Andreas Schurti herbestimmung Anwendung fände. Ansonsten liefe die Regierung Gefahr, dass ihre Verordnungen als verfassungswidrig aufgehoben würden. Der Staatsgerichtshof hat dieses Problem erkannt. In jüngerer Zeit führt er differenzierter aus, dass bei der Wahl des Rechtserlasses auf die Wichtigkeit der zu regelnden Materie abzustellen sei.76 "Ein primärer, wichtiger Rechtssatz" dürfe nicht in einer Verordnung enthalten sein, sondern bedürfe "einer formellen gesetzlichen Grundlage". "Die Ergän zung des Gesetzes durch grundlegende, wichtige, primäre und nicht unumstrittene Bestimmungen (dürfe) nicht mittels Durchführungsver ordnungen erfolgen, sondern nur in Gesetzesform V7 In dieser differenzierteren Betrachtungsweise ist ein Fortschritt zu erblicken. Nicht mehr jede noch so unwesentliche Angelegenheit muss wenigstens in den Grundzügen im Gesetz geregelt werden. Nur "grund legende, wichtige und nicht unumstrittene Bestimmungen" sind in die Gesetzform zu giessen. Der Staatsgerichtshof scheint somit neuerdings einer Theorie nachzuleben, die in der Bundesrepublik Deutschland auch schon als "Wesentlichkeitstheorie" etikettiert wurde.78 Das praktisch wohl grösste Problem besteht darin, dass nicht zuver lässig vorhergesagt werden kann, wann es sich um sekundäre, weniger wichtige Rechtssätze handelt, wann die Inhaltsbestimmung durch das Gesetz ausreicht und wann eine unzulässige formalgesetzliche Delega tion vorliegt. Man ist immer auf das "wohlerwogene Ermessen" des Ver fassungsgerichtes angewiesen. Es besteht eine gewisse Unscharfe. Letzt lich muss von Fall zu Fall entschieden werden. Die "Wesentlichkeits theorie" wurde darum auch schon als "rechtsdogmatische Bankrotter klärung"79 angesehen, die ebenso "Selbstverständliches wie Nichtssagen des" enthalte.80 Sie führe dazu, dass der Gesetzesvorbehalt zu einem "Urteilsvorbehalt" werde.81 Teilweise haben sich Lehre und Rechtspre chung dieser berechtigten Kritik angenommen. Es werden zunehmend Kriterien zur Bestimmung des Wesentlichen gesucht. Darauf wird im nächsten Kapitel eingegangen.82 76 StGH 1991/7, S. 7 (unveröffentlicht). 77 LES 1981/57, wo die Pflicht, Gurten beim Autofahren zu tragen, als wichtige und primäre Bestimmung betrachtet wurde. 78 Vgl. Schurti, Verordnungsrecht, S. 355, mit Hinweisen. 79 Kisker, Diskussionsbeitrag, M 82. 80 Ossenbühl, Gewaltenteilung, S. 550. 81 Rottmann, Vorbehalt des Gesetzes, S. 292. 82 Vgl. unten, S. 255f. 254