Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2000)

Liechtensteiner Volksblatt 
Inland 
Freitag, 18. Februar 2000 5 
«Pappadeckelhüüsle» werden den 
qualitativen Ansprüchen nicht gerecht 
Volksblatt-Streitgespräch zum Thema Förderung des preiswerten Wohnungsbaues 
(Fortsetzung von Seite 4) 
Herr Oehri, kommen wir zurück zu den 
Anlagekosten. Das Referendumskomi 
tee behauptet, dass aufgrund der niede 
ren Anlagekosten, Gebäude in Hang 
lagen kaum realisierbar sind 
Dagobert Oehri: Eine Gebäudeerstel 
lung in Hanglage ist mit erschwerten 
Voraussetzungen verbunden. Zum Teil 
müssen Sicherungen, Verankerungen 
und Hangverbauungen angebracht wer 
den, damit diese Gebäude überhaupt an 
den Hang angegliedert werden können. 
Die zehn Prozent Mehrkosten, welche 
das neue Gesetz zuläSst, das sind rund 
40000Franken... 
Lorenz Heeb: ... bei Anlagekosten 
von 52 500 Franken ... 
Die Regierung muss 
den Rahmen für 
erschwerte Anlage 
kosten bestimmen 
Dagobert Oehri: ... Das ist richtig, 
aber Ihr geht davon aus, dassmannurllO 
Quadratmeter gross bauen darf... 
Lorenz Heeb: ...Man sollte, aber man 
darf auch mehr. Wer es vermag, darf auch 
grösser bauen... 
Dagobert Oehri: ... Durch eine 
Hanglage kommen hohe Kosten auf den 
Bauherrn zu, welche durch die speziell 
geforderten Massnahmen dazukommen, 
um das Gebäude auch sicher zu bauen. 
'Das gleiche kann bei Pfählungen und 
Grundwassersicherung entstehen. Es 
gibt verschiedene notwendige Mittel, 
welche die Kosten in die Höhe treiben 
können... 
Lorenz Heeb: Diese um 10 % erhöh 
ten Anlagekosten bei erschwerten Be 
dingungen sind von der Regierung für 
die Verordnung zum Gesetz vorgeschla 
gen worden. Aufgrund des Vernehmlas- 
sungsergebnisses kann die Regierung 
diesen Prozentsatz auch erhöhen, wenn 
es sich als begründet erweist. Ich habe 
mir speziell Bauten angesehen, bei wel 
chen gepfählt oder Grundwassersiche 
rung gemacht werden musste. Ich erwar- 
Dagobert Oehri: 
«Fertighäuschen 
entsprechen über die 
Jahre hinweg den 
qualitativen 
Ansprüchen nicht.» 
Dagobert Oehri: Ich spreche nicht von 
diesen extremen Beispielen in der Ebe 
ne, sondern vor allem von Gebäuden in 
Hanglagen, wo auch mit Hangverbauun 
gen gearbeitet werden muss... 
Lorenz Heeb:... Die Regierung kann 
mit der Verordnung darauf reagieren. Je 
doch finde ich es nicht sinnvoll, in jeden 
«Kraha» hinauszubauen. 
Herr Heeb, dann relativieren Sie also die 
Aussage, dass die Anlagekosten im neu 
en Gesetz realistisch angesetzt wurden? 
Lorenz Heeb: Die erschwerten Bedin 
gungen werden separat geregelt. Heute 
wird bei erschwerten Bedingungen auch 
noch ein grosses Haus gebaut. Daraus 
können hohe Anlagekosten resultieren. 
Ich sehe da aber schon einen Nachteil, 
beispielsweise in THesenberg. 
Dagobert Oehri: Aber ein Triesenber- 
ger kann nichts dafür, dass sein Grund 
stück sich in einer Hanglage befindet. 
Dies kann jedoch auch einen Plankner 
oder Schellenberger treffen, wo es auch 
extreme Hanglagen gibt... 
Lorenz Heeb: Dann müssten wir eine 
«LexTriesenberg» machen... 
