Volltext: Liechtenstein: Kleinheit und Interdependenz

Peter Geiger ebenfalls anzuschliessen oder jedenfalls in Liechtenstein Neuwahlen zu erzwingen, aus denen mit deutscher Unterstützung eine nationalsozia­ listisch kontrollierte Regierung hervorgehen müsste, die schliesslich den Anschluss an Grossdeutschland «legal» durchführen könnte. Die Planer in Berlin gingen dabei freilich von unzutreffenden Informationen von Seiten der liechtensteinischen Nationalsozialisten aus, die Berlin im Zuge der österreichischen Anschluss-Euphorie glauben machten, sie würden in sol­ chen Landtagswahlen 60% der Stimmen erhalten.56 Eine ganze Woche lang, vom 11. bis zum 18. März 1938, war die liechtensteinische Anschluss­ frage in Berlin offen, bis auf Anraten von Aussenminister Ribbentrop, der eine Aktion gegen Liechtenstein zu jenem Zeitpunkt für «untunlich» hielt,57 schliesslich Hitler selber entschied, Liechtenstein in Ruhe zu lassen - vor­ läufig. Ausdrücklich heisst es in einem handschriftlichen Randvermerk auf einem Dokument des Auswärtigen Amtes mit Bezug auf Liechtenstein, es sei der «Wunsch des Führers..., dass wir uns nicht einmischen».58 Damit war vom Reich aus die liechtensteinische Anschlussfrage vorerst entschieden. Zugleich drückte freilich Ribbentrop die Erwartung aus, dass Liechtenstein sich innen- und aussenpolitisch in Richtung Deutschlands bewege.59 Die Schweiz, die von Liechtenstein - wegen dessen militärisch wichtiger Lage vor der Sarganser Pforte - ein klare Stellungnahme verlangt haue, hätte Liechtenstein nicht ungern in die schweizerische Landesverteidigung einbezogen, etwa durch ein vertragliches Besetzungsrecht. Solches wollte der wohlinformierte deutsche Aussenminister Ribbentrop jedoch keines­ 56 «Bericht des Reichskommissars für die Festigung deutschen Volkstums» vom 16. März 1938 zu Liechtenstein, Dr. Stier von der «Volksdeutschen Mittelstelle» in Berlin, LLA Dok. K40 (Kopie aus dem Bundesarchiv Koblenz). - Siehe auch Geiger, Liechtenstein 1938, 17 Anm. 74. 57 Nach einem Aktenvermerk vom 17. März 1938 im Büro des Reichsaussenministers, LLA Dok. 6321 H/E 471505 (Mikrofilmkopie). - Geiger, Liechtenstein 1938, 16 f. 58 Handschriftlicher Randvermerk vom 19. März 1938 im Auswärtigen Amt, LLA Dok. 6321/E 471504 (Mikrofilmkopie). Der bedeutsame Randvermerk ist erstmals entschlüs­ selt und abgebildet bei Geiger, Liechtenstein 1938,17. 59 Stellungnahme Ribbentrops vom 19. März 1938, LLA Dok. 317/192 022 f. (Mikrofilmko­ pie), und Erlass Ribbentrops vom 25. März 1938, LLA Dok. 1204/331739-745. - Vgl. Geiger, Liechtenstein 1938, 18. 76
	        

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