Volltext: Die liechtensteinische Verfassung 1921

Herbert Wille Man dürfte jedoch aus den vorhin erwähnten Gründen nicht fehl gehen, wenn man annimmt, dass die liechtensteinische "Lage" der Kir­ che einen Weg mit dem monarchischen Staat aufdrängte. Die innenpoli­ tischen Vorgänge vom 7. November 1918 dürften mehr als nur einen Vorwand geliefert haben. Es galt nämlich auch im Interesse der Kirche, jeden aufkommenden revolutionären Funken zu ersticken. Bischof Georgius von Grüneck nahm denn auch in seinem Hirtenbrief vom 12. November 1918,74 den er zum 60. Regierungsjubiläum des Fürsten ver­ lauten liess, die Gelegenheit wahr, die liechtensteinischen Diözesanen an ihre Christenpflichten zu erinnern, und forderte sie zum Gehorsam gegenüber der rechtmässigen Obrigkeit auf. In seinen Worten hiess das: "Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist und Gott, was Gottes ist" und "Wer der Obrigkeit widersteht, widersteht der Anordnung Gottes". Er drohte, dass diejenigen, die widerstehen, sich die Verdammnis zuziehen würden. Aus Sicht der Kirche galt es, an der angestammten monarchischen Staatsgewalt festzuhalten. Bischof Georgius von Grüneck redet daher seinen "geliebten Diözesanen" unmissverständlich ins Gewissen: "Hütet Euch vor denjenigen, welche die Welt bereden wollen, es gebe keinen andern Souverän, als das Volk, und das Volk sei Selbstherr und keinem höhern Rechte verantwortlich." Die Volkssouveränität begegnete starken Einwänden, da der Satz "Alle Gewalt geht vom Volke aus" nach Ansicht der katholischen Kirche einer Leugnung des göttlichen Wirkens gleichkam.75 Mit scharfen Wor­ ten zog Bischof Georgius von Grüneck unter dem Begriff des "neuheid­ nischen Staates" gegen die vom Liberalismus getragene moderne Gei­ steshaltung zu Felde. Ein unübersehbarer Seitenhieb an die Adresse der Reformbewegung, die dann auch mit ihrer Forderung nach Verfassungs­ änderung zum Gegner der kirchlichen Lehrmeinung hinaufstilisiert wurde, wie das Beispiel des Landeskaplans Alfons Büchel zeigt. Dieser sah sich von der Politik der Volkspartei herausgefordert, so dass er sich genötigt glaubte, öffentlichkeitswirksam, d.h. im LVobl, thesenartig, wie es im päpstlichen Syllabus auch geschehen ist, Dr. Wilhelm Beck vorzu­ halten, dass seine bisherige Politik nicht christlich-sozial gewesen sei.76 74 LLA, Präs. 19I8/ZI. 29: Hirtenschreiben an die "Bistumsangehörigen im Fürstentum Liechtenstein". 75 Lonne, S. 227. 76 LVobl Nr. 62 vom 6. August 1919. 168
	        

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