Herr Heeb, ein Raumplanungsgesetz ist 
in Ausarbeitung. Nicht nur im raumpla- 
nerischen Sinn wird überall die verdich 
tete Bauweise propagiert. Warum wollen 
Sie die Subventionen für eine verdichte 
te Bauweise streichen? 
Lorenz Heeb: Es wäre schön, wenn 
diese Subventionen noch eine raumpla- 
nerische Wirkung erzielen würden.Tatsa- 
che ist, dass in den letzten drei Jahren je 
ne Darlehensnehmer, die für das ver 
dichtete Bauen subventioniert wurden, 
sei es im Stockwerkeigentum oder auch 
bei Reihenhäusern, meist nicht mehr an 
ders bauen hätten können. Diese Bau 
herren hatten entweder keinen Boden, 
oder eben zu wenig, um ein freistehendes 
Eigenheim zu bauen. Mit der Subvention 
für verdichtetes Bauen wollte der Ge 
setzgeber einer Zersiedelung entgegen 
wirken. Früher gab es praktisch nur 
Streusiedelungen. Diese Massnahme war 
früher begründet. Sie hat aber zuneh 
mend an Bedeutung verloren. Heute 
sind diese Subventionen in der Tat zu ei 
nem Geschenk geworden, welches nur 
te von den Architekten, dass sie Eigen 
heime nicht ins Grundwasser bauen. Da 
mit kann man Kosten sparen. Wenn man 
von Schaan Richtung Buchs fährt, sieht 
man es deutlich bei alten Häusern: je 
mehr man sich dem Rhein zu nähert, 
desto weiter schaut das Kellergeschoss 
aus dem Erdreich heraus. So kann Grund 
wassersicherung betrieben werden. Ab 
gesehen davon ist der Grundwasserspie 
gel ohnehin sehr tief. Bei Pfählungen ha 
be ich noch nie eine Abrechnung gese 
hen, welche eine Ausschöpfung der 
10 Prozent verlangt hätte... 
die Kosten für den Bauherrn reduziert, 
aber raumplanerisch wirkungslos ist. Es 
kann mir niemand, der eine Stockwerk 
wohnung kauft,angeben, dass er auch an 
ders könnte. Wer ein Stockwerkeigentum 
kauft, hat keinen eigenen Boden. Warum 
gibt man einem Mieter die 43 000 Fran 
ken nicht? Ein Mieter hat doch dasselbe 
Recht. Im alten Gesetz werden die Gel 
der verschenkt, ohne jegliche Wirkung. 
Das neue Gesetz sieht keine Subven 
tionen mehr vor, sondern ein bis 20 000 
Franken erhöhtes Darlehen. Wollte man 
heute noch ein bisschen raumplanerische 
Wirkung betreiben, dürfte man nur noch 
für verdichtete Bauten Darlehen ge 
währen, freistehende Bauten dürften 
nicht mehr gefördert werden ... 
Dagobert Oehri:... Ich bin da über 
haupt nicht Ihrer Meinung, Herr Heeb. 
Ich habe beispielsweise viele Kunden, die 
genug Boden um das Haus herum haben. 
Diese habe ich aber überzeugt, dass es 
sinnvoller ist, verdichtet zu bauen, damit 
Wir wollen 
Leitplanken setzen 
sie diese Subventionen bekommen und 
dem raumplanerischen Aspekt Genüge 
tun. Viele haben mir dann gesagt, dass sie 
aufgrund dieser Subventionen, die Sie 
jetzt streichen wollen, verdichtet bauen, 
um auch in raumplanerischer Hinsicht 
etwas zu tun. Das ist genau der Punkt, 
welchen die Kommission eigentlich er 
reichen wollte: die Verschuldung redu 
zieren. Aber durch die Streichung der 
Subventionen wird die Verschuldung ge 
rade erhöht. 
Lorenz Heeb: Das ist schon richtig. 
