Hans Geser Konflikte ständig auftreten, legen aber umso mehr Gewicht darauf, diese Konflikte in geregelte Bahnen zu lenken und
Verfahren der Konfliktlösung einzurichten, um die Störwirkungen auf das Sozialsystem in Grenzen zu halten. Offene Konflikte sind in kleineren sozialen Kreisen deshalb schwer erträglich, weil die Gefahr besteht, dass sie sich sowohl in
sozialer wie in sachlicher Hinsicht zu stark ausbreiten und das
Gesamtsystem (anstatt nur Teile davon) in Mitleidenschaft ziehen. 1) Soziale Ausbreitung Wenn wir uns vorstellen, dass innerhalb eines Staates
zwei wichtige Akteure (z. B. zwei Mitglieder der Führungselite oder zwei Verbände) miteinander. Streit bekommen, so hängt die Ausbreitung des Konflikts davon ab, zu wie vielen anderen wichtigen Akteuren die Beteiligten Solidaritätsbeziehungen aufrechterhalten. Fall A: hohe Konnektivität Fall B: geringe Konnektivität In kleinen Staaten wird man eher den Fall A (hohe Konnektivität) vor finden, weil die Zahl der Elitenakteure klein genug ist, dass jeder mit einem beachtlichen Prozentanteil
aller andern Elitenakteure «gute Beziehungen» pflegt. Deshalb kann selbst ein unbedeutender, partikulärer Konflikt leicht dazu führen, dass sich unversehens fast alle wichtigen Akteure (und indi rekt auch ihre jeweiligen Anhänger und Klientelen) darin einbezogen fühlen. In
grösseren Staaten hat die
geringere Verknüpfungsdichte zwischen den Elitenakteuren die doppelte Folge, dass a) jeder intraelitäre Konflikt ohne weiteres innerhalb sektorieller Grenzen bleibt; 112