Volltext: Politischer Wandel in konkordanzdemokratischen Systemen

Liechtenstein Die Regierungsmehrheit knüpfte damit an die Position an, die sie in der Diskussion um die Proporzwahlinitiative der Volkspartei imjahre 1930 ver­ treten hatte. Sie hatte das Proporzwahlrecht mit der Begründung abgelehnt, dass es die Parteibildung fördere. Genau diese aber sei schädlich, wie die Parteienkämpfe und -Zersplitterung in vielen Staaten Europas zeigten. Auch entfielen für Liechtenstein alle Gründe, die eventuell ein Proporz­ wahlrecht rechtfertigen könnten. Die Volkspartei kämpfte mit allen Mitteln gegen dieses Gesetz, das ihre Wahlchancen dauerhaft zu minimieren drohte, denn ihre Wahlchancen hingen eng mit der Existenz des Wahlkreises Oberland zusammen.- Die Wahlrechtsänderung begünstigte die Bürgerpartei und war geeignet, deren Mehrheit auf unabsehbare Zeit zu «zementieren» und die Volkspartei zur Splitterpartei herabsinken zu 
lassen. Dieses Wahlrecht, das die Bürgerpartei als Sieg der Überparteilichkeit darstellte, zwang die Volkspartei, sich nun auf das Proporzwahlrecht fest­ zulegen, da nur dieses eine klare Alternative zum bestehenden Wahlrecht darstellte. Erst die 
Wahlrechtsänderung von 1932 schuf also den institutionel­ len Konflikt, der 1938 in der «innerpolitischen Befriedung» beigelegt wor­ den ist. Eine weitere Verschärfung der Auseinandersetzung bedeutete die Grün­ dung des Liechtensteiner Heimatdienstes (LHD) im Oktober 1933. Grundsätzlich waren hier Bürgerpartei und Volkspartei herausgefordert, aber Friedensangebote der Volkspartei an die Bürgerpartei waren anschei­ nend mit zu hohen Forderungen verbunden. Zur Annäherung von Volks­ partei und LHD kam es im Zusammenhang mit einer gemeinsam lancier­ ten 
erneuten Proporzinitiative imjahre 1935, die wiederum scheiterte. Deren Ergebnis bestätigte jedoch, dass es für Volkspartei und Liechtensteiner Hei­ matdienst vorteilhaft sein würde, wenn sie ihre Kräfte bündelten. Die Gründung der Vaterländischen Union erfolgte rechtzeitig vor den Land­ tagswahlen 1936, aber wie zu erwarten, errang sie nur vier Mandate - dies aber auf der Grundlage von knapp 48 % der Wählerstimmen. Alle Auseinandersetzungen spielten sich vor allem in den Parteizeitun­ gen ab, die den jeweiligen Parteistandpunkt heftig verfochten und gegenein­ ander Stimmung machten. Auch im Zusammenhang mit der strafrechtli­ chen Verfolgung des Sparkassenskandals wurden lange Zeit die Leiden­ schaften geschürt. In diesem Klima wurden die Bürger fast zwangsläufig auf eine der beiden Seiten gedrängt, wenn sie sich nicht voller Abscheu von der Politik über­ 145
	        

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