Liechtensteiner Volksblatt
Ausland
Montag, 28. Februar 2000 19
Nachrichten
Neues Parlament in
Tadschikistan gewählt
DUSCHANBE: Im mittelasiatischen Tadschi
kistan ist gestern ein neues Parlament gewählt
worden. Die Abstimmung zum Unterhaus des
neu gebildeten Zwei-Kammer-Parlaments galt
als wichtiger Schritt im internen Friedenspro-
zess Tadschikistans. Die Abstimmung verlief oh
ne Zwischenfälle, teilte die Zentrale Wahlkom
mission in der Hauptstadt Duschanbe nach
Schliessung der Urnen mit. Bis kurz vor Schlies
sung der Wahllokale hatten sich bereits über 80
Prozent der rund 2,8 Millionen Stimmberech
tigten beteiligt. Ergebnisse wurden frühestens
heute Montag erwartet. Um die 63 Mandate be
warben sich sechs Parteien und etwa 300 Kan
didaten.
Reformlager gewinnt
Mehrheit im Iran
TEHERAN: Die Reformkräfte in Iran haben
die Mehrheit im neugewählten Parlament er
rungen. Nach dem vorläufigen Endergebnis der
Wahlen gehören 170 der 225 bereits gewählten
Abgeordneten zum Reformlager um Staatsprä
sident Mohammed Chatami. 55 Parlamentarier
werden den Konservativen zugerechnet. Dies
ergibt sich aus dem vorläufigen Wahlergebnis,
das das iranische Innenministerium am Wo
chenende bekannt gab. Die Regierung bezeich
nete die Wahl als frei und fair. Kleinere Unre
gelmässigkeiten hätten keinen Einfluss auf den
Ausgang. Die Wahl fand am 18. Februar statt.
Erster Papst-Besuch
auf dem Sinai
KAIRO: Als erster Papst in der römischen Kir
chengeschichte hat Johannes Paul II. am Sams
tag den Berg Sinai in Ägypten besucht. An der
biblischen Stätte rief er Christen, Juden und
Moslems zu Dialog und friedlichem Miteinan
der auf. Sichtlich gezeichnet von den Strapazen
der Reise beendete das 79-jährige Oberhaupt
der römisch-katholischen Kirche am Samstag
abend seinen Besuch im Nilland. Es war seine
90. Auslandsreise.
Umfragen sehen Bush
und Gore vorne
WASHINGTON: Im Rennen um die republi
kanische Kandidatur für das Weisse Haus liegt
der texanische Gouverneur George W. Bush
laut Umfragen auf nationaler Ebene weiter vor
seinem Konkurrenten John McCain. In einer
am Samstag veröffentlichten Umfrage des Ma
gazins «Newsweek» sprachen sich 56 Prozent
der befragten republikanischen Wahlberechtig
ten für Bush aus. Nur 27 Prozent erklärten, sie
wollten für den Vietnamkriegsveteranen und
Senator McCain stimmen. Bei den jüngsten
Vorwahlen in den Bundesstaaten Arizona und
Michigan hatte McCain gewonnen. Dabei hatte
er vor allem von den Stimmen parteiloser
Wähler und Wählerinnen profitiert. In den mei
sten anderen US-Bundesstaaten dürfen jedoch
nur republikanische Parteimitglieder über ihren
Präsidentschaftskandidaten abstimmen. Bei
den demokratischen Präsidentschaftsbewerbe
rn würde der Umfrage zufolge zur Zeit der jet
zige Vize-Präsident AI Gore mit 61 Prozent de
Stimmen auf Bundesebene das Rennen ma
chen. Sein Rivale, der ehemalige Basketball
Star Bill Bradley, käme auf 18 Prozent. Im
Kampf um das Weisse Haus würden schliesslich
der Umfrage von «Newsweek» zufolge sowohl
Bush als auch McCain gegen die Demokraten
Gore und Bradley siegen.
Weiterhin rot-grüne
Regierung in Kiel
SPD und Grüne verteidigen Mehrheit in Schleswig-Holstein
KIEL: Im Zcichcn der Finanz-
affäre bei den deutschen
Christdemokraten hat die rot-
griine Koalition im Bundes
land Schleswig-Holstein am
Sonntag ihre Regierungsmehr
heit verteidigt.
