Hans Geser dies haben sie häufig geographische Nischen besetzt, die dank ihrer Unat- traktivität und/oder schwierigen Zugänglichkeit Schutz vor Fremdherr schaft geboten haben. Schliesslich hängen auch die Chancen der
sozioökonomischen Entwick lung, der
technischen Innovation oder der
kulturellen Entfaltung nach allen heute vorliegenden Kenntnissen nicht wesentlich mit der Bevölkerungs- grösse oder der Ausdehnung des staatlichen Territoriums zusammen. Wenn man heute beispielsweise beliebige Indikatoren des Entwicklungsniveaus mit der Staatsgrösse korreliert, sind die resultierenden statistischen Bezie hungen alle sehr geringfügig oder gleich null (vgl. z.B. Dahl/Tufte 1973:19; Skuhra 1983: 74). Angesichts der neuesten Proliferation von Kleinstaaten (in der Dritten Welt sowie im postsozialistischen Raum) einerseits und den ambitiösen supranationalen Einigungsprozessen einer Europäischen Gemeinschaft andererseits ist die Feststellung wichtig, dass es auf zweckrational-utilitärer Ebene kaum überzeugende Argumente gibt, die zur Befürwortung oder Ablehnung derartiger Entwicklungen verwendet werden könnten. Umso stärker werden Diskussionen über das Für und Wider kleiner Staaten von wertrationalen und emotionalen Argumentationen beherrscht: etwa von der Sehnsucht verschiedenster Ethnien, im Medium der National staatlichkeit ihre partikuläre kulturelle Identität zu artikulieren oder von der idealistischen Hoffnung, im Rahmen supranationaler Staatlichkeit eine bis her entbehrte Solidaritäts- und Friedensordnung zu realisieren. Vieles spricht dafür, dass eine militärisch befriedete Welt mehr denn je eine Welt der Kleinstaaten sein würde: weil das Motiv wegfällt, zum Zwecke erfolgreicher Kriegsführung weitreichende Allianzen zu bilden und als Resultat von Eroberungen verschiedene Ethnien in denselben politi schen Staatsverband zu integrieren. 1.2 Der Kleinstaat als" Modellstaat" Mit auffallender Regelmässigkeit sind kleine Staaten in verschiedensten historischen Epochen immer wieder in den Rang von "Modellstaaten" erhoben worden, denen man nachsagte, dass es ihnen besonders gut gelun gen sei, bestimmte - allgemein erwünschte und angestrebte - gesellschaftli che Zustände oder Formen politisch-sozialer Organisation approximativ zu realisieren. So galt das
antike Athen beispielsweise nicht bloss für
Plato und
Aristote les, sondern auch noch für
Montesquieu, für
Jakob Burckhardt und für 42