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Strukturelemente des Kleinstaates —
Grundlagen einer liechtensteinischen Politik —
ein Versuch
Gérard Batliner
Wer jetzt, wegen des Themas, einen politischen Nahkampf erwartet,
den muß ich enttäuschen. Trotzdem ist die Sache nicht ohne poli
tische Brisanz. Doch dem, der nur Zentner, Praktik und Geldeinhei
ten als Realität erkennt, dem wird wohl alles unbegreiflich sein. —
Ich verfahre nun in meinem Vortrag nach der Art des Artischocken
essens, bei dem man lange blättert, ehe man zum reinen Fleisch ge
langt. Mir scheint ein solches stückweises Vorgehen besonders ge
eignet, um an den thematischen Gegenstand in seiner Aktualität her
anzukommen.
Strukturelemente des Kleinstaates. Wenn es sie gibt, die den Klein
staat als solchen ausmachen, charakterisieren und unterscheiden,
dann sind es auch die Strukturelemente unseres Kleinstaates, dann
sind sie auch grundlegende Norm des kleinstaatlichen politischen
Handelns. Meines Erachtens gibt es solche naturgegebene Struktur
elemente. Ich komme später darauf zu sprechen. Darüber hinaus be
sitzt unser Staat ein Strukturelement, die Monarchie, die sich zwar
nicht aus dem Wesen des Kleinstaates ergibt, die aber dennoch ab
solut lebenswichtige Grundlage einer liechtensteinischen Politik ist.
Doch damit beschäftigen wir uns heute nicht, auch nicht mit den
allgemeinen politischen Grundlagen wie z. B. staatliche Finanzen, die
alle Staaten benötigen. Hier ist nur von den spezifischen natur
gegebenen Strukturelementen des Kleinstaates die Rede, die diesen
besonders auszeichnen und die somit auch unverzichtbare Grundlagen
einer spezifisch liechtensteinischen Politik sind. Doch im psychologi
schen Ablauf folgt das politische Handeln dem menschlichen Be
wußtsein, während das Bewußtsein seine Inhalte aus den staatlichen
Elementen bezieht. Das Bewußtsein ist also gewissermaßen die Brücke
vom einen zum anderen. Staatsbewußtsein ist die explizite, meist im
plizite oder dumpf «gefühlte» Einsicht in das, was den Staat aus
macht, sowie die Bejahung dessen, der Wille zum Staat. Das Wort
«starkes Staatsbewußtsein» beispielsweise umfaßt neben der Erkennt
nis auch die starke Zustimmung zu einem Staat. Sollte ein Staat im
Bewußtsein jedoch schwach vertreten sein, dann wird die Frage drin
gend, ob etwa der Staat selbst in seinen Elementen schwach ist oder