Volltext: Politischer Wandel in konkordanzdemokratischen Systemen

Kleine Sozialsysteme die höchsten Führungsränge des Gemeinwesens einzubeziehen, um ihre Fähigkeiten auch für die Führung des 
gesamten Gemeinwesens nutzbar zu machen. Es wäre eine Vergeudung, ihre Talente sich bloss auf der Ebene unterge­ ordneter, spezialisierter Verbände u. a. entfalten zu lassen, weil derartige Mesogebilde in Kleinstaaten ja selber sehr klein sind und deshalb für beson­ ders tatkräftige Führung zu wenig Entfaltungschancen bieten. Ebenso wäre es unsinnig, ganze Segmente von Führungseliten auf Grund rein gesinnungsmässig-ideologischer Kriterien ins Ghetto einer von der Regierungsverantwortung völlig ausgeschlossenen Opposition abzu­ drängen und ihre Talente dadurch verschwenden zu lassen, dass sie Sand ins parlamentarische Getriebe streuen oder im Rahmen von «Schattenkabi­ netten» politische Sandkastenspiele betreiben. Im Extremfall kann dies heissen, dass allfallige oppositionelle oder «alter­ native» Gruppierungen sich nicht mehr ausreichend organisieren und arti­ kulieren können, weil alle Personen, die als potentielle Führer in Frage kommen, bereits in den staatlichen Behördeapparat kooptiert worden sind. So gibt es in kleinen Schweizer Kantonen wie z. B. Obwalden kaum einen Rechtsanwalt, der nicht in irgendwelche Milizämter des Parlaments, der Verwaltung oder Judikative eingebunden wäre und deshalb frei dafür wäre, sich unabhängig von Partei- und anderen Rücksichten die Anliegen irgendwelcher anderer, bisher marginaler Gruppen zu eigen zu machen (Geser 1981: 201 ff.). Inklusive Konkordanzsysteme schaffen sich die Bedingungen ihrer Selbstreproduktion insofern selbst, als allein schon die Aussicht, kooptiert zu werden, aufstrebende Individuen dazu veranlasst, zum vornherein eine ideologisch wenig polarisierte, akkommodative politische Haltung einzu­ nehmen und schon in ihren niedrigeren Amtern, wo sie die partikulären Anliegen einer bestimmten Partei, Interessengruppe oder Organisation zu vertreten haben, sich eine 
universalistische Gemeinwohlperspektive zu eigen zu machen. Genau umgekehrt kann in 
exklusiven Mehrheitssystemen die Aussicht, nie zum Kembereich politischer Macht zugelassen zu werden, zahlreiche Eli­ tenmitglieder dazu motivieren, sich völlig den Partikularinteressen ihrer Gruppe oder Organisation (der sie ihre ganze Karrieremobilität verdanken) zuzuwenden - und dadurch zur 
informellen Verstärkung jener zentrifuga­ len Tendenzen beizutragen, die im exklusiven Zulassungsmodus bereits formell angelegt sind. 103
	        

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