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Liechtensteinische Außenpolitik in der
zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts
Peter Geiger
Nach Aristoteles ist es Aufgabe des tüchtigen Gesetzgebers, die
staatliche Gemeinschaft zu einem tugendhaften Leben und zum mög
lichsten Grad von Glückseligkeit zu führen, und Teil dieser Aufgabe
ist die Sorge, wie man gegen jeden Nachbarstaat das Geeignete in
Anwendung bringe. Das Geeignete gegen seine' Nachbarstaaten, im
weiteren Sinne, in Anwendung bringen: diese außenpolitische Auf
gabe fiel in den zwei Jahrzehnten nach 1848 umso schwerer, als
wieder einmal die Nachbarwelt in Umbruch geriet.
Die Bedingungen der liechtensteinischen Außenpolitik sind bekannt:
geringe Größe, besondere geopolitische Lage am äußersten Rand
Deutschlands und mit diesem nur durch den Koloß der Donaumonar
chie verbunden, wirtschaftliche Bedrängnis, aus allem resultierend
das Fehlen jeder Macht. Ebenso bekannt sind die Ziele: Wirtschaft
liche Lebensfähigkeit und Erhaltung der Selbständigkeit.
Im folgenden fragen wir auf dem Hintergrund einiger Fakten vor
allem nach dem Charakter und den Trägern der liechtensteinischen
Außenpolitik in dieser Zeit, um schließlich die Grundlinien nachzu
zeichnen.
1848 siegte die bürgerliche Revolution vorerst fast überall. In der
Deutschen Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche
suchten gewählte deutsche Volksvertreter einen deutschen National
staat zu schaffen. Nach mehr als einem Jahr permanenter Sitzungs
arbeit scheiterte das Werk an der österreichischen Frage und an den
realen Machtverhältnissen in Deutschland. Das lose Band des Deut
schen Bundes bot sich wieder an. Dennoch war die Situation ver
ändert: Zwischen Österreich und Preußen, das jenem die Hegemonie
in Deutschland zu entreißen suchte, brach der Antagonismus nun
dauernd auf.
1852 schloß Liechtenstein mit Österreich den Zoll- und Steuerver
trag, der Liechtenstein ins österreichische Wirtschaftsgebiet integrierte.
In den kriegerischen Verwicklungen der fünfziger und sechziger
Jahre — Krimkrieg, österreichisch-italienischer Krieg, deutsch
dänischer Krieg — standen sich im Hintergrund, und am Bundestag