Volltext: Politischer Wandel in konkordanzdemokratischen Systemen

Arno Waschkuhn Wichtigkeit differenziert reagieren könne. Integration und Partizipation würden ferner durch den Föderalismus und das Milizsystem hergestellt und geleistet. Die gesteigerte Legitimation durch direktdemokratische Mit­ wirkung wird indes durch eine hohe Stimm- und Wahlabstinenz relativiert. Wahl- und abstimmungsentscheidend wird tendenziell der «gelegentliche Urnengänger», der weniger parteigebunden, mehr an individuellen Vortei­ len denn an institutionellen Fragen interessiert ist. Der politische Markt ver­ ändert sich, die Distanz zur als abstrakt empfundenen Verfassungspolitik wächst. Gesamtgesellschaftliche Lerneffekte werden von Wolf Linder vor allem durch wechselnde Koalitionspartner bei einzelnen Sachfragen erwartet. Ein flexiblerer Umgang mit Volksbegehren, ein Abbau machtpolitischer Hege- monialstellungen und die Verbreitung demokratischer Alltagskultur wer­ den als weitere Innenaspekte genannt, um die Innovations- und Legitima­ tionschancen reziprok zu steigern. In extravertierter Perspektive würde ein EG-Beitritt die Konkordanzzwänge abbauen helfen. Das sind interessante Überlegungen, die in der Diskussion auch auf Widerspruch gestossen sind. Ich möchte hier nur noch zusätzlich zu bedenken geben, dass eine derartige Öffnung nach innen und aussen und damit eine Entzerrung des Konkor­ danzsystems Gefahr läuft, die gewichtigen helvetischen Konkordanzvor­ teile zu übersehen: Nämlich (in systemtheoretischer Sprache) dass die Kon­ kordanz ein funktionales Äquivalent darstellt für die vergleichsweise geringe Autonom-Setzung und «autopoiesis» des politischen (Teil-) Systems. Wenn man dann noch hört, wie es in der Diskussion angespro­ chen wurde, dass die weltanschaulichen Milieus auseinanderfallen und damit als wichtige Interpretationshilfen für die Bewältigung von Komplexi­ tät entfallen, dann muss man sich schon fragen - auch die nationale Identität wurde ja ansatzweise bestritten -, was nach dem Ausfransen der Konkor­ danz als Stabilisierungskitt überhaupt noch bleibt. Hier muss zumindest nach neuen funktionalen Äquivalenten gesucht werden. Helga Michalsky ist in Rücksicht auf den Parteienwettbewerb unter den Bedingungen der Allparteienregierung in Liechtenstein auch auf die histori­ schen und aktuellen Konfliktlinien eingegangen und hat ebenso auf die kon­ kordanzstiftenden Integrationsleistungen des verstorbenen Landesfürsten hingewiesen. Ferner hat sie uns vermittelt, dass die liechtensteinische Frag­ mentierung nicht mit herkömmlichen Begriffen beschrieben werden kann, insofern sie auf einer unterschiedlichen «kollektiven Erinnerung» basiert. Andererseits sind heute etwa zehn Prozent der Wählerschaft im Landtag 182
	        

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