Volltext: Die liechtensteinische Verfassung 1921

Einführung in das liechtensteinische Verfassungsrecht Die Regierungs- und Exekutivgewalt lag im 19. Jahrhundert in der Hand des Fürsten. Er allein bestellte seine Staatsdiener. Er allein konnte sie abbe­ rufen. Er erteilte ihnen Weisungen und besass die Organisationsgewalt (§§ 24 und 28). Die innere und äussere Regierungspolitik lag bei ihm. Die Verwaltung im technischen Sinn vollzog sich nur zum Teil im strengen Rahmen der Gesetze und unterlag keiner verwaltungsgerichtlichen Kon­ trolle. Die parlamentarische Kontrolle war faktisch zweifellos vorhanden, aber rechtlich ungenügend abgesichert; ein förmliches parlamentarisches Interpellationsrecht war nicht vorgesehen, ebensowenig ein Vertrauens­ entzug, und über die einer parlamentarischen Ministeranklage zu geben­ den Folgen entschied der Fürst (§§ 40 lit. d und 42 Verfassung 1862). Die Verfassung 1921 hat die Regierung in ihren Zuständigkeiten und Funktionen als selbständiges Staatsorgan eingerichtet. In bezug auf deren Bestellung und Abberufung sei auf die Ausführungen nachstehend unter lit. d verwiesen. "Selbständig" heisst natürlich niemals, dass die Regie­ rung nicht an die Gesetze gebunden wäre. Die Verfassung und die Gesetze schaffen erst die Organe und ordnen deren Zuständigkeiten. In der Domäne der Verwaltung betreibt die Regierung, direkt oder durch die untergeordnete Verwaltung und als Verwaltungsrekursinstanz, selbständigen Gesetzesvollzug, vorbehaltlich, im Falle des Erlasses indi- viduell-konkreter Verwaltungsakte, des gerichtlichen Instanzenzuges an die Verwaltungsgerichte (VBI und StGH). Die Verwaltung ist dabei, im Unterschied zu den Regelungen im 19. Jahrhundert, durchgehend streng an die Gesetze und den von diesen eingeräumten Ermessensspielraum gebunden (Legalitätsprinzip). Verletzt die Regierung bei ihrem Handeln oder Unterlassen die Gesetze, unterliegt sie selbst u.U. zivilgerichtlicher (Amtshaftung) und strafgerichtlicher rechtlicher Kontrolle.96 Je mehr die Regierung auf die Staatsziele hin politisch planend, vor­ sorgend, Gestaltungen anstrebend, die noch keine rechtliche Gestalt gefunden haben oder die sich wie z.B. die Erhaltung des Friedens und der Unabhängigkeit oft strenger gegenständlicher Regelung entziehen, tätig wird,97 bedarf sie auch hiefür wie die rein gesetzesvollziehende Ver- * Vgl. Ausführungen Walter Kieber in diesem Band, S. 296. 97 Politik ist insofern dynamisch, als Gemeinwohl nie ganz erreicht oder ein für allemal erreichtes, sondern ein immerfort anzustrebendes Ziel ist. Zur Politik gehört ein gut Teil Gefahren abwehrender und Werte erhaltender Aktivität: Sicherheit für die Einwohner, Erhalt der ökologischen Lebensgrundlagen, des inneren und äusseren Friedens, Wah­ rung und Sicherung staatlicher Unabhängigkeit. 63
	        

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