Volltext: Die liechtensteinische Verfassung 1921

Gerard Batliner walrung der rechtlichen Zuständigkeit und der Einhaltung der Be­ schlussverfahren, doch fehlt normalerweise ein genügender rechtlicher Massstab zur Beurteilung des Gegenstandes ihres Tuns und Lassens. Der adäquate Prüfungsmassstab zur Kontrolle der Politik ist ein politischer (Wertvorstellungen über das Gemeinwohl), und die Prüfungsorgane sind im Normalfall nicht die Gerichte, sondern nichtrichterliche Instanzen. Dafür steht der klassische Begriff der politischen Verantwortlichkeit. Politische Verantwortlichkeit ist keineswegs aus der Verfassung entlas­ sen, sie ist "keine ausserrechtliche Erscheinung" ("in Gemässheit der Bestimmungen dieser Verfassung und der übrigen Gesetze" [Art. 78 Abs. I]), aber es ist ihr "Gegenstand politisch bestimmt", ist die prüfende Instanz eine "politische", ist die "zu verantwortende Tätigkeit nach poli­ tischen Massstäben ... zu bewerten".98 Die Regierung ist dem Landesfür­ sten und dem Landtag (politisch) verantwortlich (Art. 78 Abs. 1). Der Begriff "verantwortlich" hat einen merkwürdigen Doppelsinn von Freiheit und Bindung. Nur wer unabhängig und frei ist, kann Ver­ antwortung tragen, und nur wenn und insoweit er frei ist, verantwortlich sein. Aber der Verantwortliche ist nicht völlig autonom. Der Verant­ wortliche kann für sein Verhalten von einem andern zur Rechenschaft gezogen werden. Es stehen sich notwendig getrennte Organe gegenüber - nach der liechtensteinischen Verfassung die Regierung einerseits und der Fürst bzw. der Landtag andererseits -, und dies nicht im Verhältnis der Subordination und Weisungsgebundenheit, die die selbständige Ent­ scheidungsbefugnis und Verantwortlichkeit wieder wegnehmen wür­ den." Doch hat die Regierung sich und ihre Tätigkeit vor dem Fürsten und dem Landtag politisch zu verantworten. Politische Verantwortlichkeit wird auch als "Rechenschafts- und Ein­ standspflicht" bezeichnet.100 Sie reicht von der Rechenschaftsablage bis 98 Mutalis mutandis: Eichenberger, S. 113f.; u.a. auch Scheuner, S. 304ff.; Siern 1, S. 988ff., II, S. 3I6ff.; Bäumlin, S. 240ff.; Badura, Die parlamentarische Verantwortlichkeit der Minister, S. 573ff.; Schröder, S. 622ff.; Huber III, S. 20ff. ™ Scheuner, S. 305; Schröder, S. 622; Stern I, S. 988; Eichenbergcr, S. 118; Bäumlin, S. 250ff.; Badura, Die parlamentarische Verantwortlichkeit der Minister, S. 574; ders., Die parlamentarische Demokratie, S. 958ff.; etwa auch BVerfGE 9, S. 268ff. (281); 68, S. 1 ff. (87); U.M., in: AöR, Bd. 76 (1950), S. 342: "Es liegt in der Dialektik der Minister­ verantwortlichkeit, dass diese den Minister nicht nur abhängiger, sondern zugleich unabhängiger macht." 100 Kröger, S. 6, I7ff.; Stern II, S. 316ff.; Loewenstein, S. 45ff., I88ff. Der Begriff "Verant­ wortung" besitzt nach Höffe drei Grundbedeutungen: Aufgabenverantwortung, Rechenschaftsverantwortung und Haftung (Otfried Höffe, Moral als Preis der Moderne, Frankfurt a.M. 1993, S. 20ff.); Saladin, Verantwortung. - Zur 
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