Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2000)

Liechtensteiner Volksblatt 
Religion 
Freitag, 10. März 2000 13 
Blickpunkt Religion 
Bibel in 2233 Sprachen 
STUTTGART: Die Bibel oder einzelne ihrer 
Bücher liegen jetzt in 2233 Sprachen vor. Damit 
bleibt die Heilige Schrift, so die Deutsche Bi 
belgesellschaft, weltweit das am meisten über 
setzte Buch, das gegenüber dem Vorjahr in 21 
weiteren Sprachen gelesen werden kann. Eine 
vollständige Bibelübersetzung gibt es jetzt in 
371 Sprachen, fünf mehr als 1998. Das Neue Tes 
tament ist bei einem Zuwachs von 32 in weite 
ren 960 Sprachen verfügbar. Hinzu kommen 
einzelne Evangelien oder andere Teile der Hei 
ligen Schrift in 902 Sprachen. Experten schät 
zen, dass es weltweit rund 6500 Sprachen gibt. 
Bei den biblischen Schriften führt Afrika mit 
627 Mundarten vor Asien (533), Australien mit 
der pazifischen Inselwelt (396), der Karibik und 
Lateinamerika (384). In Europa kann man die 
Heilige Schrift in 197 und in Nordamerika in 73 
Sprachen lesen. (APD) 
TV-Tipp 
«Die Noten machen den 
Text lebendig» 
Ulrich Knellwolf im Gespräch mit dem Leipzi 
ger Theologen und Bachforscher Martin Pet- 
zoldt. Der Theologe ist Professor für Systemati 
sche Theologie an der Universität Leipzig, Pfar 
rer an derThomaskirche Leipzig und Vorsitzen 
der der Neuen Bachgesellschaft Leipzig. Er 
widmet sich intensiv der Erforschung von Bachs 
kirchenmusikalischer Tätigkeit und theologi 
schem Umfeld. Im Jahr von Johann Sebastian 
Bachs 250.Todestag unterhält sich Ulrich Knell 
wolf mit Martin Petzoldt über theologische 
Aspekte von Bachs Werk. 
Stemstunde Religion, Sonntag, 19. März, 10 
Uhr SF DRS. 
Zeitstriche 
In einem «Pfingst-Palaver» wollen die deutsch 
sprachigen Laientheologinnen und Laientheo 
logen der Schweiz am Pfingstmontag, 12. Juni, in 
Flüeli-Ranft am Wirkungsort von Bruder Klaus 
für ihre Visionen einstehen und diese «präg 
nant, prophetisch und provokativ weiter tra 
gen». Es solle ein «Zeichen aus der propheti 
schen Kraft von uns Laien» gesetzt werden. 
Hallo... hat jemand von euch Feuer? 
Das Zitat 
«Johannes Paul II., der nichts unterlässt, um die 
Unfehlbarkeit des Petrusdienstes einzuschär 
fen, gibt hier in einmaliger Weise etwas von der 
Fehlbarkeit und Schwäche des Felsens Petrus zu 
erkennen, auf den die Kirche baut. Gesell 
schaftliche Institutionen, Parteien, Staaten und 
Konzerne haben immer wieder, oft halbherzig 
und unter öffentlichem Druck, Schuldbekennt 
nisse ablegen müssen. Doch keine Religion hat 
bisher vor den Augen der Welt den Schritt ge 
wagt. Hier zeigt sich die menschliche Grösse 
von Papst Johannes Paul II. Hiererschliesst sich 
auch etwas von der bleibenden spirituellen 
Kompetenz des christlichen Glaubensweges, 
der trotz des Versagens nicht erledigt ist. Der 
Weg Gottes ist der Weg des sündigen Men 
schen.» 
Die Zeitschrift «Christ in der Gegenwart» zur 
Vergebungsbitte des Papstes. 