Der Schuldenanteil wird höher, wenn 
man 150 Quadratmeter grosse Häuser 
baiit. Aber der Schuldenanteil wird ge 
ringer, wenn man kleiner und mit redu 
ziertem Ausbaustandard baut. Aus der 
Statistik geht hervor, dass im Jahre 1997 
von 102 verdichteten Bauten, deren 72 
im Stockwerkeigentum errichtet wur 
den. Das sauge ich mir nicht aus den Fin- 
mehr Fördergelder des Staates. Es gibt 
keine Anreize zum Sparen. Im neuen 
Gesetz sind diese Anreize aber gegeben, 
weil bei 110 m 2 Nettowohnfläche der 
Darlehensanteil am höchsten ist... 
Dagobert Oehri:... Das stimmt eben 
auch nicht, Herr Heeb. Schauen Sie sich 
unser Rechenbeispiel in der Abstim 
mungsbroschüre an. Die Förderung nach 
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gern. Die konnten bestimmt nicht als 
Einzelbauten erstellt werden, Subventio 
nen für verdichtetes Bauen sind deshalb 
fehl am Platz... > 5 
Dagobert Oehri: Etageqwohnungen 
sind doch auch eine Form der Eigen 
tumsförderung. Es sind doch in der Regel 
solche Menschen, die eine Eigentums 
wohnung kaufen, die nicht in der Lage 
sind, ein freistehendes Haus oder auch 
ein Reihenhaus zu kaufen. Genau diese 
Menschen sind dankbar, dass sie eine 
Subvention bekommen... j 
Lorenz Heeb: ... Wir verstehen uns 
falsch. Was rechtfertigt ein Geschenk von 
43 000 Franken, welches raumplanerisch 
keine Wirkung erzielt? 
Dann werden in Zukunft wohl kaum 
mehr Reihenhäuser gebaut, weil diese 
nicht mehr speziell subventioniert wer 
den und dadurch der Anreiz wegßllt? 
Lorenz Heeb: Ein Reihenhaus wird 
aus folgendem Grund gekauft: Man will 
ein Haus, man hat aber selbst keinen Bo 
den. Man kauft ein Reihenhaus mit dem 
Boden zusammen, wie auch eine Etagen 
wohnung. Beim Bau von Reihenhäusern 
können auch Synergien genutzt werden. 
Ich finde, Reihenhäuser sind nach wie 
vor sehr attraktiv. Man wird sie weiterhin 
bauen, auch ohne spezielle Subventio 
nen. Wer an den fehlenden 25 000 Fran 
ken und an deren Verzinsung zu schei 
tern droht, der soll das Bauen besser blei 
ben lassen. > i 
\ 
Herr Oehri, wirdein eventuellerflnanzi- 
elier Ruin durch das neue Gesetz abge 
wendet? 
Dagobert Oehri: Nein, dieser mögliche 
Ruin droht eben noch mehr, weil die An 
fangsverschuldung noch höher ist, weil er 
die Subvention für verdichtetes Bauen 
nicht bekommt und die Anlagekosten 
tiefer angesetzt wurden... 
Lorenz Heeb: ... Herr Oehri, das 
stimmt einfach nicht. Wenn man nur 110 
Quadratmeter gross baut, ist der Förde 
rungsanteil unwesentlich kleiner. Ein fol 
genschwerer Schwachpunkt des Geset 
zes ist: Wer grösser baut, bekommt auch 
dem alten Gesetz ist in Wahrheit eben 
doch höher, als sie im neuen Gesetz vor 
gesehen wird ... 
Lorenz Heeb: Zugegeben, aber das 
neue Gesetz bietet Leitplanken, mit wel 
chen die Darlehensnehmer kleiner bau 
en werden... 
Dagobert Oehri:... Dieses Argument 
sticht nicht, denn unser Rechenbeispiel 
basiert auf einer Wohnung mit lediglich 
105 Quadratmetern... 
Lorenz Heeb: Ich bestreite nicht, dass 
die Leute weniger Fördermittel bekom 
men. Weil viele heute gross, und damit 
auch teuer bauen, ist auch die Verschul 
dungen sehr hoch. Ich möchte die Gefahr 
der Überschuldung noch mit Zahlen be 
legen. Aus dem Bericht der Revisions 
stelle OTG geht hervor, dass die Stun 
dungen und Sistierungen von Tilgungsra 
ten für die Darlehen von 26 000 Franken 
im Jahre 1995 auf 953 000 Franken im 
Jahre 1998 angewachsen sind, und dies in 
einer Zeit mit sehr niedrigen Hypothe 
karzinssätzen. Das bedeutet, dass knapp 
Es ist raumplanerisch 
sinnvoller, verdichtet 
zu bauen 
ein Achtel aller Raten nicht rechtzeitig 
oder gar nicht bezahlt werden konnten. 
