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22 Dienstag, 22. Februar 2000
Ausland
Liechtensteiner Volksblatt
Nachrichten
Kongress der Juden
ruft zu Protest
PARIS: Der in Paris ansässige Europäische
Kongress der Juden hat am Montag zu Massen
demonstrationen gegen die neue österreichi
sche Regierung aufgerufen. Die Protestkundge
bungen sollen am 23. Februar in Strassburg,
Brüssel, Berlin, Rom und London stattfinden,
teilte die Organisation mit. In Frankreich ist die
zentrale Demonstration auf dem Platz vor dem
Europäischen Parlament in Strassburg geplant.
Dort hatten deutsche und elsässische National
sozialisten im September 1940 die historische
jüdische Synagoge in Brand gesteckt.
Indiskretion liess
Durchsuchung platzen
BERLIN: Eine Indiskretion hat eine geplante
Durchsuchung bei Altbundeskanzler Helmut
Kohl platzen lassen. Die Bonner Staatsanwalt
schaft rückte am Montag von ihrer Absicht ab,
im Zuge der Ermittlungen in der Spendenaffä
re Kohls Wohnungen und Büros durchsuchen zu
lassen. Zuvor hatte das Nachrichtenmagazin
«Der Spiegel» über das Vorhaben berichtet. Der
innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion,
Dieter Wiefelspütz, bedauerte das Bekanntwer
den der geplanten Durchsuchung. Doch wurden
auch aus der SPD Zweifel an deren Sinn laut.
Die Staatsanwaltschaftschaft leitete Ermittlun
gen wegen Geheimnisverrats gegen unbekannt
ein und prüft auch den Tatbestand der Strafver
eitelung. Staatsanwalt Roland Wangen sagte,
der bereits am Freitag erwirkte Durchsuchungs-
beschluss werde nicht vollstreckt, weil die Akti
on nur Erfolg verspreche, wenn die Betroffenen
nicht vorab unterrichtet seien. Die Veröffentli
chung habe die Ermittler der Möglichkeit be
raubt, mit den Durchsuchungen «wichtige Er
kenntnisse für die Sachaufklärung zu gewin
nen». Nach Wangens Angaben lagen Durchsu
chungsbeschlüsse für die Büro- und Privaträu
me Kohls in Berlin und Oggersheim sowie für
die Wohnräume von Kohls langjähriger Büro-
chefin Juliane Weber und dem langjährigen
Chauffeur des Altkanzlers, Eckhard Seeber,
vor. Bevorstehende Durchsuchungen wären
wohl in jedem Fall bekannt geworden. Denn zu
vor hätte der Bundestag über die Aufhebung
der Immunität des Abgeordneten entscheiden
müssen. Dies gilt allerdings nicht für Durchsu
chungen bei Weber und Seeber.
Elf Kandidaten für russi
sche Präsidentenwahl
MOSKAU: Bei der Präsidentenwahl in Russ
land am 26. März treten gegen den kommissari
schen Amtsinhaber und klaren Favoriten Wla
dimir Putin zehn Gegenkandidaten an. Die
Zentrale Wahlkommission in Moskau schloss
am Montag die Registrierung der Bewerber ab.
Zuletzt wurden der suspendierte General
staatsanwalt Juri Skuratow, der ehemalige Ge
heimdienstler Jewgeni Sawostjanow und der
umstrittene tschetschenische Unternehmer
Umar Dschabrailow zur Wahl zugelassen. Als
stärkster Herausforderer für Favorit Putin gilt
Kommunisten- Chef Gennadi Sjuganow. Um
fragen zufolge liegt Putin aber deutlich in
Führung und könnte schon im ersten Wahlgang
die notwendigen mehr als 50 Prozent der Stim
men erhalten. Andernfalls kommt es drei Wo
chen später zu einer Stichwahl zwischen den
beiden erstplatzierten Bewerbern. Weitere be
kannte Bewerber sind der liberale Ökonom
Grigori Jawlinski und die Gouverneure der Ge
biete Samara und Kemerowo, Konstantin Titow
und Aman Tulejew. Der Rechtspopulist Wladi
mir Schirinowski wurde wegen falscher Anga
ben über seine Besitzverhältnisse nicht zur
Wahl zugelassen und will dagegen vor Gericht
gehen.
