Volltext: Die liechtensteinische Verfassung 1921

Walter Kieber Soweit staatsleitende Kompetenzen in der Verfassung nicht ausdrück­ lich und enumerativ dem Landesfürsten, dem Landtag, dem Volke oder dem Regierungschef zugewiesen sind, fällt die Regierung im funktionel­ len Sinn aufgrund der Generalklausel des Art. 78 Abs. 1 der Verfassung der Kollegialregierung zu. Für eine Kompetenzvermutung zugunsten des Landesfürsten im Bereich der Regierung im funktionellen Sinn bietet die Verfassung von 1921 keinen Raum. IV. Das Verhältnis der Regierung zu den anderen Staatsorganen Die Untersuchung des Verhältnisses der Regierung zu den anderen Staatsorganen zielt auf die konkrete Frage, ob die Regierung gegenüber dem Landesfürsten und/oder gegenüber dem Landtag oder allenfalls gegenüber der Verwaltungsbeschwerde-Instanz in einem Verhältnis der Unterordnung (Subordination) steht. Das Wesen des Subordinationsverhältnisses zweier Organe, kraft des­ sen das eine Organ dem anderen untergeordnet ist, wird ganz allgemein darin gesehen, dass das eine Organ dem anderen gegenüber gehorsams­ pflichtig ist; das übergeordnete Organ hat das Recht, dem untergeordne­ ten Organ Weisungen zu erteilen; letzteres hat die Pflicht, solche Wei­ sungen zu befolgen. Eine Weisung ist ein Dienstbefehl eines übergeord­ neten Organs an das untergeordnete Organ, eine dem untergeordneten Organ zustehende Kompetenz in einer bestimmten Richtung auszuüben oder nicht auszuüben. Die Verfassung enthält keine Bestimmung, welche die Regierung einem anderen Staatsorgan unterordnet. Die Regierung ist im Gegenteil im VII. Hauptstück der Verfassung, welches den Titel "Von den Behörden" trägt, in Abschnitt A (Art. 78ff.) völlig eigenständig und unabhängig konzipiert. Ein Weisungsrecht gegenüber der Regierung bzw. eine Gehorsamspflicht der Regierung ist nirgends verankert. Die Tatsache, dass die Regierung durch einen Konsens des Landesfürsten und des Landtags ins Amt berufen wird, begründet diesen beiden Krea­ tionsorganen gegenüber kein Subordinationsverhältnis. Ebensowenig ist aus der Verantwortlichkeit der Regierung (Art. 78) ein Verhältnis der Unterordnung gegenüber dem Landesfürsten und gegenüber dem Land­ tag abzuleiten. Verantwortlichkeit weist im Gegenteil auf das Vorhan­ densein unabhängiger Kompetenzen hin, für deren Ausübung nachträg­ lich Rechenschaft abgelegt werden muss. 304
	        

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