Volltext: Liechtenstein: Kleinheit und Interdependenz

Liechtenstein im Integrationsprozess Als erstes Gemeinschaftsorgan hat das Europäische Parlament das Pro­ blem erkannt und ein Überdenkenswertes Leitbild entwickelt: In seiner «Entschliessung zu den Rechten der Bürger kleiner Staaten und Territorien in Europa» vom 26. Mai 198989 unternimmt es den Versuch, das Interesse der Europäischen Gemeinschaft am reibungslosen Funktionieren des Bin­ nenmarktes mit den legitimen Interessen der vom Gemeinschaftsgebiet umschlossenen Nichtmitgliedstaaten Andorra, Monaco und San Marino und einiger teilautonomerTerritorien (Isle of Man, Kanalinseln) in Finklang zu bringen.90 Praktisch im Gegenzug zur Mitwirkung bei der Prävention und Verfolgung der Kapitalflucht91 werden den genannten Staaten und Ter­ ritorien «privilegierte Abkommen»92 in Aussicht gestellt, die ihrer Staatlich­ keit, bzw. relativen Autonomie und ihren spezifischen ökonomischen In­ teressen gerecht werden. Letztere umfassen auch das Privileg zu einer «attraktiven» Steuergesetzgebung (Steueroase) oder sonstiger, etwa für die Vermögensverwaltung günstiger Rahmenbedingungen.''3 Diese Entschliessung, die den genannten Staaten94 und Territorien aller­ dings auch eine «gehörige Portion Honig um den Bart schmiert»95 - das möchte ich gar nicht verschweigen deutet jedenfalls auf einen möglichen «dritten Weg» hin, der, grosso modo, so aussehen könnte: Liechtenstein öffnet sich, schrittweise und mehr oder weniger weit, den berechtigten Ko­ operationswünschen der europäischen Staaten, gerade auch solcher, die die Prävention und Verfolgung der Kapitalflucht betreffen.96 Insoweit wird Liechtenstein notwendig einen Teil seiner rechtlichen Standortvorteile abbauen müssen. Umgekehrt werden sie aber zumindest in dem Masse an­ erkannt, wie dies erforderlich ist, die mit der Kleinheit des Landes zusam­ menhängenden tatsächlichen Standortnachteile in gemeinverträglicher Weise auszugleichen. Dieser Kompensationsgedanke scheint mir als 89 ABl. C158/329 vom 26. Juni 1989; siehe dazu den dieser Entschliessung zugrundeliegen­ den «Compasso-Bericht» im Namen des Institutionellen Ausschusses des EP, PE DOK A 2-86/89 vom 20. April 1989. - ^ 90 Erwägungen A bis C der Entschliessung. 91 Ziffer 4 der Entschliessung, Ziffer 5 der Begründung des Institutionellen Ausschusses. 92 Ziffer 3 der Entschliessung, Ziffer 5 der Begründung des Institutionellen Ausschusses. 93 Ziffer 4 und 5 der Begründung des Institutionellen Ausschusses. 94 In Ziffer 1 der Begründung des Institutionellen Ausschusses wird auch noch der Vatikan genannt. 95 Das beginnt schon mit der peinlichen Vermeidung «diminutiver Termini» wie Kleinst­ staat, Mikrostaat u. dg}.; vgl. dagegen den Titel der Entschliessung. 96 Siehe zu den internationalen Bemühungen umfassend Levine. 207
	        

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