Mandela fordert Teil
nahme an Gesprächen
ARUSHA: Vermittler Nelson Mandela hat die
zwei wichtigsten Rebellenorganisationen ein
dringlich aufgefordert, an den Friedensge-
sprächen für Burundi teilzunehmen. Der Be
ginn der Verhandlungen ist auf Dienstag ange
setzt. «Wenn wir Frieden nach Burundi bringen
wollen, müssen die Rebellen einbezogen wer->
den», sagte Mandela am Montag in Arusha in
Tansania. Südafrikas Ex-Präsident verlangte
nicht nur die Präsenz von allen 18 politischen
Parteien, sondern auch der bewaffneten Grup
pen». Am Dienstag sollten die Verhandlungen
beginnen. Die Guerillagruppen Verteidigungs
kräfte der Demokratie (FDD) und Nationale
Befreiungskräfte (FNL) haben ihre Teilnahme
noch nicht zugesagt.
Bundesrat Deiss in der Türkei
Politischer Dialog zwischen Bern und Ankara wieder aufgenommen
ANKARA: Die Beziehungen
zwischen der Schweiz und der
Türkei scheinen sich zu ent
spannen. Der politische Dialog
ist nach den Worten von Bun
desrat Joseph Deiss wieder in
Gang gekommen.
Deiss hat am Montag in Ankara sei
nen türkischen Amtskollegen Is
mail Cem zu einem Besuch in die
Schweiz eingeladen. Er hoffe, dass
Cem noch dieses Jahr kommen kön
ne, sagte Deiss nach Angaben der
Nachrichtenagentur Anadolu. Nach
einem Treffen mit seinem türki
schen Amtskollegen Ismail Cem
sagte EDA-Vorsteher Deiss am
Montag vor den Medien in Ankara:
«Der politische Dialog zwischen der
Schweiz und der Türkei ist wieder
aufgenommen.» Cem und Deiss be
sprachen während rund zwei Stun
den bilaterale Fragen und die Men
schenrechte.
Intensiv und freundschaftlich
Das zweistündige Gespräch mit
dem türkischen Aussenminister sei
«intensiv und freundschaftlich» ge
wesen, sagte Deiss weiter. «Wir
hoffen, dass auf dieser Basis die
Beziehungen zwischen der Türkei
und der Schweiz in Zukunft ver
tieft werden können», unterstrich.
Deiss.
Deiss und Cem erörterten unter
anderem die Justizreformen in der
Türkei. Wie Deiss ausführte, ist der
Austausch von Experten geplant.
Er sei nicht ins Land am Bos
porus gekommen, um Lektionen zu
erteilen, betonte Bundesrat Deiss.
«Jeder muss bereit sein vom Ande
ren zu lernen.» Dies gelte für die
Frage der Menschenrechte, die dis
kutiert worden sei. Die Türkei sei
sehr sensibel in dieser Frage, fügte
Bundesrat Joseph Deiss (links) befindet sich zu Gesprächen mit Ismail Cem in Ankara.
der Schweizer Aussenminister hin
zu.
Die Schweiz hoffe, dass die Ver
besserungen in diesem Bereich für
alle türkischen Staatangehörigen
gelte, sagte Deiss weiter. Vor seinem
Gespräch mit dem türkischen Aus
senminister war er am Montag mit
Vertretern der zwei wichtigsten
Menschenrechtsorganisationen der
Türkei zusammengetroffen.
Der Fall Öcalan kam beim Tref
fen zwischen Cem und Deiss eben
falls zur Sprache. Deiss begrüsste
den Entscheid der Türkei abzuwar
ten, wie der Europäische Gerichts
hof für Menschenrechte entscheide.
Erst anschliessend wird das türki
sche Parlament über das Todesurteil
gegen den Chef der kurdischen Ar
beiterpartei (PKK) entscheiden.
Intensivierung der
Zusammenarbeit
Im Gespräch mit Cem sprach
Deiss auch wirtschaftliche Fragen
an. Dabei habe der türkische Aus
senminister den Wunsch geäussert,
dass die wirtschaftlichen Beziehun
gen zwischen der Schweiz und der
Türkei intensiviert würden, sagte
Deiss vor den Medien weiter.
