Volltext: Die liechtensteinische Grundrechtsordnung

Anspruch auf rechtliches Gehör 2. Anspruch auf rechtliches Gehör a) Grundsätzliche Bedeutung Der Anspruch auf rechtliches Gehör zählt zu den ältesten Verfahrens­ grundsätzen der Rechtspflege überhaupt. Verfassungsrechtlich lässt sich der Grundsatz bis zur Magna Charta von 1215 zurückverfolgen.96 Nicht zu Unrecht hat das deutsche Bundesverfassungsgericht es als das "pro­ zessuale Urrecht des Menschen" gekennzeichnet.97 Als zentrales Ele­ ment eines rechtsstaatlichen Verfahrens dient das rechtliche Gehör der Sachaufklärung und damit der Sachgerechtigkeit. Allerdings wurzelt diese mehr instrumentale Funktion in einem autonomen Geltungsgrund. Der Anspruch auf rechtliches Gehör gewährleistet die Selbstbehauptung des einzelnen und ist damit prozessuale Ausprägung der Gewährleistung menschlicher Würde.98 Als explizite Verfassungsgarantie findet man den Anspruch auf recht­ liches Gehör jedoch im Fürstentum Liechtenstein ebensowenig wie in der Schweiz.99 b) Die Entwicklung der Rechtsprechung des Staatsgerichtshofs Dies mag erklären, warum sich die Judikatur des Staatsgerichtshofs nur zögerlich und höchst widerspruchsvoll dem Grundsatz genähert hat. In einer frühen Entscheidung führt der Staatsgerichtshof zwar aus, in allen Rechtsstaaten gelte der Grundsatz des Parteiengehörs, und auch das Landesverwaltungspflegegesetz werde davon beherrscht;150 doch geht das Gericht offenkundig nicht von seiner verfassungskräftigen Fun­ dierung aus. In Staatsgerichtshof 1960/9 findet sich dagegen nach nähe­ rer Subsumtion die Feststellung: "Eine Verletzung verfassungsmässig gewährleisteter Rechte durch Verweigerung des rechtlichen Gehörs liegt * Zur Geschichte s. etwa H. Rüping, in: Bonner Kommentar, Art. 103 Abs. 1 Abschnitt I; Franz-Ludwig Knemeyer, Rechtliches Gehör im Gerichtsverfahren, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. VI, § 155 Rn. 6 ff. 97 S. BVerfGE 55, 1 (6); zur Bedeutung des Grundsatzes für die Prozesspraxis und für das Verfassungsbeschwerdeverfahren s. etwa Wolfram Waldner, Der Anspruch auf rechtli­ ches Gehör, 1989, passim. 91 Dazu s. etwa Höfling, Offene Grundrechtsinterpretation, S. 100 f.; Rüping, in: Bonner Kommentar, Art. 103 Abs. I Rn. 11 f.; E. Schmidt-Assmann, in: Maunz/Dürig, An. 103 Abs. 1 Rn. 1 ff. ** Zur schweizerischen Verfassungsrechtlage s. J. P. Müller, Grundrechte, S. 267 ff. '® Entscheidung vom 14. November 1949, ELG 1947-1954, 221 (223). 245
	        

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