Volltext: Politischer Wandel in konkordanzdemokratischen Systemen

Ulrich Klöti Bundesverwaltung keine genügende Stabilität gewährleisten. Wer einige Zeit als teilnehmender Beobachter und als beobachtender Teilnehmer diese Verwaltung kennengelernt hat, ist ob dieser Folgerung erstaunt. Entweder ist in diesem Punkt die Theorie nicht anwendbar, weil in der Schweiz die Kleinstaatlichkeit gesprengt wird, oder die schweizerische Bundesverwaltung ist ein atypischer Fall. Jedenfalls ist sie wohl eines der beharrendsten Elemente im Regierungssystem auf Bundesebene. Noch schwerer von Neuerungen zu überzeugen ist höchstens noch das Volk. Ohne oder gar gegen die Verwaltung geht in Bern wenig. 3) Eine letzte Nuance in der Beurteilung betrifft die 
Konfliktminimierung. Hier ist nicht zu bestreiten, dass die konkordante Schweiz seit 1950 er­ folgreich die Schwelle des Konfliktausbruchs höher gelegt hat als andere Staaten. Hingegen gewinnt die These an Bedeutung, dass seit etwa 1980 neue Konflikte aufgebrochen sind, die sich nicht in Konkordanzverfah­ ren werden lösen lassen. Vielmehr werden sie - wie Geser auch antönt - so grundsätzlicher Natur sein, dass eine offene Konfliktaustragung un­ umgänglich wird. In der Verkehrs-, Energie- und Umweltpolitik ist dies bereits abzusehen. Neue Fronten sind gesteckt. Der nächste Bereich, der konkurrenzmässig aufgebrochen werden dürfte, ist die Agrarpolitik. Die Sicherheits- und die Neutralitätspolitik sind mit zunehmender europä­ ischer Integration ebenfalls in diesen Sog geraten. Das hat nun aber kei­ neswegs zwingend zur Folge, dass die Schweiz ihr Konkordanzmodell verabschieden wird oder gar dass sie - weil Konflikte in Kleinstaaten offenbar so schwer zu ertragen seien - in die Brüche gehen wird. Die ent­ scheidende Folge wird sein, dass während einer Ubergangszeit die im System durchaus angelegten Konkurrenzelemente ein etwas stärkeres Gewicht erhalten werden. Es stehen der Schweiz ein paar heisse und emotionale Abstimmungsschlachten und möglicherweise zwei oder drei polarisierende Wahlen ins Haus, bis ein neues Gleichgewicht gefunden sein wird. Dann werden die Konkordanzstrukturen möglicherweise wieder ihren Dienst versehen können. Dies führt zu einem relativ optimistischen Schluss: die Schweiz wird diese Konflikte - auch als Kleinstaat - aushalten und beilegen. Dies wird ihr gelin­ gen, nicht weil sie als Kleinstaat so gut beraten war, ein Konkordanzmodell entwickelt zu haben, sondern weil der Mix der Institutionen es erlaubt, ein­ zelne Konflikte zu minimieren, andere zu verdrängen, einzelne Konflikte aber auch auszutragen und beizulegen. In Kleinstaaten ist nicht einfach 128
	        

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