Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2000)

Liechtensteiner Volksblatt 
Inland 
Freitag, 25. Februar 2000 7 
«Der Kunde steht im Zentrum» 
Für die Liechtensteinische Post AG verlief der Schritt in die Selbstständigkeit «reibungslos» 
Freuen sich über den reibungslosen Start der Liechtensteinischen Post AG: Verwaltungsratspräsident Dr. Donat Marxer (links) 
und Herbert Rüdisser, Vorsitzender der Geschäftsleitung. (Bild: bak) 
Die Liechtensteinische Post AG 
hat den Schritt in die Selbststän 
digkeit vollzogen. Gegenüber 
dem Volksblatt sprachen Verwal 
tungsratspräsident Dr. Donat 
Marxer und der Vorsitzende der 
Geschäftsleitung, Herbert Rüdis 
ser, von einem «reibungslosen 
Start» - ohne Einbussen für die 
Kunden. Die wichtige und be 
währte Partnerschaft mit der 
Schweizerischen Post sei auf eine 
neue, moderne und effiziente 
Grundlage gestellt worden. Für 
das Jahr 2000 wurde ein ausgegli 
chenes Budget verabschiedet. 
Mit Dr. Donat Marxer und Herbert 
Rüdisser sprach Manfred öhri 
Am 1. Januar 2000 hat die Liechten 
steinische Post AG ihre operative 
Tätigkeit offiziell aufgenommen. Wie 
verlief aus Ihrer bisherigen Sicht dieser 
Schritt in die Selbstständigkeit? 
Dr. Donat Marxen Die Schweizeri 
sche Post ist 1998 privatisiert worden. 
Seit Mitte 1998 haben verschiedene De 
legationen des Landes Gespräche mit 
der Schweizerischen Post geführt, um 
aufgrund der Liberalisierung des Post 
wesens in Europa die Selbstständigkeit 
der Liechtensteinischen Post sicherzu 
stellen. Das Ziel war es, die Liechten 
steinische Post AG auf ein eigenständi 
ges Fundament mit einem partner 
schaftlichen Zusammenarbeitsvertrag 
mit der CH-Post zu stellen. Die be 
währte Zusammenarbeit mit der CH- 
Post wurde auf eine moderne und effi 
ziente Grundlage gestellt. 
Ab 1. April 1999 hat der Verwal 
tungsrat aktiv die operative Führung 
sowie den Aufbau der Liechtensteini 
schen Post AG übernommen. Die bis 
herigen Hauptaufgaben waren die Be 
stellung der Geschäftsleitung, die Ver 
handlungen mit der Schweizerischen 
Post, zahlreiche Arbeitsgruppen und 
Projektteams zu bilden und die ver 
schiedenen Umstrukturierungsmass- 
nahmen einzuleiten. 
Was konnte bisher erreicht werden? 
Dr. Donat Marxen Die Geschäftslei 
tung konnte rekrutiert werden und 
setzt sich heute zusammen aus Herrn 
Herbert Rüdisser als Vorsitzender mit 
einer breiten internationalen Industrie 
erfahrung, Herrn Stefan Schwendi- 
mann mit langjähriger Berufserfahrung 
im Finanz- und Rechnungswesen sowie 
im Personalmanagement und nicht zu 
letzt aus Herrn Remo Vogt, der eine 
breite und langjährige Posterfahrung 
mit sich bringt. Seit Mitte November 
1999 ist die Geschäftsleitung komplett 
und hat vollumfänglich die Führung der 
Liechtensteinischen Post AG übernom 
men. 
Die Vertragsverhandlungen mit der 
Schweiz konnten bis Ende 1999 abge 
schlossen werden. Die gute und be 
währte Zusammenarbeit mit der 
Schweiz ist für die Liechtensteinische 
Post AG sehr wichtig, da ja die Schweiz 
weiterhin postalisch als Inland gilt. Fer 
ner müssen wir auch ganz klar sehen, 
dass die enge Vernetzung der Prozesse 
und Abläufe zwischen der Liechtenstei 
nischen Post und der Schweizer Post 
nur in einer guten, partnerschaftlichen 
Zusammenarbeit zum Erfolg führt. 