Für die seit Wochen in der Kritik
stehende CDU fieltn die Verluste
weniger stark aus als vielerorts er
wartet. Gewinne verbuchten Libe
rale (FDP) und die dänische Min
derheitenpartei SSW.
Die SPD kam nach Hochrech
nungen des Ersten Deutschen Fern
sehens (ARD) und des Zweiten
Deutschen Fernsehens (ZDF) auf
43,2 beziehungsweise 43,3 Prozent.
Vor vier Jahren hatten die Sozialde
mokraten 39.8 Prozent.
Die CDU erreichte 35,2 (ARD)
und 34,9 (ZDF) Prozent. 1996 lag
die CDU bei 37,2 Prozent. Die Grü
nen kommen auf 6,2 (ARD/ZDF)
Prozent (1996:8,1 Prozent).
Simonis zufrieden
Die FDP legte mit 7,6 (ARD) und
7,7 (ZDF) Prozent deutlich zu (5,7).
Der von der Sperrklausel befreite
Südschleswigsche Wählerverband
(SSW), zuletzt bei 2,5 Prozent, er
zielte 4,1 (ARD/ZDF) Prozent. Die
Wahlbeteiligung lag bei 70,2 Pro
zent. 1996 hatte sie 71,8 Prozent be
tragen. Die amtierende Minister
präsidentin Heide Simonis (SPD)
Heide Simonis (SPD) wird wohl eine weitere Mandatsperiode Ministerprä
sidentin von Schleswig Holstein bleiben. Strahlend nimmt sie die Gratula
tion ihres unterlegenen Mitbewerbers Volker Rühe (CDU) entgegen.
zeigte sich zufrieden. Das Ziel der
SPD, wieder die Ministerpräsiden
tin zu stellen, sei erreicht worden.
«Gestoppt haben wir auch den
Trend der SPD des vergangenen
Jahres. CDU-Spitzenkandidat
Volker Rühe verfehlte zwar deut
lich sein Ziel von 40 Prozent. Am
Wahlabend zeigte er sich dennoch
zufrieden: «Ich habe es geschafft,ei
ne Katastrophe zu vermeiden.» Sei
ner Ansicht nach hätte die CDU oh
ne den Finanz-Skandal die Wahl ge
wonnen. Das Ergebnis dürfte die
Ambitionen des ehemaligen Vertei
digungsministers auf den Posten des
CDU-Vorsitzenden nach Einschät
zung von Beobachtern nicht ge
schmälert haben. Rühe sagte, er sei
ab sofort wieder Bundespolitiker.
Umschwung der Wählergunst
Der Wahl war ein beispielloser
Umschwung in der Wählergunst
vorangegangen. Bis Oktober ver
gangenen Jahres rangierte die CDU
mit 47 Prozent zehn Punkte vor der
SPD. Die Sozialdemokraten hatten
zuvor zahlreiche Landtagswahlen
verloren. Mit Bekanntwerden der
CDU- Finanzaffären kippte der
Trend dann zu Gunsten der SPD.
Kurz vor der Wahl wurden der
CDU keine Chancen mehr einge
räumt, Rot-Grün abzulösen und mit
der FDP eine Regierung zu bilden.
Dennoch verband CDU-Spitzen-
kandidat Rühe sein Abschneiden
bei der Wahl mit einer möglichen
Kandidatur für den CDU-Bundes
vorsitz.
Die Partei will im April einen
Nachfolger für Wolfgang Schäuble
wählen. Er war im Zuge der Spen
den- und Finanzaffäre zunehmend
unter Druck geraten und hatte Mit
te dieses Monats seinen Rückzug
von der Parteispitze erklärt.
Die SPD regiert in Schleswig-
Holstein seit 1988. Bei der Wahl vor
vier Jahren verlor sie ihre absolute
Mehrheit und ging eine Koalition
mit den Grünen ein.
