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teilung begrenzt werden. Die konstitutionelle Verfassung von 1862
ist das Ergebnis dieser Entwicklung. Sie stellt eine Mittel- und Über
gangslösung dar, beinhaltet sie doch zum einen eine Rechtfertigung
der Monarchie in ihrer feudal-bürokratischen Ausgestaltung, zum
andern aber auch die Unterordnung des Monarchen unter den
«Staat». Aufgegeben wurde dadurch das durch Befehl und Gehorsam
charakterisierte Gewaltverhältnis des Untertans zum Staat. Der Fürst
behält aber nach wie vor die Fülle der Staatsgewalt in sich. In ihrer
Ausübung unterliegt er den verfassungsmäßigen Bindungen und wird
eben dadurch vom absoluten zum «konstitutionellen» Monarchen.
Die Grundlage für eine Erweiterung der Volksrechte war damit ge
schaffen. Die Verfassung von 1921 vollzieht denn auch, den Inten
tionen der Volksbestrebungen entsprechend, den entscheidenden
Schritt in diese Richtung und erklärt in Artikel 2 die Staatsgewalt in
Fürst und Volk verankert. Sie zeichnet sich aus durch den Einbau
demokratischer Einrichtungen wie Volksinitiative und -referendum,
Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber dem Landtag. Darin ist
unmißverständlich die Teilnahme des Volkes am Staatsganzen aus
gesprochen. Der Wille des liechtensteinischen Volkes zu diesem Staat
ist klar artikuliert. Dies ist Voraussetzung für den Bestand eines
Kleinstaates wie Liechtenstein.
Es wird nun im folgenden der Versuch unternommen, anhand von
konkreten staats- und gesellschaftspolitischen Erscheinungsformen
aufzuzeigen, daß dieser in der Verfassung zum Ausdruck gebrachten
Bereitschaft des Volkes zum Staat, die Bereitschaft zur Mitarbeit im
Staate infolge fehlender echter Auseinandersetzung mit dem Staate
nicht entspricht.
II.
Fehlende echte Auseinandersetzung mit dem Staat
1. Verhältnis des Bürgers zum Staat
Der Liechtensteiner hat den Weg vom Untertan zum Rechtsträger in
einer steten Auseinandersetzung mit dem Staate zurückgelegt. Er hat
die Selbstbestimmung der Unterwerfung vorgezogen. Zur Selbstbe
hauptung seiner selbst und damit zur Entscheidung für diesen Staat