Der geplante Türkei-Besuch von
David Syz, Staatssekretär für Wirt-
Militärparade in Grosny
Weitere Luftangriffe im Gebirge
MOSKAU: Knapp zwei Wochen
nach der Eroberung von Grosny hat
die russische Armee in der tschet
schenischen Hauptstadt am Montag
mit einer Militärparade ihre Stärke
demonstriert. Die russische Luft
waffe setzte ihre Angriffe im Süden
Tschetscheniens fort.
Anlass für die Parade in Grosny
waren vorgezogene Feiern für den
«Tag der Armee» an diesem Mitt
woch. Während Verteidigungsmini
ster Igor Sergejew am Flughafen
Sewerni den Vorbeimarsch von
Einheiten verschiedener Waffen
gattungen abnahm, dröhnten
Kampfflugzeuge und Helikopter
im Formationsflug über das Gelän
de hinweg.
Sergejew überreichte den für den
Tschetschenien-Feldzug hauptver
antwortlichen Generälen Viktor
Kasanzew, Gennadi TVoschew und
Wladimir Schamanow die in Mos
kau unterzeichneten Beförderungs
urkunden. Parade und Beförde
rungszeremonie wurden vom russi
schen Fernsehen übertragen.
Putin: Krieg wird fortgesetzt
In Moskau kündigte Übergangs
präsident Wladimir Putin bei einem
Empfang für führende Militärs im
Kreml die Fortsetzung des Kriegs in
Tschetschenien «bis zu seinem logi
schen Ende» an.
Darunter verstand Putin nach
Angaben der Agentur Interfax die
vollständige Eroberung der von
Moskau abtrünnigen Kaukasus-Re
publik und ihre «Befreiung von den
Terroristen», wie die Rebellen im
offiziellen Sprachgebrauch Mos
kaus genannt werden. Den bisheri
gen Verlauf des Feldzugs wertete
Putin positiv.
Im Gegensatz zu den demonstra-
Russische Soldaten halten die Stellung mit einem Panzer.
tiven Schauflügen über Grosny flo
gen Kampfflugzeuge der russischen
Luftwaffe im Gebirge im Süden von
Tschetschenien Einsätze gegen
Stellungen der Rebellen.
Im Mittelpunkt der Bomben- und
Raketenangriffe lagen Stützpunkte
der Rebellen auf beherrschenden
Höhen rund um die Argun-Schlucht
und im Tal von Wedeno, berichtete
Interfax. Über den Verlauf der
Kampfhandlungen der Bodentrup
pen lagen keine gesicherten Anga
ben vor. i
Die Gesamtzahl der in Tschet
schenien noch aktiven Rebellen
wurde> von! russischen Innenminis
terium auf rund 5000 Mann ge-
schaft, in der zweiten Jahreshälfte
sei ein Zeichen dafür, dass auch die
Schweiz an einer Intensivierung in
teressiert sei. Bundesrat Deiss traf
am späten Montagnachmittag noch
mit dem türkischen Staatschef
Süleyman Demirel und Regierungs
chef Bülent Ecevit sowie Justizmi
nister Hikmet Sami Türk zusam
men. Am Morgen hatte er vor dem
Atatürk-Mausoleum in Ankara ei
nen Kranz niedergelegt. Am Diens
tag wird Bundesrat Deiss in Istan
bul mit Wirtschafts-und Handels
vertretern zusammen treffen und
anschliessend wieder in die Schweiz
zurückkehren.
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schätzt. Von diesen stünden knapp
zwei Drittel in der Gebirgsregion im
Süden im Einsatz, sagte Wjatsches-
law Tichomirow, Oberbefehlshaber
der Sondertruppen des Moskauer
Innenministeriums.
Nach Darstellung russischer Mi
litärs bereiteten die im Gebirge ein
gekesselten Rebellen die Öffnung
eines Korridors in die benachbarte
Republik Georgien vor.
Dabei sollte vor allem dem aus
Jordanien stammenden Feldkom
mandanten Chattab und Söldnern
aus arabischen Staaten die Flucht
ermöglicht werden, berichtete die
Agentur Itar-Tass unter Berufung
auf militärische Kreise.
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