Pablo Picasso (1881-1973)
Le picador, 18.6.1952
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Aquatinta
15,8 X 55,3 cm
50 X 65,5 cm
3ez. u. 1. in der Platte: 18 Juin 52, u. 1.: 16/50,
1. r.: Picasso
Baer IV 894/B/b/l; Bloch I 692
LSK 82.02
Mit dem Stierkampf ist Picasso seit seiner Kindheit vertraut.
Auch wenn er nach dem spanischen Bürgerkrieg nie mehr in
seine Heimat zurückkehren wird, bleibt ihm eine oft exaltierte
Begeisterung für die Corrida erhalten. Im Stierkampf verknüp-
‘en sich die Erinnerungen an Spanien mit seiner Vorliebe für
Bühne und Manege, für die Welt der Artisten. Leidenschaftlich
zern besucht er — besonders seit er sich in Südfrankreich nieder-
gelassen hat — die Stierkämpfe in Nimes, Frejus, Beziers und
Arles. Das Thema des Stierkampfes erscheint folglich als eines
jer zentralen Leitmotive in Picassos Werk. Mehr denn als blos-
ze Staffage für ein dramatisches Ereignis versteht Picasso das
Zusammentreffen von Pferd und Stier während der Corrida als
Konfrontation des weiblichen und männlichen Prinzips, stellt es
als geschlechtliche Begegnung dar. In äusserster Konzentration
gelingt es ihm, im Stierkampf Metaphern für das menschliche
Leben in seinen existenziellen Strukturen zu finden, in denen
sich Kampf, Eros, Bedrängung und Tod verbinden.
Diese Vorgänge thematisiert er in stets neuen Variationen. Das
Blatt Le picador zeigt, nach dem Banderillero und vor dem Ma-
:ador, den zweiten Akt des grausamen Spektakels. Dargestellt
ist, wie der Picador die Aufgabe lösen muss, den Stier mit einer
Lanze im Nackenmuskel zu treffen, um ihn zu ermüden und
gleichzeitig vom Pferd fernzuhalten, das er bedroht. Leymarie
schreibt darüber: «Die Rolle des Picadors mit seiner schweren
Rüstung und sein gleichsam sexueller und blutiger Angriff im
Augenblick der <suerta de picas» ist vom bildnerischen Stand-
punkt her ergiebiger als die des Matadors, daher hat der Künst-
’er vor allem den Picador dargestellt.»' Im graphischen Werk
Picassos taucht der Picador bereits mit dem ersten Versuch
El Zurdo von 1899 auf und später vor allem in den Radierun-
gen von 1957 für eine Stierkampfserie, die das erstmals 1796
erschienene Lehrbuch des Stierkampfes von Jose Delgado y
Galvez, La Tauromaquia, illustrieren.
Tür die nun hier vorliegende graphische Arbeit — sie entstand
während eines Aufenthaltes beim Pariser Drucker Lacouriere
am 18. Juni 1952 — wählte Picasso ein selbst entwickeltes tech-
nisches Verfahren: die Aquatinta im Zuckeraussprengverfahren.
Das komplizierte Verfahren, das malerische Tonabstufungen
zrmöglicht, führte er mehrheitlich mit dem Tuschpinsel aus. Mit
der Wahl dieser Technik und dem lavierend konturierenden Stil
gelingt es Picasso besonders gut, die nervöse, sehr spezielle
Atmosphäre einer Corrida im gleissenden Nachmittagslicht ein-
zufangen. Wie auf dem am gleichen Tag entstandenen Blatt Le
vicador blesse (Baer 895) erscheint auch bei Le picador erst-
mals jener neue tachistische Stil, der die Zeichnungen und die
Graphik in Picassos Alterswerk besonders auszeichnet. S.A.
‘‚eymarie, Jean: Metamorphose et unite. Geneve, 1971, S. 152.
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