Fürstin Gina und ihr Einsatz für das Rote Kreuz _
Eine Würdigung von Fürstl. Kommerzienrat Dr. Heinz Batliner, Sekretär des LRK
Radio DRS strahlt seit einigen Wo-
chen täglich um 7.30 Uhr eine Sendung
aus: «Heute vor 50 Jahren». Ein erschüt-
terndes Zeitdokument. «Einer gegen al-
Je» löste den Weltkrieg aus. Folge davon
waren Verwüstung, Tod, Grausamkei-
ten, Elend, Flüchtlinge, Heimatlose,
«Alle gegen einen» bewirkten schliesslich
den langersehnten Frieden, wenn auch
kein geeintes Europa. Inmitten ein ver-
schontes Liechtenstein: Eine fürstliche
Hochzeit, eine Fürstin, ein Lichtstrahl in
der Dunkelheit.
Fürstin Gina hatte die Folgen eines
{ünfjährigen grauenvollen Krieges in di-
rekter Umgebung miterlebt und mitver
folgt. Sie folgte dem Gebot des Herzens.
Zur Linderung der Folgen der schreckli-
chen Kriegsereignisse war sie Seele und
Motor für die Gründung des Liechten-
steinischen Roten Kreuzes. Im Geiste
Henri Dunants, dem Gründer des Inter-
nationalen Roten Kreuzes, nahm sie sich
in einem beispiellosen Einsatz Tausen-
den von Flüchtlingsopfern an der Grenze
Österreich/Liechtenstein in Schaanwald
an. Am 30. April 1945, dem Gründungs
tag des LRK, hat Fürstin Gina für sich
und für das Liechtensteinische Rote
Kreuz, aber auch für das Land Liechten:
stein, eine dauernde Verpflichtung über-
nommen. Ich zitiere aus dem ersten Jah-
resbericht des LRK: «Wir verpflichten
uns mit der heutigen Gründung zur Hilfe-
leistung in Krieg und Frieden, im Inland
und im Ausland, im Geiste, in Zusam-
menarbeit und im Zeichen des Interna-
:jonalen Roten Kreuzes.»
Damit wurde das LRK nach dem Krieg
und in der Folgezeit auf nationaler Ebene
zum wichtigsten Träger zahlreicher Für-
sorgeeinrichtungen, also von Institutio-
nen, die zum Lebenswerk von Fürstin
Gina gehören und heute von der liech-
tensteinischen Bevölkerung getragen und
nicht mehr wegzudenken sind, wie: das
Kinderheim, die Mütterberatung, die
Säuglingsfürsorge; der Rettungsdienst,
das Samariterwesen und — wie könnte es
auch anders sein — die Auslands- und
Katastrophenhilfe. Stets war die Fürstin
die tatkräftige Initiantin und überzeugte
mit ihrem Vorbild Land und Leute, was
auch eine spontane Spendenbereitschaft
bei unserer Bevölkerung bewirkte. Ein
glänzendes Beispiel dafür ist das Jährliche
Wohltätigkeitskonzert, eine der wichtig-
sten Einnahmequellen für das LRK. Sie
bewahrte damit das LRK von einer staat:
lichen Abhängigkeit in der Erkenntnis,
dass es nicht soweit kommen darf, alle
sozialen und humanitären Aufgaben ein-
fach dem Staat aufzubürden, zumal in
einer Wohlstandsgesellschaft ein Gross-
teil dieser Aufgaben von einer privat Or-
ganisierten Institution, wie das LRK es
ist, besser und diskreter wahrgenommen
werden kann als durch die öffentliche
Hand. Nach ihrer Auffassung soll die
Arbeit des Roten Kreuzes ein Beispie)
dafür sein, dass gerade im Sozialbereich
die Erfüllung wichtiger öffentlicher Auf-
gaben durch freie Träger ein bessere]
Weg ist, weil gleichgesinnte Menschen
unkomplizierter aufeinander zugehen
xönnen, um gegenseitig ihre Sorgen aus-
zutauschen, sich um den anderen zu
kümmern und damit schneller wirksam
Not gelindert und Hilfe angeboten wer-
den kann. Alle diese bestehenden Insti-
‘utionen sind untrennbar mit dem Namen
{.D. der Fürstin, Gründerin unseres Ro-
ten Kreuzes, verbunden.
