Liechtensteiner Volksblatt
FBPL-Parteitag
Dienstag, 21. März 2000 3
«Wir setzen Akzente!»
Programmatische Rede des neuen FBPL-Präsidenten Dr. Ernst Walch - Diskussionsoffensive zur Verfassung
«Insbesondere in der Verfassungs
frage dürfen wir keine halbe
Sache machen», unterstrich Dr.
Ernst Walch gestern am Parteitag
der FBPL in Vaduz. In seiner pro
grammatischen Rede kündigte
der neue Präsident daher eine
grosse Diskussionsoffensive der
Bürgerpartei in den Gemeinden
an. «Unser Ziel ist es», so Ernst
Waich dazu, «dass die ganze Be
völkerung umfassend informiert
ist und nicht in Angst oder Unwis-
sen, sondern verantwortungsbe-
wusst einen Verfassungsvorschlag
beschliesst, der eine solide Grund
lage für unser Zusammenleben in
diesem neuen Jahrhundert dar
stellt.»
Nach der glanzvollen Wahl des neuen
Präsidiums bedankte sich Ernst Walch
vorerst im Namen aller Gewählten bei
den Parteitagsbesuchern recht herzlich
für das Vorschussvertrauen. «Gleichzei
tig bitte ich Euch», so der neue Partei
präsident, «uns ein Jahr lang auch wirk
lich zu vertrauen. Wir werden alles tun,
Euere Erwartungen zu erfüllen, so wie
ich auf Euch zähle, dass Ihr unsere Er
wartungen erfüllt. Setzen wir Akzente.»
Die Aussichten in die politische Ar
beit skizzierte Dr. Ernst Walch am ges
trigen FBPL-Parteitag dann wie folgt:
«Grundlage dafür ist, dass die Festle
gung und Umsetzung der politischen
Schwerpunkte im Gespräch mit Euch
erfolgen, dass Ihr besonders in diesem
Jahr wachsam seid und Euch politisch
engagiert. Stellt Euch zur Verfügung.
Macht mit in Diskussionsrunden, bringt
Euch ein, helft überzeugen,steht ein für
die, denen Ihr Euere Vertretung anver
traut. Unsere Grundhaltung ist kon
struktiv, nicht destruktiv, nicht zer
störend, sondern aufbauend.
Wir machen nicht
Opposition um der
Opposition willen.
Grundlage ist auch, dass wir in Land
tag und Regierung derzeit in der Oppo
sition sind und diese Rolle, wie es in ei
ner funktionierenden Demokratie sein
muss, auch spielen. Das heisst: Kontrol
le ausüben und Alternativen aufzeigen.
Es ist nicht alles schlecht, was in unserer
Landespolitik derzeit geschieht, aber
vieles, wirklich vieles könnte besser
sein. Wir kritisieren nicht einfach alles,
was oder weil es von der jetzigen Mehr
heit kommt. Aber wir erlauben uns, auf
zudecken, Hintergründe aufzuzeigen,
transparent zu machen und andere Vor
schläge einzubringen. Die Wähler kön
nen dann die aus ihrer Sicht bessere Lö
sung wählen. Man wird uns Polemik
und niedere parteitaktische Motivation
vorwerfen. Das wird mich nicht beein
drucken, schon gar nicht mundtot ma
chen. Die Bürgerpartei hat tatsächlich
zu verschiedenen, wesentlichen The
men eine eigene Meinung und Einstel
lung. Diesbezüglich unterscheiden wir
uns von den anderen politischen Kräf
ten in unserem Land. In einer Demo
kratie haben wir die Pflicht, die Unter-'
schiede aufzuzeigen. Dies abzutun mit
parteitaktischer Motivation ist undemo
kratisch oder der untaugliche, da erkann
te Versuch, von der Sache abzulenken.
Grundlage unserer Arbeit ist über
dies der feste Wille, die Politik in unse
rem Land wieder bestimmend mitzuge-
stalten. Wir machen nicht Opposition
um der Opposition willen, sondern un
ser Ziel ist es, mit den besseren Ideen
und Personen wieder an die - wohlver
standen nicht nur in die - Regierung zu
kommen.
Telekommunikation
ist für modernen
Dienstleistungsplatz
wie Liechtenstein das
Rückgrat
An Sachthemen mangelt es wahrlich
nicht. Diese alle zu kommentieren und
Alternativen aufzuzeigen würde den
Rahmen dieser Rede und dieses Partei
tages sprengen. Ich verweise zunächst
auf das Faltblatt der Fraktion, das Euch
heute Abend vorliegt und vom Frak
tionssprecher Gebhard Hoch bereits
vorgestellt wurde.