Dies ist alarmierend. Sollte der Hypothe 
karzins um wenige Prozente erhöht wer 
den, Anzeichen dafür bestehen, wird es 
für viele geförderte Eigenheimbesitzer 
sehr eng werden... 
Dagobert Oehri: Wir sagen nicht, dass 
es aufgrund des alten Gesetzes keine 
Überschuldung gibt. Jedoch sind die An 
lagekosten, die heute noch gelten, in un 
seren Augen realistisch angesetzt. Das 
neue Gesetz kann die Überschuldung 
nicht reduzieren, auch nicht durch die 
nochmalige Kürzung der Anlagekosten 
um zehn Prozent. 
Herr Heeb, Sie haben vorhergesagt, dass 
die Leute weniger Geld bekommen. Un 
ser Staat veifügt über Reserven in der 
Höhe von etwa 800 Millionen Franken. 
Warum wollen Sie nicht einen Teil dieses 
Geldes dafür verwenden, dass Liechten 
steinerinnen und Liechtensteiner Grund 
eigentum erwerben können? 
Lorenz Heeb: Es geht allen Landtags 
abgeordneten darum, Verantwortung für 
unseren Staat zu übernehmen. Es ist 
nicht nur die heutige Situation zu be 
trachten. Zwischen 20 und 25 Millionen 
Franken gibt der Staat im Bereich der 
Wohnbauförderung für vergleichsweise 
wenige Personen jährlich aus. Das gibt es 
sonst nirgendwo auf dieser Welt. Liech 
tenstein ist in dieser Hinsicht - ich möch 
te fast sagen - ein Schlaraffenland. Der 
Landtag möchte die Finanzierbarkeit der 
Wohnbauförderung auch für die Zu- 
Ich bestreite 
nicht, dass wir die 
Leute weniger Geld 
bekommen 
kunft gewährleisten. Wer garantiert, dass 
unser Dienstleistungssektor so weiter 
läuft? Fällt die eine oder die andere Steu 
erart aus, die Diskussionen laufen be 
kanntlich, dann sieht es so aus, dass wir 
gerade eben herauskommen. Wer garan 
tiert, dass die Einnahmen immer so wei 
ter fliessen?... 
Dafür wird die Mehrwertsteuer erhöht? 
Lorenz Heeb: ...Das ist nicht garan 
tiert. Man weiss noch nicht, ob Liech 
tenstein mit der Schweiz nachzieht. 
Der Staat unterstützte mit ca. 70 % 
der Einnahmen aus Einkommens- und 
Vermögenssteuer Wohnbauförderung. 
Ein Teil davon soll neu bedürftigen 
Mietern durch die Förderung des ge 
meinnützigen Wohnungsbaues zugute 
kommen... 
Dagobert Öehit Ich bin der Überzeu 
gung, dass der gemeinnützige Wohnungs 
bau nach wie vor nicht funktionieren 
wird. Seit 1977 ist diese Institution im Ge 
setz verankert. Ich kenne bis anhin kei 
nen einzigen Falle, wo von dieser Institu 
tion Gebrauch gemacht wurde. Dennoch 
unterstütze ich diesen Aspekt, wenn auch 
die Mieter profitieren können. 
Lorenz Heeb: Ich weiss nicht, warum 
die Gemeinden vom gemeinnützigen 
Wohnungsbau bis anhin keinen Ge 
brauch machen wollten. Vielleicht war 
das Gesetz nicht praktikabel genug. 
Attraktiv war es aber immer. 
Dagobert Oehri: Unsere Kritikpunk 
te, die uns bewogen haben, das Refe 
rendum zu ergreifen, lagen nie im gem 
einnützigen Wohnungsbau, sondern 
alieine im Bereich des privaten Woh 
nungsbaues ...
	        

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