Volltext: Liechtenstein: Kleinheit und Interdependenz

Thomas Bruha chende Entwicklungsbereitschaft, ohne ein den jeweiligen Herausforde­ rungen angemessenes «kooperatives Gewicht»84, könnte aus der Warte der Staatengemeinschaft gewissermassen seinen Sinn verlieren.85 In dieser Perspektive einer langfristig erforderlich werdenden Neuorien­ tierung der Staatlichkeit und der internationalen Handlungsfähigkeit stehen die Zeichen für eine politische Aufwertung und Sicherung der Staatlichkeit Liechtensteins zur Zeit relativ günstig - allen Schwarzmalereien zum Trotz. Die Europäische Gemeinschaft, so vermessen das klingen mag, ist in gewis­ ser Weise auch von Liechtenstein abhängig. Der von ihr anvisierte Europä­ ische Finanzraum,86 also die vollständige Liberalisierung des Kapitalver­ kehrs, der Finanzdiensdeistungen und die auf Dauer nicht zu vermeidende annäherungsweise Angleichung der Steuern, ist mit der Gefahr verbunden, dass es zu einer massiven Abwanderung von Fluchtgeld in die Schlupflö­ cher sogenannter Steueroasen - zumeist Kleinstaaten - kommt.87 Anderer­ seits ist die Europäische Gemeinschaft aufgrund ihrer politischen Ideale gehalten, den zum Teil aus den Frühzeiten Europas stammenden, Jahrhun­ derte alten Kleinstaaten88 einen ihrer Eigenstaatlichkeit angemessenen Platz bei der Neukonstruierung Europas einzuräumen. Es gibt auch so etwas wie ein Gebot «politischen Artenschutzes», ohne das Anliegen damit in irgend­ einer Weise lächerlich machen zu wollen. 84 Der von mir eingeführte Begriff des «kooperativen Gewichts» lehnt sich stark an die von Friedmann, 60 ff., idealtypisch herausgearbeitete Unterscheidung des (älteren) Völker­ rechts der Koexistenz und des (neueren) Völkerrechts der Kooperation an. Letzteres ten­ diert zur Herausbildung eines immer umfangreicher und engmaschiger werdenden Net­ zes internationaler Kooperationspflichten (siehe auch Ginther, 12 f.) sowohl vertraglicher als auch gewohnheitsrechtlich begründeter Art. Siehe aus dem sozialwissenschaftlichen Schrifttum vor allem Axelrod. 85 In Fortführung der Typologie Friedmanns könnte man insoweit von einer dritten Kate­ gorie, dem Völkerrecht der Integration sprechen (so auch Ginther, 20 f.) oder von einer qualifizierten Erscheinungsform des Völkerrechts der Kooperation. Siehe in diesem Zu­ sammenhang auch die - allerdings rechtlich kaum greifbare - Unterscheidung «notwendi­ ger» und «beliebiger» internationaler Organisationen bei Oppermann, 66 ff. Die Differen­ zierung liesse sich auch ausdehnen auf internationale Vertragsbeziehungen, Regime, usw. Siehe zu den als Kooperationsforen (z. B. KSZE) an Bedeutung gewinnenden internatio­ nalen Regimen Kohler/Koch. 86 Dazu etwa Servais. 87 Laut Kommissionspräsident Delors «wird es künftig kein Steuerparadies in der EG mehr geben, weder in Luxemburg noch auf den britischen Kanalinseln, und das Grossherzog­ tum Luxemburg mit seinen rund 150 Banken hat die freie Wahl, entweder an der Steuer­ harmonisierung teilzunehmen oder aber seine laufend verkündeten Europabekenntnisse einzustellen» (Zitiert nach H. Batliner, 13). Siehe ferner das Vorwort Delors zu Servais, 5. 88 Die unabhängige Existenz San Marinos etwa geht auf das Jahr 301 zurück. 206
	        

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