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ob er sehr erhaltenswert wäre, wenn er nur durch Nachdenken ins
Bewußtsein gehoben würde, womit auch die Politik Rückhalt und
Zielrichtung erhielte.
Wir versuchen daher zuerst, kurz den Bewußtseinsstand, von dem
nicht nur das politische Handeln ausgeht, sondern von dem aus auch
der Rückgriff auf den Staat erfolgen muß, zu erforschen. Dabei reihe
ich einfach einige Fakten und Erscheinungen aneinander, die etwas
über das Bewußtsein aussagen, aber auch vereinzelte Vorgegebenhei
ten, die lediglich auf das Staatsbewußtsein einwirken.
Am Anfang unserer nationalen Geschichte steht nicht eine Ausein
andersetzung wie zwischen Frankreich und England in einem lOOjäh-
rigen Krieg, in dem beide Gegner ihre Identität errungen haben und
1453 als Nationen hervorgegangen sind, nicht ein deutscher Bis
marck, stehen nicht ein Cavour, Garibaldi und Mazzini, die Befreier
und Einiger Italiens, steht nicht ein Rütlischwur, sondern steht die
von Napoleon unseren Vorfahren 1806 wider Willen geschenkte Un
abhängigkeit, ein Geschenk, das wir teils bis heute noch nicht ganz
angenommen haben. Schon im 18. Jahrhundert, im Absolutismus, war
unsere relativ eigene und demokratische Landammannseinrichtung
beseitigt worden. Der Fürst regierte von Wien aus, ja weithin war
es ein Beamter, der Landvogt, der den Fürsten vertrat. Erst 1921,
200 Jahre nach Einbruch des Absolutismus, bekamen wir einen
eigenen liechtensteinischen Regierungschef. Aus dieser langen be
hördlichen, teils staatlichen Verfremdung wird manche heute noch
gelegentlich antiobrigkeitlich, antibehördlich, ja fast antistaatlich
scheinende Flaltung des Liechtensteiners verständlich. Daneben einher
geht wegen des langen Akzeptierenmüssens von Anordnungen von
außen manchmal ein, von sich wegen überzeugtes, fatalistisches, un
kritisches, oft untertänig wirkendes Hinnehmen oder Nachahmen.
Ein staatliches selbstbewußtes Normal verhalten müßte beide Erschei
nungen auflösen; in den Behörden sähen wir — trotz allem — letzt
lich unsere eigene so gewollte und geachtete staatliche Repräsentation
und nach außen erfolgte ein stärkeres Bemühen um Grenzziehung.
Nach der Französischen Revolution führten erst zögernde, dann
starke liechtensteinische Kräfte zur Verfassung von 1862 und zum
eigenen Parlament. 1866 aber kam das Ende des Deutschen Bundes.
Es war auch das Ende des langen außenpolitischen Existenzkampfes
in multilateraler Konfrontation. Doch trotz der hervorragenden Ge
stalten eines Peter Kaiser und eines Carl Schädler ist zu fürchten, daß
Liechtenstein als Staat verschwunden wäre, wenn nicht der Fürst
gegen das Einsehen der Bevölkerung die bundesmäßige Militärver
pflichtung, eine außenpolitische Notwendigkeit, eingegangen wäre.