Elementarpool auf, den
die schweizerischen Versicherungen auf
ihrem Heimmarkt geschaffen haben,
um Risiken abzudecken.
EWR-rechtlich wird es schwierig
sein, wenn nun liechtensteinische
oder EWR-Versicherungen in diesen
Schweizer Pool integriert werden sol
len, damit alle gleiche Bedingungen
haben. Anderseits drängt sich aber ei
ne ähnliche Lösung für die Brand-
und Elementarversicherungen auf
dem Platz Liechtenstein auf. Der Ent
wurf der Regierung sieht die Ver
pflichtung für die Gebäudeversiche
rungen vor, einem Vertrag zum Aus
gleich der Elementarschäden beizu
treten. Damit wäre das schweizerische
Modell in etwa auch in unserem Land
verwirklicht, dem auch die Versiche
rungen aus dem Ausland beitreten
müssen.
Betrifft die Liberalisierung bei den
Versicherungen auch die Besitzer von
Häusern, die nun frei entscheiden kön
nen, ob sie eine Versicherung abschlies-
sen wollen?
So weit geht das Gesetz auch in der
Vernehmlassungsvorlage nicht. Das
bisherige System, wonach alle in Liech
tenstein bestehenden Gebäude obliga
torisch zu versichern sind, wird weiter
geführt. Von der Versicherungspflicht
ausgenommen sind kleine Gebäude mit
einem Neuwert von weniger als 10 000
Franken sowie für Hütten und Ba
racken, die nur für einen bestimmten
Zeitraum aufgestellt werden. Diese
Versicherungspflicht erscheint viel
leicht fast wie ein Zwang, weil in unse
rem Land glücklicherweise wenige
Brandfälle und Elementarschäden pas
sieren. Aber die Hangrutschungen in
Triesenberg vor einigen Jahren, die La
winenniedergänge in Malbun oder die
Überflutung von Kellern in Ruggell, die
teilweise erhebliche Schäden verur
sachten, lassen es als richtig erscheinen,
wenn für alle Gebäude verpflichtend ei
ne Versicherung abgeschlossen werden
muss.
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