Volltext: Politischer Wandel in konkordanzdemokratischen Systemen

Gerhard Lehmbruch vor 1918 ausgebildet hatten (insbesondere beim Umgang mit den ethni­ schen Konflikten), und in der Schweiz mit den Erfahrungen mit «Fusions­ regierungen» in den Kantonen, zuvor der Teilnahme aller regimentsfähigen Geschlechter an den Regierungen des Ancien Regime, und wohl auch der «amicabilis compositio» der Religionsfriedenschlüsse, die ja in der Schweiz auch einige konfessionell gemischte Kantone (bzw. gemeine Herrschaften) geprägt hatten. Hans Daalder hat ähnlich für die Niederlande und die Schweiz auf die Bedeutung einer langen Tradition «konsiliarer» und föde­ rativer Regierungsweise hingewiesen. Unter diesen Bedingungen haben sich offenbar jene Lernprozesse vollzögen, die auch in Axelrods Modell eine zentrale Rolle spielen. Man kann hier noch eine weitere Überlegung einführen: Möglicher­ weise kann auch der viel diskutierte Zusammenhang zwischen Konkor­ danzdemokratie und Grösse des Landes im Lichte dieser spieltheoretischen Überlegungen gesehen werden. Kleine Gemeinschaften, in denen «jeder jeden kennt», ähneln eher der Situation des Schützengrabenkriegs als Grossstaaten. Die Bedingungen für Wiederholungen des Spiels mit densel­ ben Partnern sind eher gegeben, denn auch hier kann die Zukunft lange Schatten werfen. Meine These lautet also, dass stabile Konkordanzdemokratien wohl in erheblichem Masse darauf beruhen, dass hier das zu Anfang erwähnte Regelsystem in einem längeren historischen Prozess eingeübt worden ist. Dies ist die Voraussetzung dafür, dass es trotz seiner Künstlichkeit jene institutionelle Verfestigung erhält, durch die es vom situativen Kalkül der Akteure unabhängig wird. Es wäre hinzuzufügen, dass man hier nicht nur aus der 
eigenen Geschichte lernt. Es kann auch Lernen aus der Geschichte der Nachbarn geben oder m. a. W. Diffusion. Beispiele dafür lassen sich ins­ besondere aus dem Schweizer Föderalismus nennen - in unserem Zusam­ menhang vielleicht als besonders drastisch die Einführung der Konkor­ danzdemokratie im Tessin in der zweiten Hälfte des 19. Jh., als es nach in­ ternen bewaffneten Auseinandersetzungen zu einer Bundesintervention kommt. Wir kennen aus anderen Zusammenhängen eigentümliche Diffu- sionsmuster, z. B. beim Frauenstimmrecht, und es könnte interessant sein, die Diffusionsprozesse der Konkordanzdemokratie einmal näher zu unter­ suchen (vielleicht einschliesslich der Frage, ob und wie Liechtenstein hier einzuordnen ist). Ich komme nun zu der anderen Frage, die ich eingangs angedeutet habe, nämlich der Frage, wie weit unser Thema Ende.der achtziger Jahre noch 22
	        

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