Volltext: Politischer Wandel in konkordanzdemokratischen Systemen

Österreich ten. In allen grossen Kammern agieren Fraktionen, die direkt - als Teilorga­ nisationen - an politische Parteien gebunden sind. Auf diese Weise ist die politische Synchronisation zwischen Parteien und Verbänden, zwischen Parteienstaat und Verbändestaat sichergestellt. Der ÖGB ist in einer den Kammern sehr ähnlichen Form ebenfalls mit den Parteien verflochten. Dazu kommt ein für eine europäische Gewerk­ schaftsbewegung ungewöhnlicher Monopolcharakter - es gibt keine Gewerkschaft in Österreich, die ausserhalb des ÖGB wäre. Der ÖGB ist überdies sehr zentralistisch - der Dachverband, der Gewerkschaftsbund, besitzt gegenüber den 15 Einzelgewerkschaften ein auffallendes Entschei­ dungsübergewicht, das sich z. B. in der Finanzstruktur des ÖGB deutlich ausdrückt.5 Der ÖGB zählt auch zu den dichtest organisierten Gewerkschaften Westeuropas. An die 60 Prozent aller unselbständig Erwerbstätigen in Österreich besitzen die Mitgliedschaft des ÖGB - das liegt deutlich über dem Durchschnitt Europas. Dieser Verbändestaat ist deutlich die Antithese zur Situation der Verbän­ de in der 1. Republik, er bildet als wesentlicher Bestandteil der Republik das eigentlich Neue, das die Entwicklung nach 1945 auszeichnet.6 Durch die Zentralisierung der Kammern und durch die Gründung eines überparteili­ chen, zentralistisch geführten Gewerkschaftsbundes, der ein faktisches Monopol auf die Vertretung gewerkschaftlicher Interessen besitzt, sollte und soll dem «sozialen Frieden» gedient werden. Dahinter steht eine nahezu alles und alle beherrschende Sehnsucht nach innerem Frieden - nach einer Garantie, dass die Erfahrungen der 1. Republik, insbesondere die Entwicklung hin zum Bürgerkrieg, nicht wiederholt werden können.7 Sozialpartnerschaft in Osterreich - Merkmale Die Merkmale der österreichischen Sozialpartnerschaft, die im internatio­ nalen Vergleich als die ausgeprägteste und zugespitzteste Form des «Neo- koporatismus» gilt, sind zunächst Gleichgewicht und wechselseitig zuge­ standenes Vetorecht. Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen, also die Organisationen von Kapital und Arbeit, jeweils repräsentiert durch zentra­ 5 Traxler 1982. 6 Talos 1985. 7 Nick/Pelinka 1983, 62-83. 33
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.