Veranstaltungen 
«Lobpreis-Gottesdienst» 
Das Kloster St. Elisabeth ladet Sie ein, mit den 
Schwestern Gott zu danken und zu loben. Mit 
Liedern wird Gott gepriesen, auf sein Wort in 
der Bibel gehört und ihn in seiner eucharisti- 
schen Gegenwart angebetet. 
Mittwoch, 15. März, 19.30 Uhr bis 20.30 Uhr. 
«Wie die Gruppe laufen lernt» 
Einführung in die Gruppenpädagogik - Ziel des 
Kurses: mehr Kompetenz im Leiten von Grup 
pen, Prozesse wahrzunehmen, sie zu steuern, 
um zufriedenstellende Arbeitsergebnisse und 
ein erfreuliches Miteinander zu erreichen. 
Freitag, 17. März ab 18 Uhr bis Sonntag 19. März 
im Haus Gutenberg, Balzers, Leitung: P. Ludwig 
Zink. 
«Das Sündenregister der 
Päpste ist recht lang» 
Im Gespräch mit dem Schweizer Theologen Hans Küng zur Vergebungsbitte des Papstes vom 12. März 
Der Schweizer Theologe Hans 
Küng (71) hat Papst Johannes 
Paul II. zu konkreten Refor 
men in der Kirche aufgefor 
dert. Die Vergebungsbitte, die 
der Papst am Sonntag an ei 
nem «Tag des Vergebens» vor 
tragen will, reiche nicht aus, 
wenn mit ihr nicht Änderun 
gen in der Kirche von heute 
verbunden seien, sagt Küng im 
Gespräch. 
Sabine Kleyboldt 
Hans Küng, was halten Sie vom 
Vorhaben des Papstes zu einer 
«Grossen Vergebungsbitte»? 
Hans Küng: Eine grosse Verge 
bungsbitte ist für einen Papst eine 
kühne Angelegenheit. Ich weiss 
nicht, ob er sich darüber im Klaren 
ist, dass das Sündenregister der Päp 
ste recht lang ist. Denn seit die Päp 
ste in der Kirche eine besondere 
Rolle spielen, also etwa seit dem 
Hochmittelalter, gibt es eine Reihe 
schwerwiegender Entwicklungen, 
wo ein Papst Anlass hätte, seine 
Sünden, beziehungsweise die seiner 
Vorgänger zu bekennen. 
Wofür denn zum Beispiel? 
Um einige grosse Entwicklungen 
zu nennen: Zunächst das östlich 
westliche Schisma: überzogene 
Machtansprüche des Bischofs von 
Rom haben diese Spaltung provo 
ziert. Oder nehmen Sie die Verhin 
derung der Kirchenreform seit dem 
Spätmittelalter, die Zeit, als es zwei, 
drei Päpste gab. Denken Sie an das 
Reform-Konzil von Konstanz 
(1414-1418), das von Seiten der rö 
mischen Kurie völlig unterlaufen 
wurde, wie jetzt auch das Zweite Va 
tikanische Konzil. Dann die Refor 
mation: Da waren Leo X. und die 
folgenden Päpste in keiner Weise 
auf der Höhe der Probleme und ha 
ben auf Martin Luther völlig ver 
fehlt reagiert. Sie tragen die wesent 
liche Schuld daran, dass nicht nur 
die Kirche zwischen Ost und West, 
sondern auch zwischen Nord und 
Süd gespalten ist. 
Wie steht es mit der Inquisition? 
Die Inquisition ist eine der 
schlimmsten Fehlentwicklungen 
der Kirchengeschichte. Da geht es 
Was immer der Papst in seinem Reue-Dokument sagt, er wird in jedem Fall 
eine grosse Diskussion auslösen. 
nicht nur um wenige Prozesse, da 
wurden ja Tausende gefoltert und 
hingerichtet, nicht selten Frauen als 
Hexen. Hier raüssten durch Histori 
ker die Prozesse aufgearbeitet wer 
den. Doch ist es ganz und gar un 
genügend, wenn jetzt Kardinal Rat 
zinger ankündigt, die Archive zu 
öffnen bis 1903, wo es für die heuti 
gen Theologen interessant wird. 
