Handlungsbedingungen der Parteien 4. Parteien und Bürger Wie eingangs gesagt, unterscheiden sich die Aufgaben der liechtensteini schen Parteien nicht grundlegend von denen der Parteien in anderen Staaten. Demnach ist nun zu prüfen, ob diese Aufgabenerfüllung in Liech tenstein wegen der «kleinen Verhältnisse» besondere Züge aufweist. Ich gehe aus von einer Aufgabenbestimmung, die in der sozialwissen schaftlichen Literatur breite Zustimmung findet: «Parteien westeuro päischen Zuschnitts sind mehr als die Repräsentanten von Meinungen, Präferenzen und Interessen der Bevölkerung; sie sind darüberhinaus Meinungsbildner, Interessendeuter, Kristallisationspunkte der politischen Willensbildung. »5 Diese Aufgabenbeschreibung deckt sich mit dem erklärten Selbstver ständnis aller liechtensteinischen Parteien, insofern sie einerseits betonen, dass sie den Willen ihrer Wähler oder vielmehr der Bürger bei ihren Ent scheidungen berücksichtigen, zugleich aber ebenso selbstverständlich für sich beanspruchen, auf die Bürger einzuwirken, um sie für die von ihnen vorgeschlagenen Programme und Problemlösungen zu gewinnen. Bezogen auf diese Aufgabenstellung haben wir zu fragen: Wie integrie ren die Parteien den Bürger in die parteiinterne Meinungsbildung und in die Programmarbeit, so dass diese ihre Erwartungen in der Tätigkeit ihrer Par tei wiederfinden, und was tun sie, um die Bereitschaft der Bürger zu schaf fen, notwendige Massnahmen zu akzeptieren? Wie hat sich dieser Aspekt der Parteiarbeit über die Jahrzehnte verändert? Wie sehen die Möglichkei ten einer solchen Meinungsbildung praktisch aus? Wie gehen die Parteien generell auf den Bürgerwillen ein? Es wurde oben dargestellt, wie die an der Regierung beteiligten politi schen Parteien sehr weitgehend in die politische Entscheidungsvorberei tung einbezogen sind. Dabei wurde betont, dass die institutionalisierten Formen der Zusammenarbeit neueren Datums sind und dass früher die informellen Kontakte, die auch heute nicht unterschätzt werden dürfen, praktisch die einzig entscheidenden waren. Das Verhältnis zwischen Parteianhängern und Führungspersönlichkei ten der Partei war sehr stark personalisiert. Auch persönliche Abhängigkei ten oder Verpflichtungen haben dabei eine Rolle gespielt. 5 Schmitt, Hermann, Neue Politik in alten Parteien, Opladen 1987, 48. 271