Volltext: Fürst und Volk

Die Verwaltung, die ganze Wirtschaft 
und auch die Kultur sind in der Gross- 
stadt Paris konzentriert. 
Praktisch alle Entscheidungen bis ins 
<leinste werden hier gefällt. 
Jber Zentralismus am Beispiel 
Frankreichs lesen wir bei H. Lüthy: 
«Es gibt keine Regung des öffentlichen 
Lebens, die ihrer Kontrolle entgeht, und 
as gibt wenige solche Regungen, die 
hre Duldung finden. Kein Gemeinderat 
kann eine Wasserleitung bauen, einen 
Weg pflästern oder das Dach einer 
Schule reparieren lassen, bevor sechs 
Amtsstellen der Verwaltung vom Unter- 
präfekten bis hinauf zur Pariser Finanz- 
direktion dieses Projekt mit ihrem Stem- 
opel gutgeheissen haben, was bei all- 
seitig gutem Willen ein Jahr beansprucht 
und, wenn irgendwo auf diesem langen 
Weg ein Bedenken auftaucht, nie zu- 
stande kommt. Man hat den Gemeinden 
systematisch jede Initiative untersagt, 
1andle es sich um eine offizielle Badean- 
age oder einen Gemeindeabfuhrdienst. 
Die ganze Wirtschaft hat sich auf die 
Verwaltung in Paris ausgerichtet. So gibt 
3s doch kaum eine grössere Firma, 
die es sich nicht schuldig zu sein glaubt, 
ihren Hauptsitz mit grossen Kosten 
in Paris zu unterhalten, dem Ort des 
Drestiges, der nützlichen Kontakte und 
zugleich dem einzigen Standort, der 
ın den unvermeidlichen Auseinanderset- 
zungen mit den Verwaltungen die 
schrecklichsten Umwege des Instanzen; 
weges abzukürzen erlaubt. Selbst die 
_andwirtschaft dieses bäuerlichen 
_andes hat sich auf Paris ausgerichtet 
ader ist, wo sie den Anschluss an das 
«Pariser Netz» nicht fand, in rückstän- 
diger Dorfwirtschaft versteinert: der 
andwirtschaftliche Markt Frankreichs 
aine Absurdität — ist die Grossstadt 
Paris. 
Auch kulturell hat diese Stadt das übrige 
Frankreich zur Wüste gemacht. 
Ihr ununterbrochenes, tausendfältiges, 
verschwenderisches Feuerwerk, das 
aus fünf Dutzend Theatern, hundert 
Ausstellungen, Kunstgalerien, Konzerten 
Konferenzen, Modeschauen, Banketten 
zmpfängen, Cafes und Premieren Tag 
‘ür Tag und Nacht für Nacht aufsteigt, 
hat seine Kehrseite; die tödliche Lange- 
weile der Provinzstadt, in der nie etwas 
geschieht, es sei denn dann und wann 
ain Unfall oder ein Verbrechen, und 
deren geistiges Leben sich vom 
nachbarlichen Klatsch und Neuigkeiten 
des Quartiercafes nährt.» 
Inach: Oskar Bär) 
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