Liechtensteiner Volksblatt
Inland
Samstag, 18. März 2000 3
«Gegen Stefan Hirschlehner ist
grundsätzlich nichts einzuwenden»
Streitgespräch zwischen Generalvikar Markiis Walser und Wolfgang Seeger, Präsident des Vereins für eine offene Kirche
Die Missio Canonica von Dr. Ste
fan Hirschlehner hat in den letz
ten zwei Wochen die Gemüter un
seres Landes erhitzt. Wurde sie
nun entzogen oder ist sie einfach
abgelaufen, wie Generalvikar
Walser ausführt? Das Erzbistum
hat bis heute den Lehrplan wegen
dem Religionsunterricht nicht ge
billigt. Die Meinungen, wie der
Religionsunterricht ausgestaltet
sein soll, könnte unterschiedlicher
kaum sein. Zudem bestehen im
mer noch grundlegende Differen
zen bezüglich des zukünftigen
Verhältnisses von Kirche und
Staat. Zu diesen Themen disku
tierten Gencralvikar Markus
Walser und Wolfgang Seeger im
Volksblatt-Streitgespräch zeitwei
se sehr heftig.
Das Streitgespräch leitete
Alexander Batliner
VOLKSBLATT: Herr Seeger, General
vikar Walser hat vor einigen Tagen
Herrn Hirschlehner die Missio Cano
nica entzogen. Wie beurteilen Sie gene
rell und rechtlich diesen Entzug?
Wolfgang Seeger: Ich frage mich,
weshalb er das gemacht hat. In den Lan
deszeitungen konnte nachgelesen wer
den, dass dies mit der Auflösung des
Dekanats zu tun habe. Diesbezüglich
stellt sich die logische Anschlussfrage:
Haben alle Personen, welche die Missio
Man katin eine Missio
Canonica sowohl für
gewisse Bereiche
ausstellen, wie auch
zeitlich beschränkt
Canonica besassen, diese nun verloren?
Falls die Auflösung des Dekanats nicht
der Grund sein sollte, bleiben noch
zwei weitere Gründe: Entweder, wenn
jemand einen unsittlichen Lebenswan
del führ! oder wenn er mit den Lehren
der Kirche nicht übereinstimmt. Bei
des trifft wohl auf den Stefan Hirsch
lehner nicht zu. Also: Für mich gibt es
sehr viele Fragen. Für mich ist dieser
Entzug höchst unklar, wenn nicht un
gerechtfertigt.
Wolfgang Seeger: «Sie sagen, dasS der Entzug der
" " >. Missio,Canonica nur.elne Nebensächlichkeit sei
mFämmümh^^&Wäimnesehrr
>■,; . wesentliche SacfälcKmöchte Sie nun fragen, wds
hatsi&HetßHjftiehlehher zjrbchulden kommen |
lassen, äi^i^m'ßdiht'inehrab Referent für dpi
RellglonsunfemMfWüllen?»
Wolfgang Seeger: Was heisst das?
Kann eine Missio Canonica ablaufen?
Markus Walser: Man kann eine Mis
sio Canonica sowohl für gewisse Berei
che ausstellen wie auch zeitlich be
schränkt. Die erste Missio Canonica,
welche Bischof Johannes Vonderach
Herrn Stefan Hirschlehner 1985 ausge
stellt hat, war auf ein Jahr beschränkt
Also das ist möglich. Die 1986 ausge
stellte Missio Canonica war beschränkt
auf die Zeit der Tätigkeit im Dekanat
Liechtenstein. Diese Missio Canonica
war auch inhaltlich auf diese Tätigkeit
beschränkt. Wenn Herr Hirschlehner
angenommen von Vaduz nach Zürich
umgezogen wäre, hätte seine Missio Ca
nonica dort keine Geltung gehabt.
Wolfgang Seeger: Er ist aber in
Liechtenstein geblieben. Es mutet selt-
beim Schulamt davon betroffen. Dies
ist die Missio Canonica von 1986, wel
che Bischof Johannes damals ausge
stellt hat. Diese wurde konkret für sei
ne Tätigkeit als Referent beim Schul
amt ausgestellt.