Denn unter Pius X. (1903-1914) be 
ginnt ja eine weitere Periode der In 
quisition gegen so genannte Moder 
nisten, vor allem deutsche Professo 
ren, aber auch Bischöfe. Unter Pius 
XII. wird das fortgesetzt. Der Papst 
sollte also nicht irgendwo stoppen 
mit der Bitte um Vergebung. Ich 
hoffe, dass er die Gegenwart und 
sich selber einbezieht. 
Der Papst gibt mit der Vergebungs 
bitte ein gutes Beispiel. 
Die Frage ist aber: Wer legt hier 
ein Schuldbekenntnis ab? Im Zu 
sammenhang mit dem Holocaust 
gebraucht der Papst die geradezu 
fatale Formulierung, er wolle sich 
entschuldigen für Verfehlungen der 
Söhne und Töchter der Kirche. 
Merkwürdig: Nachdem man sonst 
die Töchter eher vernachlässigt, 
werden sie jetzt im Zusammenhang 
der Schuldgeschichte ausdrücklich 
genannt. Kurzum: Dass sich ein 
Papst für die Kirchenmitglieder ent 
schuldigt, als wären die Päpste nicht 
Hauptverantwortliche für diese 
Entwicklungen gewesen,ist ein star 
kes Stück. Wir brauchen ein Sün 
denbekenntnis des Papstes selbst 
und für seine Vorgänger auf dem so 
genannten Thron Petri. 
Was kann dieses öffentliche «Mea 
culpa» bringen? 
Was immer der Papst in seinem 
Reue-Dokument sagt: Er wird in je 
dem Fall eine grosse Diskussion 
auslösen. Aber mit frommen Flos 
keln und einer billigen Entschuldi 
gung für 1000 Jahre Versagen der 
Päpste kommt er nicht davon. Wir 
sehen bei manchen Politikern: 
Wenn sie mit Ausreden nicht mehr 
weiterkommen, sagen sie am Ende: 
Ich entschuldige mich. Das ist keine 
Lösung. Solange in unserer Kirche 
nichts geändert wird, nützen diese 
Schuldbekenntnisse wenig. 
Was müsste geändert werden? 
Im Grunde wäre das notwendig, 
was immer notwendig war: Eine 
neue Konzentration auf das Evan 
gelium; dass wir nicht fürs Kirchen 
recht oder für selbst fabrizierte 
Dogmen da sind; dass wir uns viel 
mehr nach Jesus, dem Herrn der 
Kirche, richten sollen. Und dass wir 
die wahren Sehnsüchte der Men 
schen ernst nehmen, die auch heute 
nach Lebenssinn, geistiger Heimat 
und ethischen Leitplanken verlan 
gen. Freilich nützt das wenig, wenn 
das von «Unfehlbaren» vorgetragen 
wird, die nicht glaubwürdig sind, 
weil sie geradezu Beispiele der Un- 
bussfertigkeit liefern. 
Kann man mit der Vergebungsbitte 
einen Schlussstrich ziehen? 
Nein, dafür ist zu vieles noch nicht 
bereinigt. Zum Beispiel besteht die 
Inquisition nach wie vor. Ich habe 
sie selbst erfahren, genau so wie Ed 
ward Schillebeeckx oder Leonardo 
Boff, Eugen Drewermann und un 
gezählte Unbekannte weltweit. Die 
Menschen werden zwar nicht mehr 
verbrannt, aber sie werden ruiniert 
in ihrer theologischen Existenz. Ein 
Schlussstrich wäre nur dann mög 
lich, wenn man verkündet, die In 
quisition würde in der katholischen 
Kirche ein für alle Mal abgeschafft. 
Was erhoffen Sie sich persönlich? 
