EINLEITUNG
In größerem Zusammenhang wurde italienische Kunst aus
den Sammlungen des Fürsten von Liechtenstein vor mehr
als vierzig Jahren gewürdigt — im Rahmen einer die Mei-
sterwerke der gesamten Fürstlich Liechtensteinischen
Sammlungen umfassenden Ausstellung, die 1948 im Kunst-
museum Luzern zu sehen war. Auch die Ausstellung im
New Yorker Metropolitan Museum von 1985/86, welche die
Fürstlichen Sammlungen letztmalig im Überblick zur Schav
stellte, zeigte Werke italienischer Kunst, doch in ver
gleichsweise gestraffter, vor allem im Bereich der Malere:
auf glanzvolle Höhepunkte zielender Auswahl. In Liechten-
stein selbst, wo die Sammlungen seit Ende des Zweiten
Weltkrieges beheimatet sind, beschränkte sich die öffentli-
che Präsentation italienischer Kunstwerke allein auf die Zeit
des 14. bis 16. Jahrhunderts, auf jenen Sammlungsbereich
also, der seine Entstehung primär dem retrospektiv auf die
Kunstgeschichte gerichteten Blick des 19. Jahrhunderts ver-
dankt. Nicht vergegenwärtigt werden konnte damit freilich
die bislang produktivste Beziehung der Fürsten von Liech
tenstein zur italienischen Kunst während des Barock, wel-
che insbesondere Karl Eusebius (1611-1684), Johann Adam
Andreas (1657-1712) und Joseph Wenzel (1696-1772) aus-
zeichnete. Sie gaben den Sammlungen ihr unverwechsel-
bares, bis heute erkennbares Gepräge. Als Sammler und
Auftraggeber war ihr Wirken wesentlich auf zeitgenössi-
sches Kunstschaffen konzentriert, und gerade hier spielten
italienische Künstler eine bedeutende, bei Johann Adam
Andreas die bedeutendste Rolle.
Durch Fürst Karl Eusebius wurden vermutlich nicht die
ersten italienischen Kunstwerke erworben, und es ist auch
nur bedingt richtig, in ihm den Begründer der Fürstlich
Liechtensteinischen Sammlungen zu sehen. Doch anders als
sein Vater, Fürst Karl I. (1569-1627), entwickelte Karl
Eusebius eine ausgeprägte Kunstleidenschaft, die ihren
Niederschlag in reger Bau- und Sammeltätigkeit fand. Als
Bauherr engagierte er, neben anderen, nachweislich auch
italienische Künstler — Architekten, Steinmetze, Maler und
Stukkateure, deren Namen heute allerdings wenig geläufig
sind. In einem Brief vom 25.6.1681 an seinen Sohn Johann
Adam Andreas nimmt Karl Eusebius jedoch selbstbewußt
Maß an großen italienischen Künstlerpersönlichkeiten:
«Dann D. e Ldten. müssen ein perfecter architectus werden,
zu übertrefen den Michäel Angello Bona Rota, den Jacomo
Barrozio da Viniola, welcher ist unser lieber meister, von
welchen wir die theillung der fünff seylen gelehrnet undt
genohmen haben, den Bernin und andere vornehmbe, so
jetzt sein undt sein werden. Undt wehr sich in einer sach
sehr beliebet, maßen die architectur wohl wehrt ist, daß
mann sich mit ihr belieben kann, dieweillen sie große ehre
und ruhm giebet, der kann wohl so guet reusciren alß alle
diese vornehme meister. ..»'. Es gilt also, selbst Künstler
vom Range Michelangelos oder Gian Lorenzo Berninis.
dessen jüngerer Zeitgenosse Karl Eusebius war, durch die
eigenen architektonischen Ambitionen zu überflügeln. Wie
ernst es Karl Eusebius mit der Baukunst war, beweist nicht
zuletzt sein vermutlich in vorgerücktem Lebensalter ver-
faßtes «Werk von der Architektur», dem die «Regola dell;
cinque ordini di architettura» des Giacomo da Vignola, der
ebenfalls im Brief an Johann Adam erwähnt ist, sowie die
Kenntnis anderer Architekturtraktate zugrunde liegen.
Obschon das theoretische und praktische Wirken des Für-
sten Karl Eusebius auf dem Felde der Baukunst, gemessen
an den von ihm zitierten Größen, die er zwar seinem Sohn
vor Augen hielt, eben deshalb aber auch für ihn selbst den
Maßstab bildeten, gering war, so darf es doch gleichwohl
nicht gering geschätzt werden, denn der sich in diesem
Wirken offenbarende höchste Anspruch erwuchs aus einem
mehr als nur laienhaften Architektur- und Kunstverständnis
und sollte in Johann Adam Andreas tatsächlich fruchtbarste
Erfolge zeitigen.
Blickt man auf Karl Eusebius als Sammler, so verbindet sich
mit seinem Namen der Erwerb erlesenster Kunstwerke. Ob
er schon als Prinz während seiner «Kavalierstour», die ihn
zwischen 1629 und 1632 nachweislich in die Niederlande
und nach Frankreich führte, auch mit Italien in Berührung
kam, ist nicht sicher, doch durchaus wahrscheinlich. Jeden-
falls sind Ankäufe von Kunstwerken in Italien durch Kar!
Eusebius selbst oder in seinem Auftrag erst für einen späte-
ren Zeitraum belegt, etwa für die Jahre 1637 und 1642. Da
vorhandene Rechnungen meist nur Verkäufer, Stückzahl
und Preis nennen, ist kaum nachvollziehbar, um welche
Werke es sich im einzelnen handelte. Für die stetig wach-
sende Sammlung ließ der Fürst schließlich seine «Quarda-
robba» umbauen. Die Übergabe der Garderobenverwaltung
in Feldsberg und Wien an Martin Engelmayer im Jahre 1658
wurde zum Anlaß der Erstellung eines Inventares genom-
men. Es beinhaltet zwar nur wenig Gemälde, sehr wohl abeı
zahlreiche und hochwertige Skulpturen («Statua von
Metall»), unter anderem jenen Komplex von italienischen
Kleinbronzen, der noch heute einen gewichtigen Schwer-