Wolfgang Seeger: Kann man dies
spalten? Entweder hat man die Missio
Canonica oder man hat sie nicht. Sie sa
gen, dass er sie für den Lehrberuf habe,
aber für die Aufsicht über den Lehrbe
ruf habe er sie nicht. Ist das nicht an den
Haaren herbeigezogen? .
Markus Walser: Nein, das ist ganz
normal. Wir gehen davon aus, dass jeder
Religionslehrer eine Missio Canonica
hat. Ob dies auch so ist oder nicht, habe
ich nicht überprüft und will ich auch
nicht überprüfen. Das ist momentan
nicht mein Anliegen. Das sind zwei ver-
TREITGESCHPRÄCH
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sam an, da er das Bistum ja nicht ge
wechselt hätte, wenn das Erzbistum
Liechtenstein nicht vom Bistum Chur
ausgegliedert worden wäre.
Markus Walser: Es gibt zwei drei
Dinge, die berücksichtigt werden müs
kleiner Mosaikstein der laufenden Ge
spräche. Die Missio Canonica ist ei
gentlich eine Nebensache. Die Haupt
sache ist die bessere Zusammenarbeit
mit dem Schulamt. Diese ist nicht opti
mal. Das hat man bei der Frage des
Dr. Hirschlehner gelte als Vorreiter für
das Fach Religion, Ethik, Lebenskunde.
Mit dieser Innovation würde das Fürs
tentum Liechtenstein für andere Ge
genden vorbildhaft werden. Für den
Erzbischof sieht die Sache ein wenig an
ders aus. Ein solcher REL-Unterricht
ist im deutschen Bundesland Branden
burg bereits eingeführt worden. Die
Bischöfe von Berlin, Görlitz und Mag
deburg haben sich klar dagegen ge
wehrt und vor dem Bundesverfassungs
gericht in Karlsruhe Klage eingereicht.
Zudem haben sie alle Schüler und El
tern gebeten, die katholischen Schüler
von diesem Fach freistellen zu lassen. In
die weltweite Kirche ist der Erzbischof
auch eingebunden. Deshalb kann er
beim REL im Erzbistum Vaduz nicht
Dinge gutheissen, gegen die sich an an
deren Orten Bischöfe wehren. Es stellt
sich nun die Frage: Haben wir in Zu
kunft einen REL-Unterricht oder einen
konfessionellen katholischen Religi
onsunterricht. Über das muss man sich
mit dem Schulamt unterhalten und eine
Entscheidung finden.
Wolfgang Seegen Sie sagen, dass der
Entzug der Missio Canonica nur eine
Nebensächlichkeit sei. Für viele Leute
in unserem Land ist dies eine sehr we
sentliche Sache. Ich möchte Sie nun fra
gen, was hat sich der Herr Hirschlehner
zu Schulden kommen lassen, dass Sie
Markus Walser: Zuerst möchte ich
betonen, dass Herrn Hirschlehner die
Missio Canonica nicht entzogen wurde,
sondern dass sie abgelaufen ist.
sen. Es ist nicht die Missio Canonica als
Religionsichrer abgelaufen. Ich weiss
nicht einmal, ob er diese besitzt. Es ist
nur die Missio Canonica als Referent
schiedene Sachen. Es ist unbestritten,
dass Herr Hirschlehner im Schulamt ei
ne andere Funktion hat als die übrigen
vollamtlichen oder nebenamtlichen
Religionslehrer. Das sind zwei verschie
dene Tätigkeiten und zwei verschiede
ne Missio Canonica.
Wolfgang Seeger: Abgesehen von
dieser Frage: Was planen Sie eigentlich?
Was stellen Sie sich vor, plötzlich nach
zwei Jahren, so lange besteht nun das
Erzbistum, auf die Idee zu kommen,
dass Herr Hirschlehner die Missio Ca
nonica nicht mehr besitzt.