Ich erinnere an die Telefonie. Es ist
unerträglich, wie dilettantisch die Re
gierung diese Agenda führt bzw. eben
nicht zu führen fähig ist. Einerseits be
laufen sich die Ertragsausfälle für den
Staat jetzt schon auf 10 bis 12 Millionen
Franken, andererseits hatte er schon
Aufwendungen von 4 bis 5 Millionen
Franken. Die Schäden für unsere Volks
wirtschaft und die einzelnen Betriebe
sind riesig. Der Vertrauensschaden in
unser hochentwickeltes Dienstleis
tungswesen, insbesondere aus Sicht der
internationalen Kunden, wird uns
noch lange belasten und auf den Ruf
unserer sprichwörtlichen Zuverlässig
keit negative Auswirkungen haben.
(Bemerkte doch einer, dass die Telefo
nie sogar in Afghanistan, Kurdistan und
Dagastan besser funktioniere als in
Liechtenstan.)
Die Telekommunikation ist für einen
modernen Dienstlcistungsplatz wie
Liechtenstein das Rückgrat, die Nabel-
Ein Dankeschön
an das Präsidium
An den Beginn seiner Ansprache
stellte der neue FBPL-Präsident Dr.
Ernst Walch einige Worte des Dankes:
«Zuallererst ist es mir ein Bedürfnis,
den scheidenden Präsidiumsmitglie
dern von Herzen zu danken. Es sind
dies Martin Jehle und Johannes Matt
als Vizepräsidenten, Martha Spiegel
als Vertreterin der Frauen in der
FBPL, Toni Nägele als Finanzrefe
rent, Peter Sele als Vertreter der
Obleute und Otmar Hasler als Beisit
zer. Fraktionssprecher Gebhard Hoch
als Vertreter der Landtagsfraktion
und unserem Geschäftsführer Marcus
Vogt, die wie im alten auch im neuen
Präsidium weiterwirken werden, dan
ke ich im Namen von Euch allen auf
richtig. Ich freue mich auf eine erfolg
reiche Zusammenarbeit.
Besonders hervorzuheben und zu
danken ist Dr. Norbert Seeger als Par
teipräsident. Er hat dieses Amt selbst
los übernommen, in einer der schwie
rigsten Zeiten der Partei, in der für
uns alle unbekannten Rolle der Op
position, oft genug allein gelassen, kri
tisiert für Sachen, die er weder einge
brockt noch verschuldet hat, für die er
aber verantwortlich gemacht wurde,
in einer äusserst schwierigen finanzi
ellen Lage, in einer Zeit weitverbrei
teter Politik- und Parteiverdrossen
heit, in einer Zeit grosser Veränderun
gen und Unsicherheit. Und trotzdem
kann er zusammen mit den genannten
scheidenden Präsidiumsmitgliedern
eine Parteistruktur auf geordneter
Basis übergeben. Er hat diese schwie
rige Zeit überbrückt. Wer von uns wä
re eingesprungen und hätte das ge
schafft?
Lieber Norbert, Martin, Johannes,
liebe Martha, lieber Otmar,Toni, Pe
ter, Gebi und Marcus: Wir danken
Euch mit einem gewaltigen Applaus!»
Der nette Präsident der FBPL, Dr. Ernst Walch, über die Diskussionsoffensive der
Biirgerpartei zur Verfassungsfrage:« Unser Ziel ist, dass die ganze Bevölkerung um
fassend informiert ist und nicht in Angst oder Unwissen, sondern verantwortungs-
bewusst einen Verfassungsvorschlag beschliesst, der eine solide Grundlage für unser ■
Zusammenleben in diesem neuen Jahrhundert darstellt.»