Eine eigenständige Informatiklösung 
für den Enanzbereich und die Lohn 
buchhaltung wurde eingeführt und die 
Prozesse und Abläufe mit der Informa 
tik der CH-Post vernetzt. Am 1. Januar 
2000 wurden die Mitarbeiterinnen und 
Mitarbeiter übernommen. 
Hatte die Verselbstständigung in ar 
beitstechnischer Hinsicht bereits ge 
wisse Auswirkungen auf das Post-Per 
sonal? Müssen die Bediensteten in 
nächster Zeit mit allfälligen Verände 
rungen rechnen? 
Herbert Rüdissen Viele Mitarbeite 
rinnen und Mitarbeiter waren bereits 
vor dem Wechsel in verschiedenen Ar 
beitsgruppen involviert und haben ak 
tiv dazu beigetragen, den reibungslosen 
Übergang sicherzustellen. 
Wir werden sicher die bestehenden 
Abläufe und Prozesse analysieren und 
- wo notwendig - effizienter gestalten. 
Das Leistungsangebot wird in den 
Kernbereichen beibehalten und ausge 
baut. Die Drittleistungen werden nach 
betriebswirtschaftlichen Grundsätzen 
geprüft und angepasst. 
Wir können heute flexibel auf die 
Kundenwünsche reagieren, da wir von 
den kürzeren Entscheidungswegen 
profitieren. Ein Umdenken ist bei vie 
len Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen 
erforderlich, denn wir werden uns in 
Zukunft verstärkt auf die Kundenwün- 
sche ausrichten. Der Kunde steht im 
Zentrum unseres Handelns. 
Inwieweit werden Dienstleistungen, die 
bisher von der Schweizerischen Post 
wahrgenommen wurden, fetzt eigen 
ständig von der Liechtensteinischen 
Post AG erbracht? 
Herbert Rüdissen Die Liechtenstei 
nische Post AG wird in Zukunft die 
gleichen Dienstleistungen im Univer 
salbereich der Post erbringen, wie sie 
bisher von der Schweizerischen Post er 
bracht wurden. Bei den Drittleistungen 
ergeben sich sicher Unterschiede, da 
wir auch hier je nach Kundenbedürfnis 
neue Dienstleistungen anbieten wer 
den bzw. nicht erfolgreiche Leistungen 
aufgeben. Alle Leistungen J werden im 
Namen und auf Rechnifiig der Liech 
tensteinischen Post AG ausgeführt. 
Die Zusammenarbeit mit der Schwei 
zerischen Post Ist auf vertraglicher 
Ebene neu geregelt worden. Welche 
Dienstleistungen bleiben demnach 
weiterhin in der Zuständigkeit unseres 
Nachbarn. 
Dr. Donat Marxer: Die Dienstleistun 
gen der Postfinance sowie den Zah 
lungsverkehr bieten wir unseren Kun 
den als Agent der Schweizer Post an. 
Die täglichen Mutationen und Finanz 
transaktionen werden hier in Liechten 
stein in das System eingegeben, aber in 
der Zentrale der Schweizer Post in Bern 
verarbeitet. Wir mussten hier die Syner 
gien nutzen, um ein effizientes Bearbei 
ten mit minimalen Ressourcen sicher 
zustellen. 
Die restlichen Dienstleistungen wer 
den von der Liechtensteinischen Post 
voll und ganz erbracht, und wie in der 
Vergangenheit wird der Postverkehr 
über die Schweiz an die Drittländer 
weitergeleitet. 
Ist es denkbar, dass die Liechtensteini 
sche Post AG eines Tages sämtliche 
Post-relevanten Aufgaben völlig eigen 
ständig wahrnehmen kann? 