Markus Walser: Wir haben das Ge
spräch mit dem Schulamt gesucht, um
die offenen Punkte zu besprechen. Bei
diesem Gespräch kam Stefan Hirsch
lehner auf die Missio Canonica zu spre
chen. Ich habe ihm dann gesagt, dass ich
den Text der Missio Canonica nicht
kenne und ich ihn zuerst, ansehen müs
se. Das habe ich dann auch gemacht.
Mein Brief an Herrn Hirschlehner muss
im Zusammenhang mit jenem Brief ge
sehen werden, den Erzbischof Wolf
gang Haas im Oktober letzten Jahres an
das Schulamt schrieb. Darin betonte
der Erzbischof, c}ass die Zusammenar
beit zwischen Kirche und Staat im Be
reich Schule verbessert, und dass Un
klarheiten geklärt werden müssen. In
diesem Zusammenhang wurde auch
das Gespräch mit dem Schulamt ge
führt und in diesem Zusammenhang
muss auch über die künftige Ausgestal
tung der Missio Canonica für Herrn
Hirschlehner gesprochen werden. Ich
möchte auch noch erwähnen, dass wir
mit dieser Sache nicht an die Presse ge
langt sind. Die Missio Canonica ist ein
Lehrplans, bei der Zusammenarbeit
zwischen den Pfarreien und den Ge
meinden, bei der Frage der Lehrmittel
und bei der Frage der Weiterbildung ge
sehen. Diese Punkte möchten wir ver
bessern und in diesem Zusammenhang
möchten wir auch über die Missio Ca
nonica von Herrn Dr. Hirschlehner und
deren weitere Ausgestaltung sprechen.
In den zahlreichen Leserbriefen wurde
ein Punkt angesprochen, den ich auch
noch erwähnen möchte. Der Gewerk
schaftliche Lehrerinnen- und Lehrer-
Die Missio Canonica
ist eigentlich eine
Nebensache. Die
Hauptsache ist die
bessere
Zusammenarbeit mit
dem Schulamt.
verband (GLLV) fordert oder wünscht,
dass man das Fach Religion-Ethik-Le
benskunde (REL) anstatt des katholi
schen Religionsunterrichtes an den
staatlichen Schulen einführt. Der ka
tholische. Religionsunterricht soll aus
serhalb der Schule stattfinden. In einem
weiteren Leserbrief hat Professor Bu
cher, zweiter Vorsitzender der deutsch
sprachigen katholischen Religions-
pädagogen, wiedergegeben, dass Dr.
Hirschlehner die Auffassung vertrete,
der traditionelle katholische Religions
unterricht habe keine Zukunft mehr.
ihn nicht mehr als Referent für den Re
ligionsunterricht wollen? Das beschäf
tigt doch sehr viele Leute.
Markus Walsen Ich habe nie gesagt,
dass wir ihn nicht mehr als Referent
wollen. Wir haben nur...
Wolfgang Seeger:... Sie haben von
unbefriedigenden Zuständen gespro
chen ...
Markus Walsen... Ich sagte, dass die
Zusammenarbeit mit dem Schulamt
nicht ideal sei...
Wolfgang Seeger:... Das hat mit dem
Religionsunterricht nichts zu tun.
Markus Walsen Selbstverständlich
hat das mit dem Religionsunterricht et
was zu tun ...
Wolfgang Seegen... In welcher Form
denn?
Markus Walsen Wenn sich zum Bei
spiel Pfarrer beklagen, dass sie die Na
men der neu angestellten Religionsleh
rer erst erfahren, wenn diese schon lan
ge unterrichten. Da meine ich, müsste
doch die Zusammenarbeit verbessert
werden, dass Pfarrer und Gemeinden
über die neuen Religionslehrer spre
chen, bevor diese angestellt werden.
Das halte ich so lange für normal, so
lange man davon ausgeht, dass der Re
ligionsunterricht eben ein katholischer
Religionsunterricht sein soll, der von
der Religionsgemeinschaft erteilt wird.
Dann hat dies auch bei der Frage der
Lehrmittel etwas mit dem Religionsun
terricht zu tun. Auch dort halte ich es
für normal, dass die Pfarrer mit ihrer
Meinung berücksichtigt werden ...
Fortsetzung auf Seite 4