Volltext: Liechtenstein: Kleinheit und Interdependenz

Anschlussgefahren vielmehr als faktischer Teil Österreichs gelten und durch die Friedenskon­ ferenz der Siegermächte zu Deutsch-Österreich geschlagen bzw. diesem angeschlossen werden. Der französische Botschafter in Wien, Henry Allize, hatte 1919 Auftrag, für die Friedenskonferenz ein Gutachten zu dieser die völkerrechtliche Stellung und Zukunft Liechtensteins betreffen­ den Frage zu verfassen. Baldass, durch den in Prag weilenden liechtensteini­ schen Gesandten Prinz Eduard von Liechtenstein vom Auftrag Allizes in Kenntnis gesetzt, suchte am selben Abend Allize in Wien auf. Der franzö­ sische Botschafter, der vorerst ganz den tschechoslowakischen Standpunkt einnahm - nämlich Liechtenstein sei nicht souverän und daher an Öster­ reich anzuschliessen liess sich im Laufe des einstündigen Gesprächs von Baldass von der liechtensteinischen staatlichen Selbständigkeit überzeugen. Baldass war sicher, dass Allizes Gutachten die Friedenskonferenz schliess­ lich bewog, im Friedensvertrag von Saint-Germain vom 10. September 1919 Österreichs Grenzen Liechtenstein gegenüber unverändert zu belas­ sen und damit zugleich Liechtensteins Souveränität anzuerkennen. Pierre Raton bestätigt, dass die Friedenskonferenz und der Friedensver­ trag von 1919 für Liechtensteins staatliche Existenz «une question de vie ou de mort» (eine Frage um Sein oder Nichtsein) war.48 Prinz Eduard von Liechtenstein, 1919-1921 liechtensteinischer Gesandter in Wien, schildert in seinem etwas schwer lesbaren, aber materialreichen Buch «Liechtensteins Weg von Österreich zur Schweiz» die Bemühungen von Fürstenhaus, Regierung und Gesandtschaft, bei den Ententemächten die Anerkennung der liechtensteinischen Souveränität und Neutralität zu erreichen.49 Dies gelang denn auch, wenn zwar nicht vollständig, denn die Aufnahme in den Völkerbund wurde abgelehnt Interessant ist, dass hier im Lande die Anschlussgefahr, die sich im Rah­ men der europäischen Neuordnung an der Friedenskonferenz in Paris auf­ tat, offenbar nicht für besonders real gehalten wurde. So sicher man sich im Lande der staatlich-völkerrechtlichen Eigenidentität war, so nötig erwies es sich, dieselbe durch Aufklärung den Staatsmännern und Diplomaten der Siegermächte vor Augen zu bringen. Jene wussten von Liechtenstein kaum etwas, es erschien ihnen besonders wegen des Fürstenhauses in der Tat als Anhängsel des alten Österreich, dessen Nachlass die Friedenskonferenz zu ordnen hatte. Baldass mochte im Rückblick seine Wirksamkeit überschätzt 48 Raton, 63. 49 Eduard Liechtenstein, 31, 38 ff. 71
	        

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