Dr. Donat Marxen Wenn wir die 
Grössenverhältnisse in Liechtenstein 
im Vergleich zu einer Schweizer Post 
oder Deutschen Post begutachten, ist es 
unrealistisch, dass wir alle Post-relevan 
ten Aufgaben völlig selbstständig erbrin 
gen können. Wir brauchen auch in Zu 
kunft Partnerschaften, um unsere 
Dienstleistungen effizient und eigen 
wirtschaftlich erbringen zu können. In 
teressant sind vielleicht ein paar Ver 
gleichszahlen: Die Schweizer Post hat 
heute 3600 Poststellen mit ca. 41000 Be 
schäftigten, wir haben 12 Poststellen mit 
240 Beschäftigten. 
Eine völlig eigenständige Erbringung 
aller Dienstleistungen lässt sich heute 
wirtschaftlich nicht rechnen, wir mUssten 
unzählige Spezialisten aufbauen sowie 
enorme Investitionen in Sachanlagen 
tätigen, wie Sortieranlagen, Postkonto- 
verarbeitungsanlagen und dergleichen 
mehr. Allein die Investitionen der CH- 
Post in den e-commerce-Bereich belau 
fen sich auf mehrere hundert Millionen. 
Wir haben - mit Unterstützung von 
EDV-Fachleuten der Schweizer Post 
und externen Software-Beratern - ein 
eigenes EDV-System aufgebaut. Wir 
sind mit der Schweizer Post heute eng 
vernetzt und haben auch die notwendige 
Flexibilität zur Eigeninitiative. Wir ha 
ben auch die Möglichkeit der EDV-Ver 
netzung mit anderen Partnerorganisa 
tionen. 
Die Post AG sieht nach eigenen Anga 
ben «grosse Chancen, die Potentiale und 
marktgegebenen Wettbewerbsvorteile in 
Liechtenstein zum Nutzen ihrer Kundin 
nen und Kunden verwirklichen zu kön 
nen». Was verstehen Sie konkret darun 
ter? 
Herbert Rüdissen Wir, die Liechten 
steinische Post AG, haben eine Infra 
struktur im Lande Liechtenstein, die ein 
malig ist - und diese Möglichkeiten und 
Chancen gilt es zu nutzen. Wir sind eine 
kleine, effiziente Organisation, die sich 
in eine lernende Organisation ent 
wickeln muss, um auch in Zukunft erfol 
greich operieren zu können. Wir von der 
Geschäftsleitung und vom Verwaltungs 
rat sind überzeugt, dass sich das qualifi 
zierte Personal der Post AG kontinuier 
lich an die neuen Herausforderungen 
anpassen kann und will. Die guten Mit 
arbeiterinnen und Mitarbeiter sind un 
ser Kapital, um die Chancen der Zu 
kunft zu nutzen. 
Unsere Chancen sind die Kundenbe- 
dürfnisse, die heute vielfältiger sind denn 
je. Die Dynamik der Umwelt sowie die 
hohe Erwartungshaltung an ein Service 
public-Unternehmen verlangen Verän 
derungsfähigkeit eines Betriebes. Wir 
wollen die Standortvorteile nutzen, das 
heisst die Kunden individueller beraten 
und unser Dienstleistungsangebot suk 
zessive ausbauen und anpassen. Heute 
unwirtschaftliche Tätigkeiten werden 
wir effizienter gestalten oder gar auflas 
sen, ohne dabei unseren Auftrag als Ser 
vice public-Unternehmen zu beeinträch 
tigen. Wir werden die Drittleistungen 
mit solchen Produkten erweitern, die ei 
ne höhere Wertschöpfung erzielen. 
Die Post AG hat von neuen Angeboten 
gesprochen. Mit welchen Neuerungen 
bzw. Verbesserungen kann die Kund 
schaft in nächster Zeit rechnen? 
Herbert Rüdissen Wir haben bereits 
im Januar mit dem LIE-Express eine 
neue Dienstleistung eingeführt. Dies ist 
ein Kurierdienst, der montags bis frei 
tags von morgens um 7 Uhr bis abends 
um 20 Uhr unseren Kundinnen und 
Kunden angeboten wird. 