schnür. Diese nicht zur Verfügung stel
len zu können, regelmässig aus dem
Ausland nicht einmal (erreichbar zu
sein, nicht in der Lage zu sein, marktüb
liche Standardprodukte anbieten zu
können, und was übrig bleibt zu über
höhten Preisen, ist etwa dasselbe, wie
wenn die Regierung eines Agrarstaates
nicht in der Lage ist, seine Bewohner
mit ausreichend Nahrungsmitteln zu
versorgen. Alle • Telefonbenützer, ob
Einzelpersonen oder Unternehmen, ge
samthaft betrachtet haben durch die
Regierung einen direkten Schaden von
vielen Millionen Franken erlitten. Aber
wir müssen die Fehler der Regierung
finanzieren. Nur dank unablässigem
Druck der Bürgerpartei in Landtag und
Öffentlichkeit ist die Regierung
bemüht, die Telefoniekosten so schnell
wie möglich zu senken. Wir wünschen
ihr ein schnellstmögliches Gelingen. (In
zehn Tagen bereits jährt sich ja das Des
aster.) Aber wir werden gleichwohl da
rüber wachen, dass es keine Hauruck-
Aktionen ohne Einhaltung der Gesetze
gibt und dass die Gesundheit über
schiessendem Wettbewerb vorgeht. Un
sere Fraktion hat im Landtag konstruk
tive Vorschläge zur Behebung der Mi
sere eingebracht. Und wir werden nicht
locker lassen, bis die Telekommunika
tion qualitativ und quantitativ wieder
mit den anderen europäischen Ländern
konkurrenzfähig sein wird, und zwar in
allen Belangen, ohne Abstriche.
Die Ausnützungsziffer
gehört ganz einfach
abgeschafft.
Ich erinnere an das Wohnbauwesen.
Die Bürgerpartei hat schon 1957 mit
der Einführung des Eigenheimgesetzes
Pionierarbeit geleistet. Die kürzlich
erfolgte Ablehnung der Revision
des Wohnbauförderungsgesetzes zeigt
deutlich, dass mehr Eigenverantwor
tung und Liberalisierung bei Beibehal
tung der Eigcntumsbildung auf breiter
Basis und einem besonderen Anreiz für
verdichtetes Bauen gefragt ist. Es muss
überhaupt und gerade im Wohnbauwe
sen der Eigenverantwortung und der
individuellen Entfaltung mehr Raum
gegeben werden. Immer mehr Vor
schriften schränken den Eigentümer in
seinen eigenen vier Wänden ein. ohne
dass die Allgemeinheit etwa dadurch ei
nen Vorteil hätte oder überhaupt davon
betroffen wäre. Die Verwaltung,sowohl
auf Gemeindeebene als auch auf Lan
desebene, plant und entscheidet über
die Grundstücke des Privaten in wach
sendem Masse. Über Zonen- und Über
bauungspläne wird der private Woh
nungsmarkt mehr und mehr geregelt.
Ein anschauliches Beispiel ist die Aus
nützungsziffer. In Industrie- und Ge
werbezonen findet sie sowieso keine
Anwendung. Die öffentliche Hand hält
sich auch nicht daran. Und trotzdem
wird sie im privaten Wohnungsbau vor
geschrieben. Sie gehört ganz einfach ab
geschafft. Sie ist untauglich zur Siche
rung hochwertiger Grünflächen, er
wirkt auch keinen angestrebten Orts
bildschutz und verteuert letztlich die
ohnehin raren und kostspieligen Bau
grundstücke. Bei so hohen Grundstücks
preisen muss auch der Luftraum besser
ausgenützt werden können. Darüber
hinaus muss die Grundstücksgewinn
steuer reduziert, allenfalls gar abge
schafft werden. Dadurch wird Wohn-
und Arbeitsraum wieder erschwinglich
für die breite Bevölkerung. Das zu ver
wirklichen ist unser Ziel.
Unser Land ist kein
Mekka für den
internationalen
Transitverkehr.
Ich erinnere an das Thema Transit
verkehr. Wir sind ein moderner Wirt
schaftsstandort, der auf Mobilität ange
wiesen ist. Wir wollen Wachstum und
Vollbeschäftigung. Wir müssen daher
die entsprechende Infrastruktur zur
Verfügung stellen. Aber unser Land ist
kein Mekka für den internationalen
Transitverkehr und darf es auch nicht
werden.
Mit zwei weiteren Themen möchte
ich mich noch befassen: mit der Verfas
sungsdiskussion und mit den gegen
Liechtenstein erhobenen Vorwürfen
der kriminellen Machenschaften, der
Geldwäscherei und der ungenügenden
internationalen Kooperation bei der
Verbrechensbekämpfung.
Die vorher angeschnittenen Themen
betrafen • wichtige Aspekte unserer
Wirtschaft, unser materielles Wohlbe
finden sozusagen. Die letzteren betref-
Fortsetzu/ig auf Seite 4
Dr. Norbert Seeger (links) gratuliert seinem Nachfolger im Amt des FBPL-Präsidenten, Dr. Ernst Walch, zur einstimmigen Wahl.
In der Bildmitte der Ehrenpräsident der Fortschrittlichen Biirgerpartei in Liechtenstein, Dr. Peter Marxen
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