Volltext: Liechtenstein: Kleinheit und Interdependenz

Stmkturbedingungen des Kleinstaates Diese sozialwissenschaftlichen Herleitungen von Strukturmerkmalen und Leistungskapazitäten kleiner Sozialsysteme lassen sich im Analogie- schluss auf kleinräumige Gesellschaften übertragen, ohne über Gebühr tau- tologisch vorgehen zu müssen. Das Phänomen des «gütlichen Einverneh­ mens» (amicabilis compositio) oder der Konfliktvermeidung zählt gerade in Gesellschaften des konkordanzdemokratischen Typs zu den herausragen­ den Stilelementen ihrer spezifischen politischen Kultur, die auch ein Reflex ist auf die vor allem unter kleinstaatlichen Bedingungen besonders gegebene Knappheit an Handlungs- und Organisationskapazitäten. In der politi­ schen Praxis fuhrt dies bekanntlich dazu, möglichst viele organisierte Inter­ essenvertreter und andere sozial bedeutsame Handlungsträger relativ früh­ zeitig in den Meinungs-, Willensbildungs- und Entscheidungsfindungspro- zess miteinzubeziehen (zum Beispiel institutionalisiert im sog. «Vernehm- lassungsverfahren») und potentielle Oppositionsgruppen günstigstenfalls zu «kooptieren», also hinzuzuwählen oder mit hereinzunehmen. Auf diese Weise, gleichsam als «inklusives» Entscheidungssystem, kann zugleich ein vergleichsweise hoher Grad an politischer Stabilität erzielt und erhalten werden. Kleine Sozialsysteme, so kann als Zwischenresümee behauptet werden, müssen in funktionaler Betrachtung demnach mindestens vier Problemstel­ lungen erfolgreich bewältigen: (1) die optimale Ausschöpfung knapper per­ soneller Ressourcen, (2) die Sicherung und Erhöhung der adaptiven Flexi­ bilität nach aussen, (3) 
die Vorbeugung und Regelung von Konflikten 
sowie (4) eine politisch-administrative Selbststabilisierung.30 Hinsichtlich der inneren strukturellen Differenzierung kleiner hochent­ wickelter Gesellschaften könnte man von «Polyvalenz» (oder Plurivalenz), also von Vielwertigkeit sprechen, insofern die strukturelle Knappheit besondere Problemlösungsstrategien erfordert, die auf einer individuellen Rollenanhäufung mit einem erweiterten Leistungskreis beruhen. Das bedeutet aber auch, dass die Akteure eine zur flexiblen und «polyvalenten» Anpassung fähige Persönlichkeitsstruktur benötigen und entwickeln müs­ sen, um im Rahmen multipler Mitgliedschaften eigenständige Strukturie- rungsleistungen erbringen zu können, da in der Regel keine einheitlich nor­ mierten Lösungswege zur Verfügung stehen und gerade in «Milizsyste­ men» auch keine Rollenprofessionalisierung vorausgesetzt werden kann.31 30 Nach Gesa-, erscheint in Michalsky. 31 Geser/Höpflinger, 38 und Geser, 227 ff. 27
	        

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