Es wäre ein erstaunlicher Akt, 
wenn der Papst, nachdem wir beide 
20 Jahre älter sind, den Mut hätte zu 
sagen, dass der Entzug meiner 
Lehrbefugnis 1979 theologisch 
nicht gerechtfertigt war, juristisch 
fragwürdig und politisch kontra 
produktiv. Mir persönlich wäre eine 
Rehabilitation nicht so wichtig, aber 
es wäre für Theologie und Kirche 
ein Zeichen der von vielen ersehn 
ten überfälligen Kurskorrektur, 
wenn man dieses Unrecht rückgän 
gig machen würde. 
Weniger Priester, mehr Laientheologen 
Die ungünstige Personalentwicklung in der katholischen Kirche Schweiz setzt sich fort 
Dieses Fazit zieht Michael Krügge 
ier, Projektleiter beim Schweizeri 
schen Pastoralsoziologischen Insti 
tut in St. Gallen (SPI), in der neus 
ten Ausgabe der Schweizerischen 
Kirchenzeitung. Sowohl beim 
Weltklerus wie bei den Ordensge 
meinschaften setze sich der TYend 
eines Rückgangs der Mitgliederzah 
len ungebrochen fort. 
In den Jahren 1991 bis 1995 sei da 
gegen die Zahl aller im Dienst der 
Schweizer Bistümer stehenden Seel 
sorgerinnen und Seelsorger leicht 
gestiegen: nämlich von 3757 (1990) 
auf 3889 (1995). 
Verschärft negative Bilanz 
Von 1990 bis 1995 gab es bei den 
Priestern 316 Todesfälle und 16 
Amtsniederlegungen. Gezählt wur 
den 98 Priesterweihen. In den fünf 
Jahren zuvor kamen auf 275 Todes 
fälle und 19 Amtsniederlegungen 96 
Priesterweihen. Die wenigen Pries 
terweihen und die ungünstige Al 
tersstruktur des Diözesanklerus las 
se den Klerus immer kleiner werden. 
Eine negative Entwicklung sei 
auch bei den Frauen- und Männer 
orden zu verzeichnen. Bereits für 
den Zeitraum 1986 bis 1990 wurde 
festgestellt, dass der Mitglieder 
schwund bei den Frauenorden weit 
dramatischer ausgefallen ist als bei 
den Männerorden. Das bestätige 
sich für die Periode 1991 bis 1995: 
Die Männerorden verzeichneten 
10,4 Prozent weniger Mitglieder als 
1990, die Frauenorden 14,6 Prozent. 
Bei Männer- wie Frauenorden gebe 
es leicht höhere Austrittszahlen und 
damit eine «gestiegene Tendenz zur 
Instabilität». 
Düstere Prognose 
Am Priester- und Ordensleute 
mangel und dem «in vieler Hinsicht 
unbefriedigenden Einsatz von 
hauptamtlichen Laientheologen/ 
Laientheologinnen» habe sich 
nichts geändert, schreibt Krüggeier. 
Die Zahlen gäben eher ein gegenü 
ber der jüngsten Vergangenheit ver 
schärftes Bild und würden damit zur 
Grundlage einer «leider düsteren 
Prognose». 
Auch in Deutschland 
In Deutschland gibt es immer we 
niger Neupriester und Priesterkan 
didaten. 1999 wurden mit 138 Pries 
terweihen 19,3 Prozent weniger 
Neupriester registriert als 1998. Im 
gleichen Zeitraum ist die Zahl der 
neu aufgenommenen Priesterkan 
didaten um 11,6 Prozent auf 190 ge 
sunken. An den Universitäten ha 
ben mit zusammen 777 Priesterkan 
didaten 9,3 Prozent weniger studiert 
als ein Jahr zuvor. 
Sowohl beim Klerus wie bei den Ordensgemeinschaften setzt sich der Trend 
eines Rückgangs der Mitgliederzahlen ungebrochen fort.
	        

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