Auch im internationalen Rotkreuz-Ge-
schehen spielte Fürstin Gina in ihrer Ei-
genschaft als Präsidentin des LRK eine
bedeutende Rolle. Ihr Charme und Hu-
nor, ihre Begeisterungsfähigkeit und ihı
Einfühlungsvermögen und nicht zuletzi
hre Intelligenz und Ausstrahlungskrafli
essen sie bei den internationalen Konfe-
renzen, Tagungen und Begegnungen zu:
3nmaligen Botschafterin unseres Landes
werden. Hervorzuheben ist die Tatsache,
lass führende Rotkreuz-Persönlichkeiter
auf Einladung von Fürstin Gina wieder-
nolt schwerwiegende Probleme auf
Schloss Vaduz in einem ungezwungener
Rahmen diskutierten und einer Lösung
ıäherbringen konnten. Die massgebende
Rolle und die Gastfreundschaft von Für-
stin Gina werden zweifellos eines Tages
auch in die Nachkriegsgeschichte des In
ternationalen Roten Kreuzes eingehen.
Noch vor 3 Jahren folgte Fürstin Gina
ziner Einladung der Liga der Rotkreuz
zesellschaften zu einer Rotkreuzmissior
ıach Kenia und Sudan. Erschütter!
schreibt sie unter anderem in ihrem Ta
zebuch: «Wir bitten, uns die abgebrann-
‚en Wohnstätten — die zuvor von den
‚eichen Bodenbesitzern angezündet wur
Jen, damit die Leute wegziehen sollten -
zu zeigen. Man führt uns, mitten zwi
schen Steinen, Abfall, Staub und Kinder-
zewinsel, zu einem leeren Platz, wo eini
ze neue Hütten errichtet werden, man
;he ganz klein und fensterlos. Immer nur
zin Raum, der einer ganzen Familie, of-
nit zehn Kindern, Unterschlupf bietet
Zum Heulen!» oder bei einer anderer
Gelegenheit eine bezeichnende Aussage,
die die ganze Menschlichkeit der Fürstin
deutlich macht: «Mir ist aufgefallen, dass
die Zuwendung von Herz und Gemüt
beinahe wichtiger ist, als die materielle
Hilfe. Der Empfänger muss spüren, dass
die Hilfe von Herzen kommt.»
Am 27. November 1987 erhielt I.D.
die Fürstin in Rio de Janeiro anlässlich
der Generalversammlung der Liga deı
Rotkreuz- und der Rothalbmond-Gesell-
zchaften die Henri-Dunant-Medaille, die
seltenste und höchste Auszeichnung, die
das Internationale Rote Kreuz zu verge-
en hat, mit folgender Begründung, die
ch hier nur auszugsweise zitiere: «Für-
;tin Gina hat sich ihrer Tätigkeit mit
einer ausserordentlichen Hingabe gewid-
met und hat der Rotkreuz-Bewegung so-
wohl auf nationaler als auch auf interna-
jonaler Ebene hervorragende Dienste
geleistet. I.D. Fürstin Gina von Liech-
;enstein hat viele humanitäre Bewegun-
gen ins Leben gerufen... Sie hat ein
überragendes Beispiel für humanistische
Werke gegeben, durch einen enormen
persönlichen Einsatz für die humanitären
Aktivitäten, durch eine ausserordentli-
che Hingabe für die Verwundeten, die
Kranken und die Kriegsopfer.»
‘Fürstin Gina leitete die Geschicke des
Liechtensteinischen Roten Kreuzes seit
der Gründung im Jahre 1945 bis 1985 und
ibergab dann das Präsidium ihrer Nach:
'olgerin und derzeitigen Präsidentin,
Erbprinzessin Marie von Liechtenstein.
Während 40 Jahren stand Fürstin Gina
der Rotkreuz-Bewegung unermüdlich
vor. So entschloss sich denn auch die
Fürstlich Liechtensteinische Regierung
spontan, die eindrücklichen humanitären
Leistungen unserer langjährigen Rot-
kreuz-Präsidentin durch die Ausgabe
ziner Briefmarkenreihe mit verschiede-
aen Motiven und Werken zu würdigen,
ım damit auch philatelistisch das vorbild-
iche Wirken dieser hochgeachteten und
ıochgeschätzten Persönlichkeit zu doku-
mentieren.