Volltext: Fünf Jahrhunderte italienische Kunst aus den Sammlungen des Fürsten von Liechtenstein

punkt in der Skulpturensammlung bildet — Werke nach Ent- 
würfen von Giambologna, sowie eigenständige Arbeiten 
von Gianfrancesco Susini und Francois Duquesnoy (Kat. 
Nr. 49 und 50 sowie 53 bis 57). Daß es Karl Eusebius war, 
der diese Skulpturen erwarb, kann aufgrund des Inventares 
von 1658 kaum bezweifelt werden, auch wenn die Quellen 
dies nicht ausdrücklich bestätigen. Wo aber und unter wel- 
chen Umständen dies geschah, ist nicht bekannt. Geringe 
Kenntnisse liegen auch bezüglich der Gemäldesammlung 
des Fürsten vor. Schon was Fürst Karl I. seinem Sohn ver- 
erbte, ist nahezu ungewiß, ebenso, was Karl Eusebius 
während seiner langen Sammeltätigkeit hinzuerwarb. Nur 
wenige Rechnungslisten geben Auskunft über bei Händlern, 
Sammlern oder Malern gekaufte Kunstwerke. So befand 
sich beispielsweise unter den im Jahre 1677 von Freiherr 
Johann Carl von Eck und Hungerspach an den Fürsten ver- 
kauften Gemälden auch «Die Lucretia von Cairo», die wohl 
mit dem gleichnamigen Gemälde des Malers Francesco del 
Cairo (Kat. Nr. 30) identifiziert werden muß. Insbesondere 
die im Jahre 1678 vom Maler Frans von Imstenrad erstellte 
Liste mit Kunstwerken, welche Karl Eusebius erworben 
hatte, weist zahlreiche Gemälde von bedeutenden italieni- 
schen Künstlern auf, die sich jedoch nur vage und häufig 
unter geändertem Namen mit noch heute in den Sammlun- 
gen vorhandenen Werken in Verbindung bringen lassen‘. 
Wiederholt verkaufte auch der Maler Johann Spielberger 
dem Fürsten Gemälde, worunter sich jenes bekannte «Bild- 
nis eines Mannes» von 1456 befand, das heute einem 
französischen Meister zugeschrieben wird*, zur Zeit Karl 
Eusebius' jedoch als Werk des Andrea Mantegna galt. In 
einem alten Manuskript, der «Fata Liechtensteiniana» von 
M. E. von Hächelberg aus dem Jahre 1725, heißt es, Fürst 
Karl Eusebius habe für einen «berühmten Hieronymus von 
Rafael» Tausende ausgegeben — zweifellos eine Legende, 
denn das Gemälde mußte später der Hand Guido Renis 
zugewiesen werden und kam darüber hinaus vermutlich erst 
1692 durch Fürst Johann Adam in die Sammlung, aber 
gleichwohl eine aufschlußreiche Legende, denn in ihr 
kommt die der Nachwelt überlieferte Sammelleidenschaft 
des Fürsten zum Ausdruck, welche ihn in ihrem Urteil zum 
Begründer der Fürstlich Liechtensteinischen Sammlungen 
werden ließ. So bedeutsam der Anteil an italienischen 
Gemälden in der Sammlung von Karl Eusebius auch gewe- 
sen sein mag, eine klar erkennbare Hinwendung zur Male- 
rei Italiens läßt sich darin, nicht zuletzt aufgrund mangeln- 
der schriftlicher Auskünfte, keineswegs ausmachen. Es 
scheint. als habe der Fürst im Bereich der Architektur und 
Skulptur, als Sammler wie als Auftraggeber, deutlichere 
Akzente gesetzt. 
In dem schon zitierten Brief an Johann Adam äußert Karl 
Eusebius die Meinung, daß «curiose», d.h. allseitig und 
insbesondere an Kunst und Kultur interessierte Fürsten 
«durch den lust angetrieben» werden. Diese über das rein 
standesgemäße Kulturbewußtsein hinausgehende Antriebs- 
kraft vermochte der Vater auf den Sohn zu übertragen, bei 
welchem sie schließlich einen «bewußten Zug ins Groß- 
artige» (G. Wilhelm) annahm. Die historischen und politi- 
schen Umstände begünstigten die Ambitionen Johann 
Adams, der nach der endgültigen militärischen Nieder- 
schlagung der Türken vor Wien im Jahre 1683 zu den ersten 
Mitgliedern führender Wiener Adelsfamilien gehörte, die 
sich außerhalb der bis dahin Schutz gewährenden Stadt- 
mauern um den Erwerb von Baugrund bemühten. In der 
Schenkenstraße (heute Bankgasse) war mit dem 1694 
erfolgten Kauf des unweit der kaiserlichen Hofburg gelege- 
nen Grundstückes auch die Inbesitznahme eines schon unter 
dem Voreigentümer Dominik Andreas Graf Kaunitz begon- 
nenen Palastes verbunden, der in seinem anfänglichen 
Entwurf auf den Architekten Enrico Zuccalli zurückgeht. 
Johann Adam übertrug die Weiterführung dieses zum künf- 
tigen Residenzpalais erhobenen Bauwerkes dem bereits für 
das Gartenpalais in der Roßau* engagierten Architekten 
Domenico Martinelli, der aus Lucca stammte und in Rom 
Schüler des Carlo Fontana war (vgl. Kat. Nr. 44). Ob die 
Entscheidung für Martinelli in Johann Adams Präferenz für 
italienische Künstler begründet lag, obgleich der große Wie- 
ner Architekt Johann Bernhard Fischer von Erlach für den 
Fürsten zuvor schon das Reitstallgebäude in Eisgrub 
(Mähren) sowie das Belvedere auf dem Roßau-Grundstück 
bei Wien (Kat. Nr. 45) errichtet bzw. entworfen hatte, kann 
nur vermutet werden. Sicherlich spielten bautypologische 
Wünsche Johann Adams eine wichtige Rolle, deren prakti- 
sche Umsetzung er wohl besser durch Martinelli als durch 
Fischer von Erlach gewährleistet sah. Auch zur Innenaus- 
stattung beider Paläste zog der Fürst vorrangig italienische 
Künstler heran — den Bildhauer Giovanni Giuliani, der 
häufig nach Modellen Giuseppe Mazzas und Massimiliano 
Soldanis arbeitete, die Maler Marcantonio Franceschini. 
Andrea Pozzo, Andrea Lanzani und Antonio Bellucci, 
schließlich den Stukkateur Santino Bussi. Sie alle trugen 
unter der regen Anteil- und Einflußnahme Johann Adams 
dazu bei, daß sich Stadt- und Gartenpalais zu italienischen 
«Gesamtkunstwerken»* formten, in denen der Fürst eine 
prachtvolle und wahrhaft barocke Hofhaltung entfaltete.
	        

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