Lionel Jospin sorgt für Aufruhr
Präsident Chirac ruft seinen Regierungschef zur Ordnung
PARIS: Der Israel-Besuch von
Frankreichs Premierministers Lio
nel Jospin hat am Wochenende zu
diplomatischen Verwicklungen ge
führt. In Frankreich führten die um
strittenen Äusserungen des Pre
miers zur Hisbollah zu Spannungen
mit Staatspräsident Chirac.
Jospin hatte Ende der Woche in Je
rusalem die jüngsten Angriffe der
Hisbollah-Miliz auf israelische Sol
daten in Südlibanon mit «terroristi
schen Handlungen» gleichgesetzt.
Er liegt damit im Widerspruch zur
offiziellen Haltung seines Landes.
Später schwächte er seine Äusse
rungen ab und benutzte den Begriff
«kriegerische Handlungen». Präsi
dent Jacques Chirac wies den sozia
listischen Regierungschef nach des
sen Rückkehr auf die nach wie vor
gültige «neutrale Haltung» Frank
reichs im Nahen Osten hin und
distanzierte sich von den Äusserun
gen.
In einer Erklärung Chiracs hiess
es, die Glaubwürdigkeit der Aussen-
politik und die Fähigkeit Frank
reichs, Frieden zu stiften, litten
darunter, wenn seine Unparteilich
keit im Nahen Osten in Frage ge
stellt werde.
Frankreichs Aussenpolitik wird
als Angelegenheit des Präsidenten
angesehen. Die Äusserung Jospins
zum Libanon-Konflikt überraschte,
weil Frankreich bislang im Nahost-
Konflikt einen weitgehend proara
bischen Kurs verfolgte und Israels
Präsenz in Libanon seit 15 Jahren
beständig kritisiert halte.
Die Äusserungen Jospins erboste
auch die Palästinenser. Mehrere
Hundert Studenten der Bir-Zeit-
Universität bei Ramallah bewarfen
deshalb Jospin am Samstag wäh
rend seines Besuchs mit Steinen
und Erdbrocken. Dabei wurde er
am Hinterkopf leicht verletzt.
Die aufgebrachten Demonstran
ten sprangen auf das Auto Jospins
und versetzten dem Wagen Fusstrit
te. Sie nannten den israelischen Mi
nisterpräsidenten Ehud Barak ei
nen Terroristen und Jospin seinen
Komplizen.
Ohne Angabe von Gründen wur
de ein geplanter Besuch Jospins im
palästinensischen Flüchtlingslager
Chan Junis abgesagt. Am Samstag
abend beendete Jospin nach einem
Gespräch mit Palästinenserpräsi
dent Jassir Arafat seine dreitägige
Nahostreise.
Proteste in Libanon
In der libanesischen Hafenstadt
Sidon protestierten am Sonntag un
ter der Führung von Arbeitsminis
ter Michel Moussa rund 5000 Men
schen gegen die Äusserungen Jo
spins. Sie warfen dem Regierungs
chef vor, Agent der USA zu sein.
Der stellvertretende Anführer der
Hisbollah, Scheich Naim Kassem,
sagte in Beirut, Jospin sei im Liba
non so lange nicht willkommen, bis
er sich für seine Äusserungen ent
schuldigt habe.
Proteste nach
Freispruch
Nach dem umstrittenen Freispruch
von vier weissen New Yorker
Polizisten vom Vorwurf des Tot
schlags eines afrikanischen Einwan
derers haben die Geschworenen
ihre Entscheidung erstmals öffent
lich verteidigt. Die Protestaktionen
gegen das Urteil gingen am Wo
chenende weiter. Der Freispruch
habe absolut nichts mit der Rasse
der Polizisten oder des Opfers zu
tun gehabt, sagte die afro-amerika-
nische Vorsitzende der Jury,Arlene
Taylor, der Zeitung « The New York
Post». Ungeachtet teils gewalttätiger
Proteste auch während des Prozes
ses habe die gemischtrassige Jury
die existierenden Rassenspannun
gen in New York bewusst ausge
klammert. Allein aufgrund der
Fakten und der Zeugenaussagen
habe das Gericht einstimmig auf
Freispruch der Polizisten ent
schieden, sagte auch die weisse
Geschworene Helen Härder. Wer
nun ein Problem damit habe, solle
das Beweismaterial studieren.
)