Verbesserungen sind im Bereich der 
Öffnungszeiten zu erwarten. Weitere 
Neuerungen sind Schalter, bei denen al 
le Postdienste angeboten werden, die 
Wiedereinführung des Telegrammdien 
stes im Lande Liechtenstein sowie von 
Dringlichkeitschaltern, die Verstärkung 
des Aussendienstes, um nur einige zu 
nennen. Im zweiten Halbjahr werden 
wir auch im Internet auftreten, um den 
Kunden einen Zusatznutzen zu bieten, 
z.B. bei Adressänderungen, Preisbe 
rechnungen usw. Grundsätzlich ist zu 
sagen, dass wir unser Angebot immer 
wieder überdenken und den neuen Be 
dürfnissen anpassen müssen. 
J 
Schweiz ist postalisches Inland 
Die Liechtensteinische Post AG zur Preispolitik 
Vielen Leuten ist die Nachricht sauer 
aufgestossen, dass ab 1. Juli - analog 
zur Schweiz - die Tarife für die Brief- 
und Paketpost auch in Liechtenstein 
massiv erhöht werden sollen. Zur Ta 
rifpolitik der Liechtensteinischen Post 
AG äusserte sich Verwaltungsratsprä 
sident Dr. Donat Marxer gegenüber 
dem Volksblatt wie folgt: 
«Die Schweiz wird nach wie vor als 
postalisches Inland betrachtet. Wir ha 
ben deshalb den Antrag an die Regie 
rung gestellt, die von der Schweizer 
Post vorgeschlagenen Preiserhöhungen 
auch in Liechtenstein umzusetzen. 
Die Preiserhöhung bei der Briefpost 
bis 50 Gramm beträgt 10 Rappen. Die 
se Gewichtsklasse macht 90 Prozent 
des Briefpostvolumens aus. Die höhe 
ren Gewichtsklassen werden von der 
Privatkundschaft eher selten benötigt. 
Die Geschäftskunden können nach 
wie vor auf attraktive Preise zählen, da 
sie von den Mengenrabatten profitie 
ren. 
Falls wir keine Preiserhöhung reali 
sieren, ist das Ziel, die Eigenwirt 
schaftlichkeit zu erreichen, sehr 
schwierig, da sich die Einnahmen auf 
grund der internationalen Abkommen 
reduzieren werden.und die Ausgaben 
seite höher ausfallen wird. Die Basis 
für die Berechnung der Endvergütun- 
gen an andere Postgesellschaften ist 
nämlich der A-Tarif im Inland. Wenn 
die Schweiz oder auch Deutschland 
nun erhöhen, müssten wir auf der ei 
nen Seite höhere Beträge an diese 
Länder zahlen, und auf der anderen 
Seite würden wir tiefere Entschädi 
gungen von diesen Ländern für unsere 
Leistung erhalten.» 
Zur Frühzustellung 
Im Zusammenhang mit der Frühzu 
stellung kommt es noch immer zu Re 
klamationen. Herbert Rüdisser, Vor 
sitzender der Geschäftsleitung der 
Liechtensteinischen Post AG, erklärte 
dazu: «In der Vergangenheit waren 
sporadisch Probleme'ih einzelnen Ge 
meinden vorhanden. Wir von der Post 
haben jetzt eine neue Vollzeitstelle ge 
schaffen, um die Servicequalität der 
Frühzustellung deutlich zu verbessern. 
Weiters haben wir intensive Kontakte 
mit den Zeitungsverlegern und den 
Zeitungsdruckereien aufgenommen, 
um ebenfalls die Anlieferung an die 
Post sicherzustellen. Wir versuchen 
hier ständig die Qualität zu verbes 
sern. Die Zeitungsfrühzustellung ist 
ein integrierter Bestandteil unserer 
Dienstleistungen und wird gleichen 
Qualitätsstandards unterworfen wie 
die anderen Postdienste.» 
Analog zur Schweiz sollen die Tarife fllr die Brief- und Paketpost auch in Liech 
tenstein erhöht werden. (Archivbild)
	        

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