Volltext: Liechtenstein: Kleinheit und Interdependenz

Hubert Büchel Doch spricht sich inzwischen auch bei uns herum, dass in Europa eine Entwicklung vorwärtsdrängt, die derartige Sonderstellungen nicht ohne weiteres zu akzeptieren bereit ist. Nicht nur die Berliner Mauer fällt. Wenn aber die immer wieder verlautbarte Maxime unserer Wirtschafts­ politik lautet, oberstes Gebot sei die Erhaltung und Erweiterung unserer positiven wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, so frage ich mich, ob diese noch allein unserer autonomen Entscheidung anheimgestellt sind. Ange­ sichts der Marschrichtung der europäischen Integration erweist sich die bei uns weitverbreitete Überzeugung, man halte selber die Entwicklung fest in Händen und könne sie nach eigenen Wünschen lenken, immer mehr als Illusion. Sicherlich ist es nicht ausgeschlossen, dass die durch unsere Klein­ heit bedingte, gewissermassen natürliche Sondersituation unseres Landes auch Sonderregelungen möglich macht. Es wäre allerdings fatal zu meinen, einen «liechtensteinischen Weg» könnten wir ohne Beachtung dessen, was um uns herum geschieht, frei bestimmen und beschreiten, angelegt und mit Zielrichtung auf Maximierung unserer eigenen materiellen Vorteile. Es wäre auch verfehlt, sich selbst mit der Feststellung zu beruhigen, unsere Banken und Industrieunternehmen seien schliesslich jetzt schon im EG-Raum vertreten, was gewissermassen eine Absicherung darstelle. Wenn wir uns im weiteren vom Trend der Integration abgrenzen, würden wir sehr schnell ausgegrenzt. Wir haben die Arme nach Europa ausge­ streckt, und an diesen Armen kann man uns festhalten, daran ziehen und rütteln. Wir haben damit nicht nur Positionen gesichert, sondern sind dadurch auch verletzlicher geworden. So wirken die Spielregeln von aussen auf uns herein. Der Wandel in Europa ist umfassend. Er vollzieht sich unaufhaltsam (nicht nur die kleinen Staaten stehen unter Handlungs- und Anpassungs­ zwang) in die Breite, in die Tiefe und mit schwindelerregender Geschwin­ digkeit. Das Rad der Geschichte dreht sich und wer dort obenauf steht, fällt herunter, wenn er an seinem Platz einfach stehen bleibt, kann sich nur hal­ ten, wenn er dosiert mitschreitet. Pessimismus liegt mir fern. Dass unsere Wirtschaft fähig und willens ist, Anpassungserfordernisse anzunehmen und zu meistern, hat sie bisher er­ folgreich bewiesen. Auch wenn sich Rahmenbedingungen ändern, Markt­ nischen wird es immer geben. Der jetzige Wandel, der auch für unerschüt­ terlich gehaltene Eckpfeiler der bisherigen Ordnung in Europa verschiebt, lässt sich nur bewältigen mit vermehrter Anstrengung. 294
	        

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